Archiv für den Monat: März 2024

AMV im Lichte der Presse:

Berliner Zeitung am 22.03.2024 – Deutsche Wohnen: Fehlte bei Heizkostennachzahlung die entscheidende Unterlage?

Ein mögliches Versäumnis ihres Vermieters könnte Mieter in Staaken vor hohen Nachforderungen bewahren. Die Deutsche Wohnen will jedoch nichts falsch gemacht haben.
Für Mieter einer Wohnanlage in Staaken war es ein Schock. Die Heizkostenabrechnung für 2022, die die Deutsche Wohnen ihnen mit Schreiben vom 16. Dezember 2023 zuschickte, sah für etliche Haushalte teils sehr hohe Nachzahlungen vor.Eine Bewohnerin sollte 2142 Euro nachzahlen, ein Mann 1537 Euro nachträglich berappen.
Als die ersten Mieter der 502 Wohnungen um Brunsbütteler Damm, Barmbeker Weg und Oldesloer Weg zur Mieterberatung gingen, gab es jedoch eine Überraschung. Mieterberater Marcel Eupen, Chef des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbundes (AMV), stellte nach seinen Angaben fest, dass in den Schreiben die entscheidende Unterlage fehlte: die eigentliche Heizkostenabrechnung der Firma Ista mit der Einzelabrechnung für jeden Haushalt.
Für die Deutsche Wohnen könnte sich das als teurer Fehler erweisen, für die Mieter als vorteilhaft herausstellen. Der Grund: Laut Gesetz ist die Abrechnung dem Mieter „spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen“. Nach Ablauf dieser Frist „ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten“.
Eupen wandte sich an die Deutsche Wohnen, forderte die fehlenden Unterlagen nachträglich an und verlangte von dem Unternehmen, „unverzüglich zu bestätigen, dass der Nachzahlungsbetrag“ von den Mietern nicht mehr geschuldet werde. Doch die Deutsche Wohnen ließ sich nicht darauf ein.
Sie teilte nach mehrwöchiger Prüfung mit, ihre „Recherche“ habe ergeben, dass die „Heizkostenabrechnung 2022 vollständig und inklusive der Ista-Einzelabrechnung“ versandt wurde. „Dies können wir anhand unserer vorliegenden Unterlagen und Daten, als auch durch die technischen Aufzeichnungen und Bestätigung unseres Versanddienstleisters, zweifelsfrei nachvollziehen“, behauptete das Unternehmen.

Fehler könne im Nachhinein nicht mehr korrigiert werden

Eupen ist empört. „Ich verstehe das Verhalten der involvierten Sachbearbeiter der Deutsche Wohnen überhaupt nicht und kritisiere dieses aufs Schärfste“, sagt er. Seit Anfang Januar hätten ihn „gut 35 Mieterinnen und Mieter, die sich zum Teil überhaupt nicht kennen und in unterschiedlichen Häusern wohnen, unabhängig voneinander in der bezirklichen Mieterberatung aufgesucht“ und berichtet, dass sie zwar das Anschreiben der Deutsche Wohnen vom 16. Dezember 2023 erhalten haben, „nicht jedoch die Einzelabrechnung der Ista vom 13. Dezember 2023“.
Er habe deswegen „nicht den geringsten Zweifel daran“, dass der Deutsche Wohnen „der Lapsus unterlaufen ist, dass die Heizkostenabrechnung nicht mitübersandt worden ist“, sagt Eupen. Ohne die Einzelabrechnung der Ista liege jedoch „keine formell wirksame Heizkostenabrechnung vor“. Dieser Fehler könne „auch nicht mehr geheilt werden, da zwischenzeitlich die gesetzliche Jahresfrist abgelaufen ist“, so Eupen.
Die Einzelabrechnung hätte spätestens am 31. Dezember 2023 jedem Mieter vorliegen müssen. „Die Deutsche Wohnen kann die Nachzahlungsbeträge, die zum Teil exorbitant hoch sind, von ihren Mieterinnen und Mieter nicht mehr verlangen“, sagt Eupen. „Sie muss sie ausbuchen.“

