Archiv für den Monat: Dezember 2019

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Darf der Vermieter von öffentlich gefördertem Wohnraum mit Mietrückständen die Aufrechnung gegenüber der vom Mieter begehrten Kautionsrückzahlung erklären ?

Die Antwort des Amtsgerichts Bremen (AG Bremen – 3 C 52/18, Urteil vom 08.11.2019) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Bremen in seiner vorgenannten Entscheidung unter 2. bis 3. wie folgt aus: „2. Die Klage ist auch überwiegend begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 2. ein Anspruch auf Auszahlung des gesamten Kautionsguthabens einschließlich Zinsen aus § 9 Abs. 7 Satz 1 WoBindG zu.

a) Gem. § 9 Abs. 7 Satz 1 WoBindG sind Leistungen zurückzuerstatten, soweit sie wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 bis 5 WoBindG unwirksam sind. Der Anspruch aus § 9 Abs. 7 Satz 1 WoBindG geht anderen Ansprüchen, denkbar wären solche aus §§ 812 ff. BGB, vor (vgl. Blank, in: Börstinghaus/Blank, 5. Aufl. 2017, BGB § 551 Rn. 128). Es handelt sich um einen Erstattungsanspruch eigener Art (BGH ZMR 1973, 350 ff.; Bister, in: Hannemann/Wiegner, Münchener Anwaltshandbuch Mietrecht, 5. Auflage 2019, § 25 Preisgebundener Wohnraum und Sozialer Wohnungsbau, Rn. 195).

Zwischen den Parteien bestand ein Mietverhältnis über preisgebundenem Wohnraum. Folglich finden § 9 Abs. 5 u. 7 WoBindG auf das Mietverhältnis Anwendung.

Nach § 9 Abs. 5 WoBindG ist die Vereinbarung einer Sicherheitsleistung des Mieters dann zulässig, soweit sie dazu bestimmt ist, Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter aus Schäden an der Wohnung oder unterlassenen Schönheitsreparaturen zu sichern. § 14 des Mietvertrages enthält diese Einschränkung hingegen nicht, sondern verpflichtet den Mieter zu einer Mietsicherheit, dessen Sicherungszweck unbeschränkt ist. Ob und inwieweit es sich bei § 14 um eine Formularklausel handelt und sie somit wegen Verstoßes gegen das AGB-Recht unwirksam ist, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung.

Denn jedenfalls ist die Vereinbarung der Mietsicherheit wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 5 WoBindG unwirksam. Folglich steht der Klägerin ein Rückzahlungsanspruch aus § 9 Abs. 7 Satz 1 WoBindG zu.

b) Das Mietverhältnis endete mit Ablauf des 30.09.2017. Das Kautionsguthaben der Klägerin betrug zu diesem Zeitpunkt 1.237,83 Euro.

Hiervon wurden 14,17 Euro von der Beklagten erstattet, so dass der Anspruch in dieser Höhe gem. § 362 BGB durch Erfüllung erloschen ist. Insoweit ist die Klage unbegründet.

c) Der weitere Anspruch der Klägerin auf Auskehrung des verbleibenden Kautionsguthabens in Höhe von 1.223,66 Euro ist vorliegend nicht durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung gemäß §§ 387389 BGB durch Erfüllung erloschen.

Denn die Aufrechnung der Beklagten berührt den Kautionsrückzahlungsanspruch der Klägerin bereits wegen eines sich aus § 9 Absatz 5 WoBindG ergebenden Aufrechnungsverbotes nicht. Aus dem beschränkten Sicherungszweck der Mietsicherheit nach § 9 Absatz 5 WoBindG ergibt sich ein Verbot der Aufrechnung mit anderen Ansprüchen (LG Berlin ZMR 2002, 666; LG Aachen WuM 2006, 101; AG Köln WuM 2000, 22; AG Köln, Urteil vom 01. August 2007 – 203 C 175/07 -). Die Beklagte erklärt die Aufrechnung jedoch mit Ansprüchen auf Nachzahlung rückständiger Miete.

