Archiv der Kategorie: Gerichtsentscheidungen

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:

BGH – VIII ZR 123/20, Urteil vom 18.11.2020

Berliner Zeitung am 18.11.2020: Schlappe für Berliner Mieterin vor Bundesgerichtshof

Die Karlsruher Richter lassen eine Mieterhöhung auf Basis eines Gutachtens durchgehen. Der Mietspiegel musste nicht angewendet werden.
Der Bundesgerichtshof hat die Rechte der Vermieter gestärkt und die Aussagekraft des Berliner Mietspiegels relativiert. Die Karlsruher Richter bestätigten am Mittwoch eine Entscheidung des Berliner Landgerichts, nach der eine Mieterhöhung der Deutsche Wohnen per Gutachten begründet werden durfte und sich nicht auf den Mietspiegel stützen musste. Das teilte der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV) mit, der die betroffene Mieterin aus Spandau vertritt. Der BGH teilte am Mittwoch zunächst nur die Entscheidung mit, legte aber noch keine Urteilsbegründung vor.
Die Mieterin hatte durchsetzen wollen, dass der Mietspiegel bei der Berrechnung der ortsüblichen Miete herangezogen werden muss. Dann wäre eine Mieterhöhung nicht möglich gewesen. Die Zivilkammer 63 des Berliner Landgerichts hatte im März dieses Jahres entschieden, dass die ortsübliche Miete für die etwa 84 Quadratmeter große Wohnung nicht auf Grundlage des Mietspiegels, sondern auf Basis eines Gutachtens zu ermitteln ist. Dagegen war die Mieterin vor den Bundesgerichtshof gezogen, der die Revision nun zurückwies.
Der AMV bedauerte die BGH-Entscheidung. „Der Berliner Mietspiegel hätte vorliegend durchaus für die Beurteilung der ortsüblichen Vergleichsmiete der Wohnung ausgereicht“, sagte AMV-Chef Marcel Eupen. „Es hätte keines exorbitant teuren Sachverständigengutachtens bedurft.“ Er hätte erwartet, dass der BGH den Berliner Mietspiegel stärkt und der Revision stattgibt. Es sei aber nicht zu befürchten, dass die anderen Zivilkammern des Landgerichts, die bisher den Mietspiegel stützen, diesen nicht mehr anwenden, sagte Eupen. Zumindest für Berlin dürfte die Wirkung des BGH-Urteils deswegen begrenzt bleiben.
Der Bundesgerichtshof habe sich nicht explizit gegen die Anwendung des Berliner Mietspiegels ausgesprochen, betonte Eupen, sondern „lediglich ausgeurteilt, dass die Gerichte ein Wahlrecht haben, ob sie den Mietspiegel anwenden oder nicht“. Gleichwohl habe die Entscheidung des BGH Auswirkungen weit über Berlin hinaus. Sie betreffe alle Städte und Gemeinden in Deutschland, die einen Mietspiegel herausgegeben haben, der nicht „qualifiziert“ sei, also besonders hohe Standards erfüllt. Das seien jedoch die meisten Städte.
Der AMV fordere „den Erlass einer Mietspiegelverordnung durch die Bundesregierung, die bundeseinheitliche Standards für die Erstellung von qualifizierten Mietspiegeln regelt“, erklärte Eupen. „Die Bundesregierung sollte umgehend Vorschriften über den näheren Inhalt und das Verfahren zur Aufstellung und Anpassung von Mietspiegeln regeln.“ Die Entscheidung, ob der Berliner Mietspiegel Anwendung finde oder nicht, dürfe „nicht länger den Gerichten überlassen“ werden. „Hier ist der Gesetzgeber auf Bundesebene gefragt und muss tätig werden“, so Eupen.
In Berlin habe nun die Zivilkammer 63 „ihre höchstrichterliche Legitimation, auch in Zukunft Sachverständigengutachten einzuholen“, sagte Eupen. „Das ist für Mieterinnen und Mieter in Schöneberg und Wedding eine äußerst schlechte Nachricht.“ Grund: Die Zivilkammer 63 des Landgerichts ist für Mietrechtsfälle in diesen Stadtteilen zuständig.
Mieterin Marlies V. zeigt sich enttäuscht. „Ich kann es nicht verstehen“, sagt sie. Die BGH-Entscheidung hat zur Folge, dass die Deutsche Wohnen die Miete für die Wohnung von Marlies V. rückwirkend ab 1. Februar 2018 von bisher 422,82 Euro auf 474,93 Euro erhöhen darf. Denn im Gegensatz zum Mietspiegel setzt das Gutachten die ortsübliche Miete für die Wohnung der 70-Jährigen höher an.
Kurios: Beim Nachbarn von Marlies V., Wolf-Dietrich K., der nur zwei Aufgänge weiter wohnt, hatte eine andere Kammer des Landgerichts im vergangenen Jahr im Streit um eine Mieterhöhung noch anders geurteilt: Die Zivilkammer 67 entschied, dass die ortsübliche Miete bei Wolf-Dietrich K. auf Grundlage des Mietspiegels zu errechnen sei – womit das Mieterhöhungsverlangen der Deutsche Wohnen zurückgewiesen wurde. Denn laut Mietspiegel gab es für die Wohnung von Wolf-Dietrich K. keinen Spielraum für eine Mieterhöhung, da die bisherige Miete die ortsübliche Miete bereits überstieg. „Das ist zwei Türen weiter, das kann doch nicht gerecht sein“, sagt Marlies V.
Die unterschiedliche Rechtsprechung zwischen Marlies V. und ihrem Nachbarn erklärt sich aus einem Wechsel in der Zuständigkeit des Landgerichts. Die Zivilkammer 63 war bis Ende 2018 für Berufungen in Mieterhöhungsverfahren aus Spandau zuständig. Seit 2019 ist für Spandau die Zivilkammer 67 des Landgerichts zuständig. Der Fall von Marlies V. fällt noch in die frühere Zuständigkeit der 63. Kammer. Im Fall ihres Nachbarn entschied bereits die Kammer 67, zugunsten des Mieters.
Von der Deutsche Wohnen war am Mittwoch keine Stellungnahme zu erhalten. Ein Unternehmenssprecher erklärte, man wolle zunächst die Urteilsbegründung abwarten.
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/schlappe-fuer-berliner-mieterin-vor-bundesgerichtshof-li.119737