Sozialstadtrat Gregor Kempert hat sich eingeschaltet

Die Deutsche Wohnen sieht dafür keinen Anlass. „Uns ist wichtig, dass unsere Abrechnungsschreiben korrekt sind“, teilt Deutsche-Wohnen-Sprecher Christoph Metzner auf Anfrage der Berliner Zeitung mit. „Wir erstellen die Abrechnungen sorgfältig und versenden diese über einen zertifizierten Dienstleister. Somit gewährleisten wir, dass wir unseren Mieterinnen und Mietern transparente Informationen innerhalb der Fristen zur Verfügung stellen“, so Metzner.
„Wir haben die im Dezember versandten Heizkosten-Abrechnungen der von Ihnen genannten Häuser im Quartier um Barmbeker und Oldesloer Weg in Staaken noch einmal sehr umfangreich geprüft – Ergebnis: die Abrechnungen wurden korrekt und vollständig versandt – inklusive der Einzelabrechnungen“, so Metzner. „Dies lässt sich durch unsere technische Dokumentation und die Bestätigung unseres Versanddienstleisters nachvollziehen.“ Auf die Nachfrage, welcher Art die technische Dokumentation ist, antwortet der Sprecher nicht.
Inzwischen hat sich Spandaus Sozialstadtrat Gregor Kempert (SPD) eingeschaltet. „Ich bin über den Vorgang in der Staakener Wohnanlage informiert“, sagt er der Berliner Zeitung. „Wenn es versäumt wurde, den rund 500 Mietern eine Einzelabrechnung zuzustellen, nun aber dennoch Nachzahlungen von den betroffenen Haushalten gefordert werden, wäre das ein Unding“, so Kempert.
„Wenn die Einzelabrechnungen nicht zugestellt wurden, kann hinterher niemand behaupten, die waren dabei“, so der Stadtrat. „Ich habe einen Brief an das Vorstandsmitglied der Deutsche Wohnen Lars Urbansky geschrieben, in dem ich mich dafür einsetze, eine Lösung zu finden. Wenn das nicht gelingt, würde dies bedeuten, dass es zu einem Rechtsstreit zwischen Mietern und der Deutsche Wohnen kommt. Das würde ich bedauern.“
AMV-Chef Eupen sammelt inzwischen eidesstattliche Versicherungen der Mieter, in denen diese erklären, dass sie zwar das Schreiben der Deutsche Wohnen vom 16. Dezember erhalten haben, nicht aber die Einzelabrechnung der Ista. „Es würde der Deutsche Wohnen gut zu Gesicht stehen, ihren Fehler öffentlich einzugestehen und auf ihre Mieterinnen und Mieter zuzugehen“, sagt Eupen. „Ich fordere die Deutsche Wohnen auf, aktiv zu werden und auf die Nachzahlungsbeträge gegenüber allen Mietern zu verzichten.“

AMV im Lichte der Presse:

Berliner Zeitung am 04.03.2024 – Degewo und Co.: Nicht einmal 500 Mieter haben eine Überprüfung der Mietkosten beantragt

Berlins landeseigene Wohnungsunternehmen haben rund 132.000 Mieterhöhungen verschickt. Nur wenige Haushalte fordern eine Absenkung. So einfach ist das nicht, sagen Experten.
Bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen in Berlin haben sich bisher erst sehr wenige Haushalte auf das sogenannte Leistbarkeitsversprechen berufen, das Mieter vor einer finanziellen Überforderung durch steigende Mieten bewahren soll. Das geht aus einer Antwort des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) auf Fragen der Berliner Zeitung an die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften hervor.
Laut BBU haben die landeseigenen Unternehmen rund 132.000 Mieterhöhungsverlangen für 2024 ausgesprochen, aber weniger als 500 Mieter haben sich gemeldet, um eine Überprüfung der Miete zu beantragen (Stand: 21. Februar). Anträge wurden bisher noch nicht bewilligt. Die Prüfungen dauerten noch an, so der BBU.
Die Bearbeitungszeit sei „abhängig von der Qualität der eingereichten Unterlagen und individuell abhängig von der Komplexität der Prüfung der Einkommenssituation des jeweiligen Antragstellers“. In der Regel werde von den Mietern kein Absenkungsbetrag beantragt, „sondern pauschal um Überprüfung der Miethöhe nach Anpassung auf Grundlage des Leistbarkeitsversprechens gebeten“, so der BBU-Sprecher.
Das Leistbarkeitsversprechen sieht vor, dass Mieter bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften nicht mehr als 27 Prozent des Haushaltseinkommens für die Nettokaltmiete aufbringen müssen. Es gelten dabei bestimmte Grenzen bei der Wohnfläche und beim Einkommen. Die Wohnfläche für einen Einpersonenhaushalt darf 45 Quadratmeter nicht überschreiten, für einen Zweipersonenhaushalt liegt die Grenze bei 60 Quadratmetern. Ist die Wohnung größer, wird eine Absenkung der Miete gegebenenfalls anteilig berechnet.
Auf das Leistbarkeitsversprechen der städtischen Vermieter können sich Mieter berufen, deren Einkommen die Grenzen für einen sogenannten Wohnberechtigungsschein (WBS) 220 nicht überschreitet. Die Bezeichnung WBS 220 bedeutet, dass die Einkommensgrenzen des Bundes für den sozialen Wohnungsbau, die dem Wert von 100 Prozent entsprechen, um maximal 120 Prozent überschritten werden dürfen. Für einen Einpersonenhaushalt liegt die Grenze für einen WBS 220 bei einem anrechenbaren Einkommen von 26.400 Euro, für einen Zweipersonenhaushalt bei 39.600 Euro – ausgehend vom Bruttoeinkommen werden dabei verschiedene Abzüge in Ansatz gebracht.
Stadtweit betrachtet, haben rund 1,16 Millionen Haushalte ein solches Einkommen, mehr als jeder zweite Haushalt in Berlin (Stand: 2022). Vom Leistbarkeitsversprechen profitieren aber nur die Mieter der rund 360.000 landeseigenen Wohnungen. Hier dürfte der Anteil der Anspruchsberechtigten mindestens so hoch sein wie im Berliner Schnitt, eher noch höher. Nach Angaben von BBU-Sprecher Eberhart gilt das Leistbarkeitsversprechen sowohl im Rahmen von Mieterhöhungen als auch außerhalb von Mieterhöhungen. Außerhalb von Mieterhöhungen hätten weniger als 50 Haushalte beantragt, die Bestandsmiete abzusenken.