Die Aufrechnung ist daher unzulässig, da insoweit ein gesetzliches Aufrechnungsverbot besteht. Für die Kaution hat die Beschränkung des Sicherungszwecks aus § 9 Abs. 5 WoBindG zur Folge, dass die Kaution vorliegend nur für Ersatzansprüche des Vermieters gegen den Mieter wegen Beschädigung der Mietsache oder unterlassenen Schönheitsreparaturen in Anspruch genommen werden kann (vgl. Lützenkirchen, MDR 2019, 257, 262). Der Vermieter kann gegenüber dem Rückzahlungsanspruch des Mieters nicht aufrechnen (LG Bremen MDR 1973, 937; LG Hamburg WuM 1992, 591; Bellinger WuM 2007, 177, 178); es besteht insoweit ein gesetzliches Aufrechnungsverbot (Bellinger, aaO; Blank, in: Börstinghaus/Blank, 5. Aufl. 2017, BGB § 551 Rn. 128 mwN).

3. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Klägerin gegen die Beklagte zu 2. auch ein Anspruch auf Schadensersatz wegen vertraglicher Nebenpflichtverletzung zusteht. Für einen solchen Anspruch spricht, dass der Mietvertrag in § 2 (3) 5. Abs. vorsieht, dass Unterlagen zur Erlangung des Aufwendungszuschusses vom Mieter nach Aufforderung durch den Vermieter beim Vermieter vorzulegen sind. Eine Vorlagepflicht des Mieters bei der jeweils zuständigen Behörde enthält der Mietvertrag nicht. Die Klägerin als Mieterin hat sämtliche Unterlagen fristgerecht beim Vermieter eingereicht, der indes die Unterlagen nur mit zeitlicher Verzögerung der zuständigen Behörde übersandte. Gegen einen solchen Anspruch spricht indes, dass vorliegend ungeklärt ist, ob der Klägerin durch eine etwaige Nebenpflichtverletzung der Beklagten zu 2 tatsächlich ein kausaler Schaden entstanden ist. Auch kann es dahingestellt bleiben, ob die Beklagte durch das Schreiben vom 08.06.2017 (Anl. K10, Bl. 43 d. A.) auf etwaige Nachforderungen verzichtet hat. Dafür ließe sich jedenfalls anführen, dass in dem Schreiben auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt wird, das Mietkonto sei ausgeglichen und weise keine Salden auf.”

Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:

rbb24.de am 03.12.2019: Zusage von Finanzsenator Kollatz – “Diese eG” bekommt Darlehen des Landes

Die von Mietern gegründete und zuletzt in finanzielle Probleme geratene “Diese eG” soll das Vorkaufsrecht für Wohnhäuser nutzen, um sie Spekulanten zu entziehen. Dafür benötigte Landesdarlehen wurden nun zugesagt. Aber es gibt weitere Hürden.

Lange hatte die in Schieflage geratene Genossenschaft “Diese eG” auf diese Zusage gewartet, am Montag kam die Bewilligung: Der Genossenschaft werden nun Förderdarlehen für insgesamt fünf Hauskäufe vom Senat in Aussicht gestellt, bestätigte die Investitionsbank IBB dem rbb.

Die Entscheidung, die Darlehen zu gewähren, fiel nach rbb-Informationen am vergangenen Freitag im Bewilligungsausschuss, in dem die Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung, für Finanzen und für Wirtschaft vertreten sind.

Investitionsbank und Finanzverwaltung geben sich allerdings auch skeptisch: Um die Darlehen, die natürlich zurückgezahlt werden müssen, auch endgültig zu bekommen, müsse die “Diese eG” nun eine lange Liste mit Nachweisen erbringen. Und Hoffnung auf direkte Zuschüsse des Landes könne sich die Genossenschaft bei höchstens zwei der Häuser machen – mehr nicht, sagte Finanzsenator Matthias Kollatz im rbb: “Es wird keine Zuschüsse für Vorkaufsfälle geben, die gezogen worden sind, bevor überhaupt durch den Hauptausschussbeschluss die Voraussetzungen dafür geschaffen wurden.”