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”: 

Eilantrag bezogen auf das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin abgelehnt
Pressemitteilung Nr. 96/2020 vom 29. Oktober 2020
Beschluss vom 28. Oktober 2020 – 1 BvR 972/20
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der sich gegen das Inkrafttreten des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (im Folgenden: MietenWoG Bln) am 22. November 2020 richtete, abgelehnt. Die Beschwerdeführerin hat schon nicht dargelegt, dass ihr im Fall der Ablehnung ihres Antrags ein schwerer Nachteil von besonderem Gewicht droht. Ungeachtet dessen wurden auch für die Gesamtheit oder eine erhebliche Zahl der Vermieter Berlins keine solchen Nachteile aufgezeigt.
Sachverhalt:
Das MietenWoG Bln trat am 23. Februar 2020 in Kraft, mit Ausnahme der Vorschrift des § 5 MietenWoG Bln, welche erst neun Monate nach Verkündung des Gesetzes, mithin am 22. November 2020 in Kraft tritt. Das Gesetz verbietet insbesondere höhere Mieten als die am 18. Juni 2019 wirksam vereinbarte Miete (§ 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln). Das gilt sowohl für Bestandsmietverhältnisse als auch im Fall der Wiedervermietung des Wohnraums. Bei einer Neuvermietung von Wohnraum ist grundsätzlich eine Miete verboten, die die gesetzlichen Mietobergrenzen nach §§ 6 und 7 MietenWoG Bln übersteigt. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 MietenWoG Bln ist darüber hinaus in allen Mietverhältnissen eine Miete verboten, soweit sie die nach Berücksichtigung der Wohnlage bestimmte Mietobergrenze aus den §§ 6 oder 7 Abs. 1 MietenWoG Bln um mehr als 20 % überschreitet und nicht als Härtefall genehmigt ist.
Gegen die §§ 3 bis 7 sowie gegen § 11 Abs. 1 Nr. 2 bis 5, Abs. 2 MietenWoG Bln haben mehrere Beschwerdeführende Verfassungsbeschwerde erhoben. Mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt eine der Beschwerdeführerinnen, das Inkrafttreten des § 5 Abs. 1 und 2 MietenWoG Bln vorläufig auszusetzen.
Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie ist Eigentümerin und Vermieterin von 24 Wohnungen in einem in 2009 erworbenen darlehensfinanzierten Haus in Berlin, das insbesondere auch der Altersvorsorge der beiden Gesellschafter dienen soll. Mit Inkrafttreten des § 5 MietenWoG Bln müsste sie nach ihren Darlegungen jedenfalls für 13 ihrer Wohnungen die Miete absenken.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Er genügt nicht den hohen Anforderungen, die an die Darlegung der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die auf eine Aussetzung des Inkrafttretens eines Gesetzes gerichtet ist, zu stellen sind.
Wird die Aussetzung des Inkrafttretens eines Gesetzes begehrt, ist bei der grundsätzlich durchzuführenden Folgenabwägung ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe müssen in einem solchen Fall so schwer wiegen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen und darüber hinaus besonderes Gewicht haben. Insoweit ist von entscheidender Bedeutung, ob die Nachteile irreversibel oder nur sehr erschwert revidierbar oder in der Zeit zwischen dem Inkrafttreten eines Gesetzes und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache sehr schwerwiegend sind. Solche Gründe werden in dem Antrag jedoch weder im Hinblick auf die eigene Situation der Beschwerdeführerin noch für die Gesamtheit oder eine erhebliche Zahl der Vermieter aufgezeigt.
Zwar werden die Beschwerdeführerin sowie alle Vermieter Berlins in vergleichbarer Lage dazu gezwungen, ihre zunächst wirksam vereinbarten Mieten in bestehenden Mietverhältnissen auf das nach § 5 Abs. 1 Satz 2 MietenWoG Bln zulässige Maß abzusenken. Es ist jedoch nach den Darlegungen der Beschwerdeführerin nicht erkennbar, dass daraus hinreichend schwere Nachteile von besonderem Gewicht folgen. Der Beschwerdeführerin werden mit Inkrafttreten des § 5 Abs. 1 MietenWoG Bln zwar monatliche Mieteinnahmen entzogen. Tatsächliche Auswirkungen wirtschaftlicher Art können regelmäßig aber nicht als von ganz besonderem Gewicht bewertet werden, wenn sie nicht existenzbedrohende Ausmaße annehmen. Dies hat die Beschwerdeführerin aber weder dargelegt noch ist dies sonst ersichtlich. Insoweit ist auch der durch die Anwendung des § 5 Abs. 1 MietenWoG Bln bedingte Verwaltungs- und Kostenaufwand nicht geeignet, einen solchen schwerwiegenden Nachteil zu begründen.
Bei der Beschwerdeführerin treten grundsätzlich auch keine irreversiblen Schäden für den Fall ein, dass sich die Norm nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache als verfassungswidrig erweist. Sie kann in diesem Fall die mit ihren Mietern vertraglich vereinbarten Beträge rückwirkend verlangen. Dass dennoch ein irreversibler und auch schwerwiegender Nachteil für die Beschwerdeführerin einträte, zeigt diese nicht in der gebotenen nachvollziehbaren individualisierten und konkreten Weise auf.
Ungeachtet dessen werden auch für die Gesamtheit oder eine erhebliche Zahl der Vermieter Berlins keine solchen Nachteile aufgezeigt. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs dürften zwar etwa 340.000 Mietverhältnisse, in denen die Miete im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 MietenWoG Bln überhöht ist, betroffen sein. Dass eine erhebliche Zahl der Vermieter durch die Anwendung des § 5 Abs. 1 MietenWoG Bln über eine Minderung ihrer Mieteinnahmen hinaus jedoch dauerhafte erhebliche Verluste oder eine Substanzgefährdung des Mietobjekts zu befürchten hätte, ist nicht ersichtlich.
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/bvg20-096.html

