Archiv für den Monat: Februar 2022

Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:

Berliner Zeitung am 14.02.2022: Neues Vorkaufsrecht ist nötig
Die Städte brauchen ein Instrument, um der Verdrängung von Mietern etwas entgegensetzen zu können.
Drei Monate nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten zeigt sich immer mehr, welche fatale Wirkung die Entscheidung für Mieter hat. Das Vorkaufsrecht ist praktisch nicht mehr anwendbar, weil das zentrale Argument, die Sorge vor einer Verdrängung, als Begründung nicht mehr herangezogen werden darf. Solange es keine neue gesetzliche Regelung gibt, wird das Vorkaufsrechts damit auch in Zukunft nicht mehr ausgeübt werden können.
Das ist gerade für Städte wie Berlin, Hamburg und München ein Problem, wo das Vorkaufsrecht genutzt wurde, um der Verdrängung der angestammten Mieter etwas entgegenzusetzen. Denn allzu häufig werden Mietwohnungen nach einem Verkauf in Eigentumswohnungen umgewandelt und anschließend gewinnbringend weiterverkauft. Von den angestammten Mietern finden sich am Ende kaum noch welche unter den Bewohnern.
Ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt des Vorkaufsrechts war, dass Investoren dessen Ausübung abwenden konnten, indem sie sich zur Einhaltung eines besonderen Mieterschutzes verpflichteten. Abwendungsvereinbarung wurden solche Übereinkünfte genannt, zu denen der Verzicht auf die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen gehörte.
Ausgerechnet diese Abwendungsvereinbarungen werden nun im Zuge des Bundesverwaltungsgerichtsurteil von Vermietern infrage gestellt. Die ersten haben Vereinbarungen aufgekündigt oder angefochten. Sollten sie damit erfolgreich sein, wird es nicht lange dauern, bis weitere ihrem Beispiel folgen. Für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft ist das Gift. Das einzig Gute ist, dass die Geschäftemacher damit den Nachweis erbringen, wie dringend nötig eine Neuregelung des gesetzlichen Vorkaufsrechts ist. Jetzt muss die Ampel im Bund die Konsequenzen ziehen.

Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:

Berliner Morgenpost am 07.02.2022: Linke wirft Vonovia Bruch des “Sozialpakts” vor
Im vergangenen Jahr hat Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia in dem mit dem Berliner Senat geschlossenen „Zukunfts- und Sozialpakt” das Versprechen abgegeben, den Mietanstieg in den kommenden drei Jahren auf durchschnittlich ein Prozent pro Jahr zu begrenzen. Nun melden sich immer mehr Mieter des Unternehmens, das in Berlin rund 40.000 Wohnungen im Bestand hat, weil sie eine deutlich höhere Mietsteigerung erhalten haben. „Vonovia ignoriert die eigene Selbstverpflichtung und erhöht kräftig die Mieten“, folgert Niklas Schenker, Sprecher für Mieten der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.
In einer am Montag veröffentlichten Mitteilung nennt der Abgeordnete die Mieterhöhungen angesichts der in den vergangenen Jahren wiederholt Rekordgewinne „schamlos“. Und weiter: Sie seien „eine Frechheit und eine Kampfansage an die Mieterinnen und Mieter in der Stadt, die gerade mit großer Mehrheit für die Vergesellschaftung des börsennotierten Wohnungsunternehmens gestimmt haben“. Besonders absurd sei, dass Vonovia mit den immensen Mieterhöhungen um bis zu zehn Prozent sich nicht einmal an ihre eigene Selbstverpflichtung halte. Das System der finanzialisierten Wohnungswirtschaft ist sei unvereinbar mit einer sozialen Wohnungsversorgung. „Deshalb werden wir den Weg der Vergesellschaftung weiter konsequent verfolgen”, kündigt Schenker an.
Mieterverein: Im Einzelfall sogar „15 Prozent Mieterhöhung möglich“
Tatsächlich haben sich beim Berliner Mieterverein in den vergangen Tagen „etliche Mieter gemeldet“, berichtet Reiner Wild, Chef des Berliner Mieterverein. Deren Mietsteigerungen hätten nicht bei einem Prozent, sondern im Schnitt sogar bei rund neun Prozent gelegen. „Wir müssen den Betroffenen dann erklären, dass die Mieterhöhungsgrenze von einem Prozent sich leider nicht auf das einzelne Mietverhältnis, sondern auf den gesamten Wohnungsbestand bezieht, so Wild weiter. Da in vielen Fällen wegen Modernisierungen und Ausschöpfung der ortsüblichen Vergleichsmiete gar keine Erhöhungen vorgenommen werden können, bedeute dies, dass im Einzelfall sogar Mieterhöhungen bis zu 15 Prozent in drei Jahren bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete vorgenommen werden könnten.
Bei der Vonovia versteht man die Aufregung nicht. „Genau wie wir im Mai 2021 angekündigt haben, erhöhen wir unsere Mieten in Berlin im Schnitt nicht über ein Prozent, und zwar dieses und die kommenden beiden Jahre nicht“, versichert Vonovia-Sprecher Matthias Wulff. Dies habe das Unternehmen im Zuge der Fusion mit der Deutschen Wohnen öffentlich mit dem Senat vereinbart, so Wulff weiter – und erinnert an den Wortlaut der Vereinbarung: „Vonovia und Deutsche Wohnen sagen zu, ihre regulären Mieterhöhungen über ihren Berliner Bestand insgesamt in den nächsten drei Jahren auf höchstens ein Prozent jährlich und in den beiden nachfolgenden Jahren auf den Inflationsausgleich zu begrenzen.“