Beide Einrichtungen hegen auch noch eine grundsätzliche Skepsis gegenüber der “Diese eG”, die Friedrichshain-Kreuzbergs grüner Baustadtrat Florian Schmidt maßgeblich unterstützt hatte. Schmidt muss nun das Vorkaufsrecht für das Haus in der Rigaer Straße rückabwickeln, dass die “Diese eG” sich doch nicht leisten kann. Damit droht ein Rechtsstreit mit dem Verkäufer und eine Rechnung in Millionenhöhe.

https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2019/12/berlin-diese-eg-genossenschaft-senat-haeuser-ibb.html

Aus der Rubrik “Mietenpolitik”:

Berliner Zeitung am 03.12.2019 – Antrag : Grüne wollen Änderungen am Berliner Mietendeckel

Der Parteitag der Berliner Grünen am kommenden Samstag will Genossenschaften von einer Deckelung befreien.

Wenn es nach den Berliner Grünen geht, sollte der Gesetzentwurf zum Mietendeckel noch einmal geändert werden. In einem Antrag für den Parteitag am kommenden Sonnabend sprechen sich die Grünen dafür aus, Genossenschaften von dem Mietendeckel generell auszunehmen und Mietsteigerungen in Höhe der Inflationsrate schon von 2021 an zu ermöglichen, nicht erst von 2022 an. Außerdem fordern die Grünen im Sinne des Klimaschutzes eine Aufstockung der Förderprogramme für energetische Sanierungen.

Innerhalb der Koalition stoßen die Forderungen der Grünen auf Widerstand. Der Linken-Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg bezeichnete auf dem Kurznachrichtendienst Twitter die Idee, eine bestimmte Vermietergruppe vom Mietendeckel auszunehmen, als „nicht rechtssicher und auch nicht notwendig“. Es gebe eine „ausgewogene Härtefallklauseln und das Prinzip des atmenden Deckels“, so Schlüsselburg.

Keine Ausnahmen definieren

Der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz äußerte sich ähnlich: „Das Thema ist eigentlich ausdiskutiert“, sagte er. „Wir sind ganz klar zu dem Ergebnis gekommen, dass wir keine Ausnahmen definieren wollen.“  Es sei „juristisch heikel, bestimmte Personengruppen vom Mietendeckel auszunehmen“. Das mache den Mietendeckel unsicher. „Und das wollen wir vermeiden“, so Buchholz.

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) bewertet den Grünen-Vorstoß positiv. „Angesichts der Reichweite des Gesetzesvorhabens ist es elementar, dass sich das Abgeordnetenhaus in aller Tiefe damit auseinandersetzt“, sagte BBU-Chefin Maren Kern. „Bei allen verfassungsrechtlichen Bedenken zum Gesetz wäre es sogar geboten, jene gemeinwohlorientierten Vermieter auszunehmen, die aufgrund ihrer Mietenpolitik von vornherein nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung der Wohnungsmarktprobleme sind.“ Das wäre auch mit der Systematik des Gesetzes vereinbar. „Und nicht zuletzt wäre eine solche Ausnahme auch eine enorme Entlastung für die Berliner Verwaltung, weil rund 500.000 Haushalte weniger zu überprüfen wären“, so Kern.

Die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger betonte dagegen: „Wir stehen zum Kompromiss der Koalition, wollen aber deutlich machen, wo wir Nachbesserungsbedarf sehen.“  So hätte ein Weg gefunden werden sollen, die Genossenschaften vom Mietendeckel auszunehmen. Bei der energetischer Modernisierung komme es darauf an, dafür zu sorgen, dass die Sanierungsrate nicht runtergehe. Schmidberger sagte, es sei klar, dass es innerhalb der Koalition keine Bereitschaft für Änderungen am Kompromiss zum Mietendeckel gebe. Trotzdem sei der Antrag mehr als nur eine Dokumentation der Grünen-Position. Es gehe darum, „eine Debatte anzustoßen“.

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/gruene-wollen-aenderungen-am-mietendeckel-li.2525