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:

 
rbb24.de am 22.10.2020: Berliner Verfassungsgericht setzt Verfahren gegen Mietendeckel aus
Das Verfahren gegen den Berliner Mietendeckel vor dem Landesverfassungsgericht ist ausgesetzt. Das teilte das Gericht in einem Schreiben mit, das dem rbb vorliegt. Geklagt hatten die Fraktionen von CDU und FDP im Berliner Abgeordnetenhaus.
In ihrer Begründung berufen sich die Berliner Verfassungsrichter auf das Bundesverfassungsgericht: Denn auch dort ist eine Klage anhängig, eingereicht von Bundestagsabgeordneten der CDU und FDP. Am Bundesverfassungsgericht geht es um die Frage, ob das Land Berlin überhaupt solche Gesetze erlassen darf oder ob dies ausschließlich Sache des Bundes ist. Man wolle nun zunächst das Urteil aus Karlsruhe abwarten, so die Richter in Berlin. Dieses werde “im ersten Halbjahr 2021” erwartet.

Fragen zur Sinnhaftigkeit der Berliner Klage

Die Kosten für das Verfahren am Landesverfassungsgericht belaufen sich nach rbb-Informationen auf mindestens 50.000 Euro. Gezahlt werden sie aus Fraktionsmitteln, also Steuergeldern. Da die Klage der Bundestagsabgeordneten gegen den Mietendeckel mehrere Wochen früher eingereicht wurde, stellt sich nun die Frage, ob die Berliner Klage überhaupt notwendig war. Denn das letzte Wort in der Sache hat nun das Bundesverfassungsgericht.
https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2020/10/landesverfassungsgericht-berlin-klage-mietendeckel-verfahren-ausgesetzt-bundesverfassungsgericht.html

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidu­ngen”:

Amtsgericht Sp­andau – 8 C 35/20 – Beschluss vom 18.09.­2020
Spandauer Volk­sblatt am 23.09.2020: Mietendeckel – Mie­terhöhungsprozess au­sgesetzt
Das Amtsgericht Spandau – 8 C 35/20 – hat am 18.09.2020 in einem Mieterhöh­ungsprozess beschlos­sen:
Der Rechtsstre­it wird – im Hinblick auf die derzeitigen Vorlagenbeschlüsse gemäß Art. 100 GG zum Bundesverfassungs­gericht im Hinblick auf die Frage der Ve­rfassungsgemäßheit des MietenWoG Berlin – ausgesetzt.
Hintergrund
Die Vermieterin nimmt die Mieter gerichtlich vor dem Amtsgericht Spandau auf Zustimmung zur Er­höhung der Bruttokal­tmiete für ihre Wohn­ung in der Lutherstr­aße in Spandau mit Wirkung ab dem 01.03.­2020 in Anspruch. Das streitgegenständli­che Mieterhöhungsver­langen stammt vom 17­.12.2019 und ist den Mietern am 20.12.20­19 zugegangen. Die Mieter haben dem Miet­erhöhungsbegehren ni­cht zugestimmt.
Aussetzung
Das Amtsgericht Spandau setzt den Rechtsstreit aus und begründet seine Ent­scheidung wie folgt:
Begründung
“Gemäß Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 Mi­etenWoG Bln ist eine Miete allerdings verboten, die die am 18. Juni 2019 wirksam verei­nbarte Miete übersch­reitet. Dies ist hier der Fall, da die von der Klägerin gelt­end gemachte Miete die in Art. 1 § 3 Mie­tenWoG festgelegte Stichtagsmiete übersc­hreitet, da diese si­ch lediglich auf 483­,94 Euro belief. Der zeitliche Anwendung­srahmen des Art. 1 § 3 MietenWoG ist erö­ffnet, da das Mieter­höhungsverlangen den Beklagten erst am 20.12.2019 zugegangen ist. Zudem wird die erhöhte Miete auch erst ab einem Zeitpu­nkt begehrt, welcher nach dem Inkrafttre­ten des vorgenannten Gesetzes liegt.
Da der zeitlic­he Anwendungsbereich eröffnet ist, kommt es mithin auf die Frage der Verfassungs­gemäßheit dieser Vor­schrift an, zumal si­ch das Gericht der Auffassung der 67. Ka­mmer des Landgerichts anschließt, wonach der Vermieter die Zustimmung zu dem Erh­öhungsverlangen selb­st dann nicht verlan­gen kann, wenn er ve­rsichert, die Miete, die die Stichtagsmi­ete überschreitet, weder zu fordern noch entgegenzunehmen (v­gl. Beschluss des La­ndgerichts Berlin vom 06.08.2020 – 67 S 109/20).
Zur Überzeugung des Gerichts ist die Vor­schrift des Art. 1 § 3 MietenWoG Bln in der Fassung vom 11. Februar 2020 (GVBl. 2020, 50) mit Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. §§ 557 Abs. 1, 558 Abs. 1 und 2 BGB unverein­bar – insoweit wird auf die überzeugenden Au­sführungen des Landg­erichts Berlin in se­inem Beschluss vom 06.08.2020 – 67 S 109/20 verwiesen – und für das hiesige Klageverfahren ent­scheidungserheblich. Das Verfahren war deswegen – mit Einver­ständnis der Parteien – nach § 148 ZPO analog – auszusetzen.”
Kommentar des AMV – Alternativer Mieter- und Verbraucherschu­tzbund e.V.
Spandaus Miete­rinnen und Mieter be­finden sich damit zu­rzeit bei Mieterhöhu­ngen (sog. “Schatten­mieterhöhungen”) in der “Mietendeckel-Wartes­chleife”, und zwar so lange, bis das Bundesverfa­ssungsgericht entsch­ieden hat. Sollte das Bundesverfassungsg­ericht sich der Rech­tsauffassung der Ziv­ilkammer 67 des Land­gerichts Berlin ansc­hließen und den Miet­endeckel für verfass­ungswidrig erachten, wären Mieterhöhungen zurzeit möglich. Wenn hingegen das Bun­desverfassungsgericht den Mietendeckel für verfassungsgemäß halten sollte, würden Mieterhöhungen zur­zeit gegen den Miete­ndeckel verstoßen.
Mit einer Ents­cheidung des Bundesv­erfassungsgerichts ist nicht vor dem 2. Quartal 2021 zu rech­nen.
Fazit
Für Spandaus Mieterinnen und Mieter besteht im Falle des Erhalts einer Mie­terhöhung ein großes Prozess- und Kosten­risiko, wenn sie der Mieterhöhung nicht zustimmen sollten, da nicht vorausgesagt werden kann, wie das Bundesverfassungsg­ericht letztendlich entscheiden wird.
Bei Erhalt ein­er Mieterhöhung soll­te auf jeden Fall ei­ne juristische Berat­ung in Anspruch geno­mmen werden.