Im Mieten-Bündnis galt eine andere Regelung

Das Leistbarkeitsversprechen wurde in der neuen Kooperationsvereinbarung zwischen dem Senat und den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften verankert, die seit dem 1. Januar 2024 gilt und den Unternehmen größere Mieterhöhungsspielräume eröffnet. Das Leistbarkeitsversprechen geht über die Vereinbarung des Bündnisses für Wohnungsneubau und bezahlbare Mieten hinaus. Darin hatten die landeseigenen Unternehmen und einige private Vermieter im Jahr 2022 zugesichert, dass sie Mieterhöhungen nicht durchführen, wenn diese zu Haushaltsbelastungen von mehr als 30 Prozent führen. Der Kreis der Anspruchsberechtigten war jedoch geringer, weil die Einkommensgrenzen niedriger lagen.
Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV) kritisiert das Leistbarkeitsversprechen. Dadurch vergrößere sich „zwar der Kreis der Haushalte mit Anspruch auf eine finanzielle Entlastung“ und die Mietbelastungsgrenze werde von 30 auf 27 Prozent abgesenkt. „Doch gehen diese Verbesserungen leider einher mit einigen Nachteilen im Vergleich zu den Regelungen des Bündnisses für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“, so AMV-Chef Marcel Eupen.
In der Bündnis-Vereinbarung verpflichteten sich die Unterzeichner dazu, dass sie Erhöhungen der Nettokaltmiete, die zu Haushaltsbelastungen von mehr als 30 Prozent des jährlichen Haushaltsnettoeinkommens führen, nicht durchführen, sagt Eupen. „Das heißt, dass die Vermieter bei Vorliegen einer Bedürftigkeit auf die Mieterhöhung komplett verzichten.“ Das Leistbarkeitsversprechen führe hingegen nicht dazu, dass die landeseigenen Unternehmen auf eine Mieterhöhung verzichten.

Mieterberater übt Kritik an „komplettem Systemwechsel“

„Von den Bewohnern wird vielmehr gefordert, dass sie den Mieterhöhungen zustimmen“, so Eupen. „Sonst laufen sie Gefahr, verklagt zu werden.“ Wenn sich ein Mieter auf das Leistbarkeitsversprechen berufe, werde erst danach geprüft, ob die erhöhte Miete abgesenkt werden muss. „Die neue, höhere Miete steht also fest und kann allenfalls im Nachhinein reduziert werden“, so Eupen. „Das ist ein kompletter Systemwechsel im Vergleich zur Vereinbarung des Bündnisses für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen.“
Zu befürchten sei, „dass die höhere Miete in diesen Fällen die Vertragsmiete darstellt, auf der die nächste Mieterhöhung errechnet wird – und dass die neue Miete in den nächsten Mietspiegel einfließt, wodurch sich die Mieterhöhungsspielräume weiter erhöhen“, so der Mieterberater. Eupen: „Besser wäre es gewesen, wenn die landeseigenen Unternehmen in all jenen Fällen komplett auf Mieterhöhungen verzichtet hätten, bei denen die Bewohner mehr als 27 Prozent des Haushaltseinkommens für die Miete zahlen müssten.“
BBU-Sprecher Eberhart verweist darauf, dass ein Mieterhöhungsverlangen „grundsätzlich zustimmungspflichtig“ sei, sofern „keine formellen oder materiell-rechtlichen Einwände geltend gemacht werden können“. Bei nachweislicher Überforderung greife das Leistbarkeitsversprechen.
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/degewo-und-co-leistbarkeitsversprechen-nicht-einmal-500-berliner-mieter-haben-ueberpruefung-der-mietkosten-beantragt-li.2192321