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Liegt eine erhebliche Verschlechterung des Immissionsniveaus vor, was zu einem Mietmangel führt, wenn eine Baustelle Störungen mit sich bringt, die zu einer ungünstigeren Einordnung der Wohnung in die immissionsbezogenen Kategorien der Orientierunghilfe (“besonders ruhig”, “durchschnittlich belastet”, “besonders lärmbelastet”) führen würde?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 64 S 190/18, Urteil vom 21.08.2019) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 2. wie folgt aus: „Die Berufung der Kläger ist teilweise begründet, soweit sie sich gegen die vollständige Abweisung der Zahlungsklage wenden. Die Miete war gemäß § 536BGB auch im Zeitraum November 2017 bis einschließlich Mai 2018 um 15 % gemindert, sodass die Kläger gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB Anspruch auf Rückzahlung der insoweit rechtsgrundlos geleisteten Miete in Höhe von insgesamt 816,77 Euro (7 x 15 % x 777,88 Euro) nebst Prozesszinsen haben. Die Voraussetzungen des §814 BGB liegen entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht vor, denn es lässt sich nicht feststellen, dass die Kläger im Zeitpunkt der jeweiligen Mietzahlung um ihren Minderungseinwand wussten. Die weiter gehende Berufung der Kläger ist zurückzuweisen, denn das Amtsgericht hat den Grad der Gebrauchsbeeinträchtigung zutreffend mit 15 % bemessen.

Die Berufung der Beklagten und ihrer Streithelferin ist begründet, soweit sich das Feststellungsbegehren auf die Zeit nach Schluss der mündlichen Verhandlung bezieht. Da ungewiss ist, wann zukünftig welche Baumaßnahmen auf dem Nachbargrundstück stattfinden und welche Störungen von diesen ausgehen werden, lässt sich eine Mietminderung für die Zukunft nicht sicher feststellen, sodass das auf die Zeit nach der mündlichen Verhandlung bezogene Feststellungsbegehren unbegründet ist. Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten und ihrer Streithelferin zurückzuweisen, da das Amtsgericht zu Recht festgestellt hat, dass die Miete im Zeitraum bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung um 15 % gemindert gewesen ist.

a) Minderung dem Grunde nach

Dem Grunde nach zu Recht hat das Amtsgericht darauf erkannt, dass die Miete wegen der von der Großbaustelle ausgehenden Störungen im Klagezeitraum nach § 536 BGB gemindert gewesen ist. Die Kammer nimmt auf ihre bisherigen Entscheidungen in vergleichbaren Fällen (vgl. Urteil vom 7. Juni 2017 – 18 S 211/16 -, vgl. GE 2017, 1550 f. = WuM 2018, 15 ff. und Urteil vom 17. Januar 2018 – 64 S 87/17 -, n. V., Revision anhängig zu BGH – VIII ZR 31/18 -) Bezug und folgt nunmehr der Zivilkammer 67 dahin, dass die Freiheit der Wohnung von Baulärm – mangels Existenz einer benachbarten Baustelle bei Abschluss des Mietvertrages, sonstiger beidseitiger Kenntnis eines entsprechenden Vorhabens oder ausdrücklicher abweichender Absprachen – regelmäßig stillschweigend Gegenstand der Beschaffenheitsvereinbarung wird, da “im großstädtischen Kontext Baumaßnahmen zwar nicht unüblich sind, aber selbst dort – und auch in Berlin – die ganz überwiegende Mehrzahl der Mietwohnungen von entsprechenden Maßnahmen und den damit verbundenen erheblichen zusätzlichen Immissionen nicht betroffen ist” (vgl. LG Berlin, Urteil vom 16. Juni 2016 – 67 S 76/16 -, GE 2016, 486 ff., Rn. 5 m. w. N.).

Für eine solche Auslegung der gegenseitigen Vertragserklärungen spricht, dass sowohl auf die Wohnung einwirkende Immissionen als auch deren Abwesenheit typischerweise Auswirkungen auf die Höhe der ortsüblichen Miete haben. Die Orientierungshilfe zum Berliner Mietspiegel sieht die negativen Wohnwertmerkmale “besonders lärmbelastete Lage” und “besonders geruchsbelastete Lage” sowie das positive Wohnwertmerkmal “besonders ruhige Lage” vor. Dies rechtfertigt die Annahme, dass die Höhe der vereinbarten Miete regelmäßig davon abhängt, welches Immissionsniveau die Parteien bei Abschluss des Mietverhältnisses zu Grunde legen. Stellt sich das Maß der auf eine Mietwohnung einwirkenden Immissionen mithin als verkehrswesentliche Eigenschaft der Wohnung dar, wird diese übereinstimmend, wenn auch stillschweigend, angenommene Eigenschaft der Wohnung Gegenstand der vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung und stellt sich eine erhebliche Verschlechterung des Immissionsniveaus als Mangel dar.