Aus der Rubrik “Gerichtsentescheid­ungen”:

EuGH – C-724/18 sowie C-727/18, Ur­teil vom 22.09.2020
Berliner Zeitu­ng am 22.09.2020: Urteil zu Airbnb – Zweckentfremdung von Wohnraum: Berlin si­eht sich gestärkt
Der Europäische Gerichtshof hat ei­ne Regelung aus Fran­kreich bestätigt, mit der der Kurzzeitve­rmietung von Wohnung­en durch Plattformen wie Airbnb ein Rieg­el vorgeschoben werd­en soll. Das hat Aus­wirkungen auf die de­utsche Hauptstadt.
Der Berliner Senat sieht sich durch eine Entscheidung des Europäischen Ger­ichtshofs (EuGH) im Kampf gegen die ille­gale Vermietung von Ferienwohnungen best­ätigt. Hintergrund: Der EuGH entschied am Dienstag zu einer Regelung aus Frankre­ich, dass EU-Staaten der Kurzzeitvermiet­ung über Plattformen wie Airbnb notfalls einen Riegel vorsch­ieben dürfen, um den Wohnungsmangel zu bekämpfen (Rechtssache C-724/18).
„Das Urteil des EuGH stärkt uns im Kampf gegen die Zwe­ckentfremdung von Wo­hnraum“, sagte Berli­ns Stadtentwicklungs­senator Sebastian Sc­heel (Linke). „Um den Wohnungsbestand zu sichern und der Zer­störung der Nachbars­chaften in unseren Kiezen entgegenzuwirk­en, braucht es die Möglichkeit, legale von illegalen Angebot­en zu unterscheiden und Verstöße konsequ­ent zu ahnden.“
Dass eine Gene­hmigung für regelmäß­ige Kurzzeitvermietu­ngen gefordert wird, ist aus Sicht des EuGH durch einen „zwi­ngenden Grund des Al­lgemeininteresses“ gerechtfertigt, nämli­ch den Kampf gegen den Wohnungsmangel. Die Genehmigungspflic­ht sei auch verhältn­ismäßig, da sie auf bestimmte Vermieter räumlich begrenzt se­i, entschied das Ger­icht im Fall aus Fra­nkreich. Wohnungen, die dem Vermieter als eigener Hauptwohns­itz dienen, seien au­sgenommen.

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:
Landgericht Berlin – 66 S 95/20, Urteil vom 31. Juli 2020
Pressemitteilung 45/2020 vom 31.07.2020: Das Gesetz zum sog. „Berliner Mietendeckel“ (MietenWoG Bln) ist nach Ansicht der für Berufungen in Mietsachen zuständigen Zivilkammer 66 als verfassungsgemäß anzusehen.

Die Richter der für Berufungen in Mietsachen zuständigen Zivilkammer 66 des Landgerichts Berlin haben aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2020 in dem heute in öffentlicher Sitzung verkündeten und dabei mündlich kurz begründeten Urteil entschieden, dass nach ihrer Ansicht die Vorschriften des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (MietenWoG Bln) – auch als sog. „Berliner Mietendeckel“ bezeichnet – als verfassungsgemäß anzusehen sind. Allerdings könnten diese Vorschriften – so die Richter der Zivilkammer 66 – trotz des gesetzlichen Stichtags vom 18. Juni 2019 Mieterhöhungen der Vermieterseite erst ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 23. Februar 2020 und nicht schon für Zeit zwischen diesem Stichtag und dem Inkrafttreten dieses Gesetzes verhindern.