Zu einer erheblichen Verschlechterung des Immissionsniveaus wird dabei nicht jegliche Baumaßnahme in der Nachbarschaft führen. Wenn aber die Baustelle Störungen mit sich bringt, die zu einer ungünstigeren Einordnung der Wohnung in die immissionsbezogenen Kategorien der Orientierunghilfe (“besonders ruhig“, “durchschnittlich belastet“, “besonders lärmbelastet“) führen würde, liegt eine erhebliche Verschlechterung des Immissionsniveaus vor. Davon ist bei einem Bauvorhaben des hier vorliegenden Ausmaßes ohne weiteres auszugehen, sodass die Kläger dem Grunde nach zu Recht eine Mietminderung geltend machen.

Nach den Vorgaben der “Bolzplatzentscheidung” (vgl. BGH – VIII ZR 197/14 -, Urteil vom 29. April 2015, BGHZ 205, 177 ff.), wonach das bei Mietvertragsabschluss erkennbare Immissionsniveau nicht Gegenstand der Beschaffenheitsvereinbarung werde und Ausgleichsansprüche des Mieters nach Maßgabe einer ergänzenden Vertragsauslegung davon abhängen sollen, ob dem Vermieter seinerseits Ansprüche nach § 906 BGB gegen den Eigentümer das Nachbargrundstücks zustehen, auf dem die Baumaßnahmen stattfinden, könnten die Kläger hingegen vorliegend keine Mietminderung einwenden. Es ist nicht feststellbar, dass der Beklagten gegenüber ihrer Streithelferin Unterlassungsansprüche oder Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach § 906 BGB zustünden. Die Beklagte und ihre Streithelferin haben vorgetragen, dass sich die durch das Bauvorhaben verursachten Störungen im ortsüblichen Rahmen hielten, insbesondere die Vorgaben der AVV Baulärm eingehalten würden. Jedenfalls in zeitlicher Hinsicht ist dies unstreitig, da in der AVV Baulärm als Nachtzeit die Zeit von 20:00 Uhr bis 7:00 Uhr definiert ist und die Kläger nicht mehr behaupten, dass auf der Baustelle morgens vor 7:00 Uhr oder abends nach 20:00 Uhr gearbeitet werde. Die hier tagsüber konkret einzuhaltenden Richtwerte legen weder die Kläger noch die Beklagte und ihre Streithelferin dar. Die Kläger machen jedoch im Wesentlichen Verkehrslärm sowie Piepsgeräusche von rangierenden Baumaschinen geltend und verweisen daneben auf gelegentlich eingesetzte Baumaschinen wie beispielsweise Presslufthämmer. Auf Grundlage ihres Vortrages ist nicht erkennbar, dass der Immissionsrichtwert (tagsüber) von 55 dB(A), den die AVV Baulärm für Gebiete vorsieht, in denen vorwiegend Wohnungen untergebracht sind, überschritten sein könnte. Die Kläger tragen im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast auch nicht vor, dass die Streithelferin besonders rücksichtslos vorgehe, indem sie die in der AVV Baulärm für einzelne Baumaßnahmen sowie den Einsatz bestimmter Baumaschinen und Geräte empfohlenen Schutzmaßnahmen missachte.

Die Kammer hält aber die Ratio der “Bolzplatzentscheidung” aus den Gründen ihrer bereits zitierten Entscheidungen (vgl. LG Berlin, Urteile vom 7. Juni 2017 – 18 S 211/16 -, a. a. O. und vom 17. Januar 2018 – 64 S 87/17 -) nicht für überzeugend. Das tragende Argument, der Vermieter habe regelmäßig keinen Einfluss darauf, dass die zu Mietbeginn bestehenden Verhältnisse während der gesamten Dauer des Mietvertrages unverändert fortbestehen und wolle deswegen erkennbar keine Haftung für den Fortbestand derartiger “Umweltbedingungen” übernehmen (vgl. BGHZ 205, 177ff., Rn. 21) geht insofern fehl, als die Mietvertragsparteien die Höhe der Miete typischerweise gleichwohl an Hand der Lage der Wohnung und der auf die Wohnung einwirkenden Umweltbedingungen aushandeln und vereinbaren werden. Entsprechend ist etwa für das Reiserecht anerkannt, dass auf eine Ferienunterkunft einwirkender Baulärm sich als gravierender Reisemangel darstellen kann (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2016 – X ZR 123/15 -), und zwar selbst dann, wenn die Baumaßnahmen für den Reiseveranstalter bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar waren und im Zeitraum der Reise auch nicht unterbunden werden konnten (vgl. Staudinger/Staudinger (2016) BGB § 651c, Rn. 82 m. w. N.).

Selbst wenn entsprechend der “Bolzplatzentscheidung” nachträgliche Veränderungen der “Umweltbedingungen” nicht unter die gesetzlichen Regelungen über die mietrechtliche Gewährleistung fielen, sondern nach Maßgabe einer ergänzenden Vertragsauslegung auszugleichen wären, entspräche es jedenfalls nicht der Billigkeit, Ausgleichsansprüche des Mieters davon abhängig zu machen, ob dem Vermieter seinerseits Ansprüche gegen den durch Baumaßnahmen störenden Nachbarn zustehen (so auch LG Berlin, Urteil vom 16. Juni 2016 – 67 S 76/16 -, GE 2016, 915ff.). Der Maßstab des § 906 BGB passt für den Wohnungsmieter, der – anders als der vermietende Eigentümer – selbst kein auch nur abstraktes Interesse daran hat, seinerseits auf dem beeinträchtigten Grundstück Baumaßnahmen vornehmen zu dürfen, auch deswegen nicht, weil im Rahmen des § 906 BGB auf die Beeinträchtigung des Gesamtgrundstücks abzustellen ist, während es für den Wohnungsmieter entscheidend nur auf die Beeinträchtigung der von ihm gemieteten Wohnung ankommt. So mag es etwa dem Eigentümer eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks nach § 906 BGB zuzumuten sein, ortsübliche Störungen entschädigungslos hinzunehmen, die den Gesamtnutzen des Grundstücks um 5 % mindern; so wenn etwa nur fünf Wohnungen im Vorderhaus erheblich durch Baulärm betroffen werden, aber nicht die übrigen fünfzehn Wohnungen, die sich zum Innenhof orientieren oder sich im Seitenflügel und im Hinterhaus befinden. Das bedeutet in dem Beispielsfall aber nicht, dass die Störungen auch den Mietern der erheblich durch Baulärm betroffenen fünf Wohnungen im Vorderhaus ausgleichslos zuzumuten wären.

Soweit die Beklagte bei Abschluss des Mietvertrages um die Planung des Bauvorhabens wusste, die Kläger aber nicht entsprechend informierte, könnte eine ergänzende Vertragsauslegung hier ohnehin nicht zum Ausschluss einer Mietminderung führen. Stellt sich das auf sie einwirkende Immissionsniveau als verkehrswesentliche Eigenschaft einer Mietwohnung dar, so darf der Vermieter ihm bekannte Umstände nicht verschweigen, die in absehbarer Zukunft einen erheblichen Anstieg der Immissionen befürchten lassen. Tut er das doch, handelt er arglistig und kann sich nicht darauf berufen, dass der Mieter ohnehin jederzeit mit dem Beginn von Baumaßnahmen habe rechnen müssen. Es wäre unter solchen Umständen jedenfalls grob unbillig, eine ergänzende Vertragsauslegung zu Gunsten des Vermieters vorzunehmen (vgl. LG Berlin, Urteil vom 7. Juni 2017 – 18 S 211/16 -, a. a. O.; so im Ergebnis auch Selk, NZM 2019, 113 ff., 127).

Mit dem Argument, die Kläger hätten auf Grund der Presseveröffentlichungen ab 2010 ebenfalls Kenntnis von den Planungen haben müssen, der angebliche Mangel sei ihnen im Sinne des § 536b BGB nur wegen grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen, können die Beklagte und ihre Streithelferin hingegen nicht durchdringen. Das Unterlassen einer Presserecherche kann allenfalls den Vorwurf leichter Fahrlässigkeit begründen. Einen Beweis dafür, dass den Klägern die Bauplanungen bei Abschluss des Mietvertrages tatsächlich bekannt waren, haben die Beklagte und ihre Streithelferin nicht angetreten.