In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit hatte das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg in Berlin ein Mieterhöhungsverlangen der Vermieterseite vom 18. Juni 2019 – und damit genau vom gesetzlichen Stichtag – im Rahmen einer Klage auf Zustimmung zur Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete zu prüfen. Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hatte die Klage der Vermieterseite in der ersten Instanz mit der Begründung abgewiesen, das mit der Klage geltend gemachte Mieterhöhungsverlangen für die Zeit ab dem 01. September 2019 sei auf ein nach den §§ 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln und 134 BGB verbotenes Rechtsgeschäft gerichtet, da ein Mietzins verlangt werde, der die am 18. Juni 2019 – dem Stichtag des Gesetzes – wirksam vereinbarte bzw. geltende Miete überschreite.

Auf die dagegen eingelegte Berufung des klagenden Vermieters haben die Richter der Zivilkammer 66 mit ihrem heutigen Urteil die Entscheidung der ersten Instanz für die Mietzinsansprüche ab dem 01. März 2020 bestätigt. Die Zivilkammer 66 – so der Vorsitzende in der heutigen Urteilsbegründung – sehe das Gesetz zum sog. „Berliner Mietendeckel“ weder formell noch materiell als verfassungswidrig an, sodass keine Vorlage nach Art. 100 GG an das Bundesverfassungsgericht geboten sei. Das Bundesverfassungsgericht habe bisher lediglich im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes die Frage nach der Gesetzeskompetenz des Landes Berlin für das MietenWoG Bln als „offen“ bezeichnet, und damit eine Tendenz nicht erkennen lassen. Da die Kammer selbst nicht zu Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit gelangt sei, sei das Verfahren auch nicht auszusetzen, sondern das als wirksam erachtete Gesetz anzuwenden.

Allerdings sei das MietenWoG Bln als ein Verbotsgesetz mit zivilrechtlichen Folgen nach § 134 BGB erst am 23. Februar 2020 in Kraft getreten. Der in diesem Gesetz enthaltene Stichtag am 18. Juni 2019 stelle zwar einen materiell maßgeblichen Bezugspunkt für die Ermittlung der absolut (noch) zulässigen Miethöhe dar, ändere aber nichts daran, dass das gesetzliche Verbot höherer Mieten zum Stichtag am 18. Juni 2019 noch nicht existiert habe, sondern erst ab dem 23. Februar 2020 gelte. Daher sei eine höhere Miete als die am Stichtag vereinbarte bzw. geltende Miete erst ab dem März 2020 für den monatlich zu zahlenden Mietzins verboten.

Das Mieterhöhungsverlangen für die Zeit ab dem 01. September 2019 bis Ende Februar 2020 verstoße daher zwar nicht gegen das gesetzliche Verbot des MietenWoG Bln, überschreite aber die ortsübliche Vergleichsmiete, sodass die Klage auf Zustimmung zur Erhöhung der Miete für den Zeitraum vom 01. September 2019 bis Ende Februar 2020 aus diesem Grunde keinen Erfolg habe, weshalb die Berufung insgesamt unbegründet und zurückzuweisen sei.

Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig; gegen die Nichtzulassung der Revision kann Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof innerhalb von einem Monat ab förmlicher Zustellung des Urteils eingelegt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten muss auf die schriftlichen Urteilsgründe verwiesen werden. Nach den Presserichtlinien kann über diese aber erst berichtet werden, wenn das heute verkündete Urteil den Parteien in schriftlicher Form zugestellt wurde.

https://www.berlin.de/gerichte/presse/pressemitteilungen-der-ordentlichen-gerichtsbarkeit/2020/pressemitteilung.967839.php

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:

BGH – VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18, Urteile vom 08.07.2020
 
Bundesgerichtshof zu Ansprüchen des Mieters einer unrenoviert überlassenen Wohnung auf Durchführung von Schönheitsreparaturen durch den Vermieter
 
Vor diesem Hintergrund hat der Senat entschieden, dass der Mieter in derartigen Fällen zwar einerseits vom Vermieter eine “frische” Renovierung verlangen kann, sich aber andererseits in angemessenem Umfang an den dafür erforderlichen Kosten zu beteiligen hat. Soweit nicht Besonderheiten vorliegen, wird dies regelmäßig eine hälftige Kostenbeteiligung bedeuten.
https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/2020090.html?nn=10690868

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:

Sozialgericht Berlin- S 179 As 3426/20 ER, Beschluss vom 20.05.2020
Pressemitteilung vom 27.05.2020 – Wegen Corona-Krise: Jobcenter muss unangemessen hohe Miete weiter übernehmen
Im Rahmen eines Eilverfahrens hat das Sozialgericht das Jobcenter Berlin Steglitz-Zehlendorf verpflichtet, die eigentlich unangemessen hohen Mietkosten einer alleinerziehenden Mutter vorläufig weiter zu übernehmen. Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich der Anspruch aus einer Sonderregelung aus Anlass der Corona-Krise, die erst Ende März in Kraft getreten ist. Mit der Vorschrift habe der Gesetzgeber nicht nur durch die Corona-Pandemie in Not geratene Neuantragsteller begünstigen wollen, sondern auch berücksichtigt, dass es für Leistungsbezieher derzeit besonders schwierig ist, eine kostengünstigere Wohnung zu finden.Die Antragsteller, eine alleinerziehende Mutter und ihre beiden minderjährigen Kinder aus Berlin-Steglitz, beziehen seit 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes („Hartz IV“). Im Juli 2019 hatte das Jobcenter ihnen mitgeteilt, dass die Bruttowarmmiete von 990 Euro für ihre 79 qm große Dreizimmerwohnung unangemessen hoch sei und nur noch bis einschließlich März 2020 übernommen würde. Ab April gewährte das Jobcenter entsprechend seiner Verwaltungsvorschriften nur noch die als angemessen erachteten Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 794,92 Euro.