b) Minderung der Höhe nach

Angesichts der typischerweise mit den durch eine Großbaustelle der hier unstreitigen Qualität verbundenen Lärm- und Schmutzimmissionen ist die Höhe der von Seiten des Amtsgerichts zuerkannten Minderung von 15 % angemessen. Dabei sind die Beklagte und ihre Streithelferin an ihrem erstinstanzlichen Vorbringen festzuhalten, wonach der Abstand zwischen der von den Klägern gemieteten Wohnung und dem Baufeld “mindestens 30 m” betrage. Soweit sie davon abweichend nunmehr im zweiten Rechtszug behaupten, der Abstand betrage mindestens 50 m bis 100 m, sind sie damit nach §§ 529531 ZPO präkludiert. Zudem ist zwischen den Parteien unstreitig, dass im Klagezeitraum unmittelbar vor dem von den Klägern bewohnten Miethaus eine Baustraße hergestellt und weitere Erdarbeiten zur Verlegung von Versorgungsleitungen durchgeführt wurden.

Eine noch weiter gehende Minderung der Miete steht den Klägern nicht zu. Wie bereits ausgeführt, tragen sie im Wesentlichen zu baubedingtem Verkehrslärm sowie Piepsgeräuschen von rangierenden Baumaschinen vor und verweisen daneben auf gelegentlich eingesetzte Baumaschinen wie beispielsweise Presslufthämmer. Die nur tagsüber aufgetretenen Beeinträchtigungen des vertragsgemäßen Nutzens der Wohnung werden auch unter Berücksichtigung der mit den Baumaßnahmen verbundenen Staubentwicklung mit der zuerkannten Minderung von 15 % angemessen kompensiert.”

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Steht es dem Vermieter im Anschluss an eine Modernisierungsmieterhöhung frei, einen verbleibenden Spielraum bis zur Höhe der ortsüblichen Miete im Zuge einer Mieterhöhung nach § 558 BGB auszuschöpfen?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 64 S 253/18, Beschluss vom 24.05.2019) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: „Das Amtsgericht hat schließlich auch Merkmalgruppe 4 zutreffend als positiv bewertet. Der Umstand, dass die Kosten für den Anschluss an das Fernwärmenetz gemäß § 559 Abs. 1 BGB auf die Mieter umgelegt worden sind, führt nicht dazu, dass der Energieverbrauch von kleiner als 120 kWh/(m²a) im Rahmen der Mieterhöhung nach § 558 Abs. 1 BGB nicht berücksichtigt werden kann. Vielmehr steht es dem Vermieter auch im Anschluss an eine Modernisierungsmieterhöung frei, einen verbleibenden Spielraum bis zur Höhe der ortsüblichen Miete im Zuge einer Mieterhöhung nach § 558 BGB auszuschöpfen. Verstellt ist ihm lediglich der umgekehrte Weg, die Miete, gestützt auf die Modernisierungmaßnahme, zunächst nach § 558 BGB und anschließend noch einmal nach § 559 BGB zu erhöhen.”

Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:

rbb.de am 28.11.2019: Zahlungsunfähigkeit droht – Senat will Genossenschaft “Diese eG” finanziell aushelfen

Die von Mietern getragene Berliner Genossenschaft “Diese eG” hat sich mit ihren bislang sieben Hauskäufen offenbar übernommen. Ihr droht die Zahlungsunfähigkeit. Letzte Hoffnung ist nun der Finanzsenator. Der hat zumindest teilweise Hilfe zugesagt.

Der Berliner Senat erwägt, die in Geldnot geratene Genossenschaft “Diese eG” mit Landesmitteln zu unterstützen. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) sagte am Donnerstag im Abgeordnetenhaus, er hoffe, dass eine entsprechende Vorlage noch am selben Tag beschlossen werden könne.

Für sechs Häuser der von Zahlungsunfähigkeit bedrohten Genossenschaft könne es einen Zuschuss vom Land geben, so Kollatz. Allerdings müsse erst nachgewiesen werden, dass für die einzelnen Häuser auch Eigenkapital und Finanzierungszusagen von Banken vorliegen.

Momentan sehe es so aus, dass für ein Haus keine Förderung möglich sei und der Bezirk dann versuchen müsse, das Vorkaufsrecht rückabzuwickeln, sagte Kollatz. Details nannte er nicht. Offenbar handelt es sich um ein Haus in der Rigaer Straße, bei dem die Genossenschaft schon vor zwei Wochen erklärt hat, nicht zahlen zu können.