Am 12. Mai stellten die Antragsteller beim Sozialgericht Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie trugen vor, trotz intensiver Bemühungen auf dem angespannten Berliner Wohnungsmarkt keine angemessene Wohnung gefunden zu haben. Sie hätten acht Besichtigungstermine wahrgenommen, aber keinen Zuschlag bekommen. Nun würden wegen der Covid 19-Pandemie gar keine Wohnungsbesichtigungen mehr angeboten.

Das Jobcenter entgegnete, dass die Miete der Antragsteller den Grenzwert erheblich überschreite. Intensive Bemühungen um eine neue Wohnung, nämlich mindestens zwei Wohnungssuchen pro Woche, seien nicht glaubhaft gemacht worden. Die wegen der Corona-Epidemie erlassenen Regelungen seien auf die Antragsteller, die schon seit Jahren im Leistungsbezug stünden, nicht anwendbar.

Mit Beschluss vom 20. Mai 2020 hat die 179. Kammer des Sozialgerichts Berlin (durch ihren Vorsitzenden im schriftlichen Verfahren) das Jobcenter vorläufig verpflichtet, ab April und bis Ende September 2020, längstens jedoch bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im noch nicht abgeschlossenen Hauptsacheverfahren, die tatsächlich anfallenden Mietkosten in voller Höhe weiter zu übernehmen.

Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die Antragsteller eine Notlage glaubhaft gemacht hätten. Auf sie finde auch der zum 28. März 2020 eingeführte § 67 SGB II (Zweites Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende) Anwendung. Diese Vorschrift gelte für alle Bewilligungszeiträume, die – wie im vorliegenden Falle – zwischen dem 1. März und dem 30. Juni 2020 beginnen. Danach müssten die Jobcenter grundsätzlich die jeweils tatsächlich anfallenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung als angemessen anerkennen und entsprechende Leistungen gewähren. Dies gelte nach dem klaren Wortlaut nur dann nicht, wenn bereits im vorangegangenen Bewilligungszeitraum nur noch die angemessenen und nicht die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt worden seien. So aber sei es hier nicht gewesen, denn die Antragsteller hätten bis Ende März Leistungen für die vollen Mietaufwendungen erhalten.

Die gesetzliche Neuregelung berücksichtige damit nicht nur Erleichterungen für Neuantragsteller, sondern auch die mit der Pandemie verbundenen Schwierigkeiten, derzeit eine neue Unterkunft zu finden.

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Es kann vom Antragsgegner – dem Jobcenter – mit der Beschwerde zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam angefochten werden.

Anmerkung der Pressestelle: Der vorliegende Beschluss ist die erste Entscheidung des Sozialgerichts Berlin zu den jüngst in Kraft getretenen Hartz IV-Sonderregelungen, mit denen währende der Corona-Krise der erleichterte Zugang zum Leistungsbezug geregelt wird.

Im April 2020 sind die Eingangszahlen am Sozialgericht Berlin im Vergleich zum Vormonat um ungefähr 350 Verfahren auf insgesamt rund 1.500 Verfahren zurückgegangen. Es ist davon auszugehen, dass mit zunehmender Normalisierung der Lage auch wieder deutlich höhere Eingänge zu verzeichnen sein werden. Abzuwarten bleibt, wie sich der pandemiebedingt stark gestiegene Bedarf nach Sozialleistungen auf die zukünftige Belastung des Sozialgerichts auswirkt.

https://www.berlin.de/gerichte/sozialgericht/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.938295.php

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:

 

Landgericht Berlin – 64 S 95/15, Urteil vom 29. April 2020

Pressemitteilung Nr.: 29/2020 vom 29.04.2020:

Landgericht Berlin: Auftrag eines Mieters an eine Legal-Tech-Plattform, die „Mietpreisbremse“ durchzusetzen, ist nach der gegenwärtigen Fassung des Rechtsdienstleistungsgesetzes keine vergütungspflichtige Inkassodienstleistung

Die für Berufungen in Mietsachen zuständige Zivilkammer 64 des Landgerichts Berlin hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2020 in dem heute in öffentlicher Sitzung verkündeten und dabei mündlich kurz begründeten Urteil entschieden, dass die Rückforderung einer von einem Mieter an seine Vermieterin unter Vorbehalt gezahlten überhöhten Miete nicht mehr als „eigenständige“ Inkassodienstleistung im Sinne der aktuellen Fassung des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) bewertet werden könne, wenn der Auftrag des Mieters an die für ihn handelnde Legal-Tech-Plattform darüber hinausgehend gelautet habe, für ihn die „Mietpreisbremse“ bei der Vermieterin durchzusetzen und die im Wohnungsmietvertrag vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen.

Zwar könne die Klägerin – eine als Inkassodienstleisterin zugelassene Legal-Tech-Plattform – aus dem an sie abgetretenen Recht des Mieters eine gegen die Vorschriften der „Mietpreisbremse“ verstoßende und von dem Mieter an seine Vermieterin gezahlte überhöhte Miete zurückfordern. Da diese Tätigkeit hier jedoch als Mittel zum Zweck der Durchsetzung der „Mietpreisbremse“ und nicht als „eigenständige“ Inkassotätigkeit im Sinne des RDG zu bewerten sei, könne die Klägerin dafür keine Vergütung nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) beanspruchen und daher auch nicht von der Vermieterin einklagen.

In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit hatte das Amtsgericht Charlottenburg eine u. a. auf Auskunft über vergangene Mieterhöhungen und Modernisierungen, auf Rückzahlung einer überhöhten Monatsmiete sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage gegen eine Vermieterin mit Urteil vom 22. März 2019 in der ersten Instanz abgewiesen. Auf die dagegen eingelegte Berufung der klagenden Legal-Tech-Plattform, die gewerblich u.a. die Rechte von Wohnraummietern aus den Vorschriften der sog. „Mietpreisbremse“ (§§ 556d ff. BGB) geltend macht und die sich dafür Rechte des Mieters gegen seine Vermieterin hatte abtreten lassen, haben die Richter der Zivilkammer 64 mit ihrem heutigen Urteil die Entscheidung der ersten Instanz zu den geltend gemachten Auskunftsansprüchen bestätigt, aber der Klage auf Rückzahlung einer überhöhten Monatsmiete im Ergebnis stattgegeben. Die Zivilkammer 64 – so der Vorsitzende in der heutigen Urteilsbegründung – habe bereits in anderen Verfahren entschieden, dass die gesetzlichen Vorschriften über die „Mietpreisbremse“ einschließlich der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung wirksam seien und daher der überhöhte Teil der Monatsmiete zurückzuzahlen sei.

Die eigentliche Bedeutung dieses Urteils liegt aber darin, dass nach Auffassung der Zivilkammer 64 des Landgerichts Berlin der vom Mieter an die Legal-Tech-Plattform erteilte Auftrag zur Durchsetzung der „Mietpreisbremse“, auch wenn er die Rückforderung einer vom Mieter gezahlten überhöhten Monatsmiete umfasst, nicht mehr als „eigenständige“ Inkassodienstleistung im Sinne der aktuellen Fassung des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) bewertet werden könne. Daher könne die Klägerin für diese Tätigkeit auch keine Vergütung nach dem RVG – im konkreten Fall vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 534,31 Euro nebst Zinsen – beanspruchen.

Die Zivilkammer 64 – so der Vorsitzende in der heutigen Urteilsbegründung – folge zwar der Auffassung des Bundesgerichtshofs in dessen Urteil vom 29. November 2019 – VIII ZR 285/18 –, wonach der Begriff der Inkassotätigkeit ausweislich der Gesetzesbegründung des RDG weit auszulegen sei, um neuen Berufsbildern nicht von vorne herein den Weg zu verstellen und den Bereich der Rechtsberufe und der freien Berufe zu entbürokratisieren und zu liberalisieren.

Im hier zu entscheidenden Fall sei aber angesichts des zur Beauftragung der Klägerin dienenden und mit den Worten „Mietsenkung beauftragen“ beschrifteten Buttons auf ihrer Homepage das Interesse des Mieters nicht darauf gerichtet gewesen, die nach Ausspruch der Rüge wegen Verstoßes gegen die „Mietpreisbremse“ unter Vorbehalt gezahlte Miete teilweise zurück zu erlangen, also Zahlungsansprüche durchzusetzen. Vielmehr habe die Klägerin dem Mieter versprochen, seine Rechte aus den gesetzlichen Vorschriften über die „Mietpreisbremse“ nach Kräften durchzusetzen und die Vermieterin dazu zu bringen, die vertraglich vereinbarte Miete auf das gesetzlich zulässige Maß zu reduzieren. Auch die Vergütung der Klägerin habe nicht etwa vom Gesamtbetrag der insgesamt erfolgreich zurückgeforderten Mietzahlungen, sondern vom Jahresbetrag der durchzusetzenden Mietreduzierung abhängen sollen.

Nicht anders als im Falle der Abwehr einer ungerechtfertigten Mieterhöhung, die auch nach der Gesetzesauslegung des Bundesgerichtshofs nicht mehr als Inkassodienstleistung im Sinne des RDG begriffen werden könne, könne daher nach Auffassung der Richter der Zivilkammer 64 – angesichts des gegenwärtigen Wortlauts des RDG und angesichts des viel weiter gehenden an die Klägerin erteilten Auftrags – die Rückforderung einer überhöhten Miete nicht als „eigenständige“ Inkassodienstleistung angesehen werden, sondern diene der Anspruchsabwehr. In der mündlichen Urteilsbegründung hat der Vorsitzende der Zivilkammer 64 ergänzend ausgeführt, dass es aus Sicht der Kammer erforderlich sei, dass der Gesetzgeber durch eine Konkretisierung des RDG klarstelle, ob auch solche weiter gehenden Tätigkeiten wie die der Klägerin im hiesigen Fall noch als zulässige Inkassodienstleistung bewertet werden sollen.

Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Zivilkammer 64 hat die Revision zum Bundesgerichtshof mit der Begründung zugelassen, dass sie mit ihrem Urteil von der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs abweiche. Eine Revision kann beim Bundesgerichtshof innerhalb von einem Monat ab förmlicher Zustellung des Urteils eingelegt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten muss auf die schriftlichen Urteilsgründe verwiesen werden. Nach den Presserichtlinien kann über diese aber erst berichtet werden, wenn das heute verkündete Urteil den Parteien in schriftlicher Form zugestellt wurde bzw. alle Verfahrensbeteiligten dieses Urteil sicher erhalten haben.

https://www.berlin.de/gerichte/presse/pressemitteilungen-der-ordentlichen-gerichtsbarkeit/2020/pressemitteilung.926987.php

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:

 

Landgericht Berlin – 63 S 56/15, Urteil vom 24.03.2020

Berliner Morgenpost am 02.04.2020: Urteil – Mieter müssen energetische Sanierung dulden

Nach sieben Jahren ist das sogenannte „Pankower Dämmurteil“ ergangen – mit einer Niederlage für die Bewohner.