Für die anderen Gebäude könne voraussichtlich Fördergeld aus unterschiedlichen Töpfen fließen, so Kollatz.

https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/11/berlin-kollatz-diese-eg-genossenschaft.html

Aus der Rubrik “Veranstaltungen”:

Spandauer Volksblatt am 26.11.2019: Mieterberatung vom Experten

Siemensstadt. Mietexperte Jürgen Wilhelm vom Berliner Mieterverein berät wieder kostenfrei zu Mieterhöhungen, Betriebskostenabrechnungen und beantwortet Fragen zum Mietendeckel. Die Sprechstunde findet am Freitag, 6. Dezember, ab 15 Uhr im Bürgerbüro des SPD-Abgeordneten Daniel Buchholz an der Nonnendammallee 80 statt. Ende ist gegen 16.30 Uhr. Anmeldung unter 92 35 92 80.

https://www.berliner-woche.de/siemensstadt/c-soziales/mieterberatung-vom-experten_a241720

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Sind die wohnwertmindernden Merkmale “Geschirrspüler in der Küche nicht stellbar oder anschließbar” und “Waschmaschine weder in Bad noch Küche stellbar oder nicht anschließbar” als erfüllt anzusehen, wenn lediglich Kupplungen an den vorhandenen Leitungen fehlen, die ohne besonderen baulichen Aufwand installiert werden können?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 64 S 253/18, Beschluss vom 24.05.2019) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: „Das Amtsgericht hat Merkmalgruppe 2 zutreffend als neutral bewertet. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass aktuell sowohl ein Geschirrspüler als auch eine Waschmaschine in der Küche betrieben werden. Für die Behauptung, dass Waschmaschine und Geschirrspüler zum Zeitpunkt der Anmietung der Wohnung nicht anschließbar gewesen seien, ist die Beklagte beweisfällig geblieben. Die Kammer geht allerdings auf Grundlage des als Anlage B2 (vgl. Bl. 61 d. A.) vorgelegten Montageberichts vom 9. Mai 1988 davon aus, dass die Beklagte die eigentlichen Anschlüsse, also Kupplungen für den Wasserzulauf und den Abwasserablauf an den vorhandenen Leitungen, auf eigene Kosten einbauen ließ. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Kläger sich so behandeln lassen müssten, als könnten Waschmaschine und Geschirrspüler in der Küche nicht betrieben werden. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Geräte auch dann nicht ohne weiteres anschließbar sind, wenn geeignete Kupplungen zum Anstecken oder Anschrauben der Verbindungsschläuche an den vorhandenen Leitungen fehlen. Bei der Entscheidung, ob das (negative) Mietspiegelmerkmal schon damit erfüllt ist oder nicht, muss aber berücksichtigt werden, dass es als Grundlage für die Spanneneinordnung der Wohnung dient, die wiederum wesentliches Kriterium für die auf Grundlage von § 287ZPO im Wege der Schätzung zu ermittelnde ortsübliche Vergleichsmiete ist. Vorliegend entspricht eine Spannenstufe einer Mietdifferenz von 0,54 Euro/m² ([10,00 Euro/m² – 7,32 Euro/m²] /5) oder, bezogen auf die Wohnungsgröße, von mehr als 47,00 Euro monatlich, während die Kosten für den bloßen Einbau von Kupplungen in vorhandene Leitungen nach Schätzung der Kammer in der Größenordnung von 80,00 Euro liegen. Dem gegenüber erfordert beispielsweise das Merkmal “Einbauküche mit Ober- und Unterschränken sowie Herd und Spüle“, das zur gleichen Mietdifferenz führt, Investitionen in der Größenordnung mehrerer Tausend Euro. Vor diesem Hintergrund hält die Kammer es im Rahmen der ihr nach § 287 ZPO obliegenden Schätzung für unangemessen, die wohnwertmindernden Merkmale “Geschirrspüler in der Küche nicht stellbar oder anschließbar” und “Waschmaschine weder in Bad noch Küche stellbar oder nicht anschließbar” schon dann als erfüllt anzusehen, wenn lediglich Kupplungen an den vorhandenen Leitungen fehlen, die ohne besonderen baulichen Aufwand installiert werden können.”