Anke Hahn ist die Enttäuschung deutlich anzuhören. „Wir haben auf ganzer Linie verloren“, sagt die Pankowerin. Hahn ist Mieterin im Haus Pestalozzistraße 4. Hinter ihr liegt ein beispiellos langer Prozess gegen ihre Vermieterin, die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gesobau. Mit dem Urteil, das ihr in dieser Woche vom Landgericht Berlin an der Littenstraße in Mitte zugesandt wurde, hat nun ein Verfahren seinen Abschluss gefunden, das mit einer Ankündigung der energetischen Sanierung des Mietshauses im Jahr 2013 seinen Anfang genommen hatte.

„Die Beklagten werden verurteilt, die Durchführung folgender Maßnahmen in der von ihnen genutzten Wohnung in 13187 Berlin, Pestalozzistraße 4 zu dulden“, heißt es unmissverständlich in dem Urteil der 63. Zivilkammer (Az.: 63 S 56/15). Es folgt eine lange Auflistung der geplanten Arbeiten, darunter die Demontage ihrer Gasetagenheizung und der Anschluss an die Gaszentralheizung, der Austausch der Doppelkastenfenster aus Holz durch Kunstoffisolierglasfenster sowie die Dämmung der straßenseitigen Fassade.

Für Anke Hahn und ihren Mann droht damit nun Wirklichkeit zu werden, was ihnen ein Schreiben von der Gesobau 2013 ankündigte. Durch die umfassende energetische Sanierung ihres Hauses sollte die bisherige Gesamtmiete der vierköpfigen Familie demnach von 378,58 Euro nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen auf monatlich 774,15 Euro steigen. Die Modernisierungsumlage in Höhe von 338,08 Euro hätte demnach nahezu eine Verdoppelung ihrer Miete bedeutet – entsprechend schockiert waren die Hahns und beschlossen, sich gegen die Sanierungsmaßnahmen zu wehren.

Damit waren sie nicht allein, denn die Modernisierungsankündigung der Gesobau betraf nicht nur ihr Haus, sondern weitere Gebäude der Wohnanlage in der Trelleborger Straße, der Hallandstraße und der Florapromenade. Deren Bewohner schlossen sich daraufhin im „Pankower Mieterprotest“ zusammen, der unter anderen Härtefallregelungen und erweiterte Regelungen zum Schutz vor Mieterhöhungen in der Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und landeseigenen Wohnungsunternehmen erreichte.

Das Amtsgericht hatte der Familie recht gegeben

Zunächst schien auch der juristische Kampf Erfolg zu haben: Die Hahns, die die der Gesobau die erforderliche Zustimmung zur Sanierung verweigert hatten und daraufhin von dem landeseigenen Unternehmen verklagt wurden, erstritten vor dem Amtsgericht Pankow/Weißensee einen Sieg (Az.: 7 C 52/14 AG Pankow/Weißensee).

Das Amtsgericht urteilte, dass sie einen Großteil der angekündigten Arbeiten nicht dulden müsse, dieses gelte insbesondere für die Dämmung der Fassade, weil diese unwirtschaftlich sei. „Leider ist die Richterin am Landgericht nicht auf diese Argumentation und die von uns vorgelegten Nachweise zur Unwirtschaftlichkeit eingegangen“, bedauert Anke Hahn. Denn inzwischen würden nicht nur Gutachten, sondern auch reale Heizkostenabrechnungen aus dem Mietshaus vorliegen. Diese zeigten, dass die Mieter im bereits sanierten Hausteil keine nennenswerte Energieeinsparung hätten.

Auch Reiner Wild, Chef des Berliner Mietervereins (BMV) bedauert, dass das Urteil des Landgerichts sich nicht, wie von vielen betroffenen Mietern erhofft, mit der Frage der Wirtschaftlichkeit befasst hat. Für die Hahns bliebe nun immerhin der Trost, dass die Gesobau nach dem im Februar 2020 in Kraft getretenen Mietendeckel die Modernisierungskosten nur noch mit höchstens einen Euro pro Quadratmeter umlegen dürfe.

„Eine zu duldende Modernisierung“

Das nunmehr schriftlich vorliegende Urteil im Berufungsverfahren „bestätigt uns nun, dass die geplanten energetischen Maßnahmen eine zu duldende Modernisierung darstellen“, teilt die Gesobau dazu auf Nachfrage der Berliner Morgenpost mit. „Diese Bestätigung hätte die Gesobau gern schon früher erhalten, um die gesetzlichen Vorgaben zur energetischen Modernisierung von Wohngebäuden schneller umsetzen zu können. „Das Urteil ist wichtig für die Zukunft, da diese Frage nunmehr offiziell geklärt wurde“, so die Sprecherin weiter. Die Planungen würden nun wieder aufgenommen „und das rechte Vorderhaus analog zum restlichen Gebäude, unter Berücksichtigung der Gerichtsurteile sowie geltender gesetzlicher Rahmenbedingungen, modernisiert“.

https://www.morgenpost.de/bezirke/pankow/article228826169/Urteil-Mieter-muessen-energetische-Sanierung-dulden.html