Vonovia „Manche Anpassungen liegen darüber, manche darunter“

„Ein Prozent im Schnitt bedeutet, dass manche Anpassungen darüber liegen können und einige darunter“, so Wulff weiter. Vom Bruch der Vereinbarung, wie vom Politiker der Linkspartei behauptet, könne deshalb nicht die Rede sein. „Dazu kommt, dass wir bei der Anzahl und Höhe der Mieterhöhungen deutlich unter dem bleiben, was rechtlich zulässig ist“, so Wulff weiter. Von den rund 40.000 Mieterhaushalten hätten insgesamt rund 5000 eine Mieterhöhung erhalten. Der durchschnittliche Mietpreis in den Berliner Beständen der Vonovia liege aktuell bei 7,04 Euro je Quadratmeter (nettokalt). Zudem habe Vonovia seit 2019 in Berlin keine Mietanpassungen mehr vorgenommen und nach Ende des Mietendeckels keine Nachforderungen gestellt, ruft der Sprecher in Erinnerung.

AMV im Lichte der Presse:

Berliner Zeitung am 06.02.2022 – Vonovia und Deutsche Wohnen: Ärger um Mieterhöhung von zehn Prozent

Vonovia versprach, Mietsteigerungen in Berliner Wohnungen auf ein Prozent jährlich zu begrenzen. Im Einzelfall sind aber stärkere Anhebungen möglich.
Die Unruhe unter Berlins Mietern ist groß. Seit Tagen werde er in der Mieterberatung „überrannt“, berichtet Marcel Eupen, Chef des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbundes (AMV). Der Grund: Neben den landeseigenen Wohnungsunternehmen wollen auch private Vermieter wie die Vonovia und ihre Tochter Deutsche Wohnen die Miete anheben.
Die Vonovia hat für „rund ein Achtel“ ihrer knapp 40.000 Wohnungen in Berlin „Mietanpassungen versandt“, sagte Unternehmenssprecher Matthias Wulff. Die Deutsche Wohnen will nach Angaben eines Sprechers die Mieten für 22.000 Wohnungen in Berlin raufsetzen.
Zwar haben Vonovia und Deutsche Wohnen vor ihrer Fusion im vergangenen Jahr zugesagt, reguläre Mieterhöhungen in ihrem Berliner Bestand in den nächsten drei Jahren auf ein Prozent jährlich zu begrenzen. Was sich nach einer moderaten Geschäftspolitik anhört, kann jedoch im Einzelfall zu stattlichen Mieterhöhungen führen, wie ein Beispiel aus Spandau zeigt.

Mieter: Das ist nicht mehr moderat

Für Johannes Heinrich (Name geändert) soll sich die Kaltmiete für seine rund 66 Quadratmeter große Wohnung bei der Vonovia von rund 500 Euro auf 550 Euro erhöhen – eine Anhebung um rund zehn Prozent. „Das ist nicht gerade moderat“, sagt Heinrich. So wie ihm geht es vielen anderen Haushalten. „Uns liegen seit Ende Januar diverse Mieterhöhungen vor, bei denen der Anstieg um die zehn Prozent beträgt“, sagt Mieterberater Eupen.
Die Vonovia spricht auf die Frage nach der durchschnittlichen Erhöhung von „acht Cent pro Quadratmeter“. Damit liege der Konzern „gleichauf mit den jüngst ausgebrachten Erhöhungen bei den landeseigenen, staatlichen Wohnungsunternehmen“. Der Faktencheck zeigt allerdings, dass bei den landeseigenen Unternehmen Mieterhöhungen um zehn Prozent zurzeit nicht möglich sind. In laufenden Verträgen dürfen die landeseigenen Unternehmen die Mieten nur um bis zu 2,5 Prozent anheben, sofern die Mieten in der Zeit des Mietendeckels abgesenkt wurden. Für alle anderen Wohnungen mit laufenden Verträgen darf die Miete um ein Prozent steigen.
Selbst bei der Deutsche Wohnen sind Mieterhöhungen stärker beschränkt als bei ihrem Mutterkonzern Vonovia. „Wir haben uns für eine freiwillige Kappungsgrenze von 30 Euro entschieden und bleiben damit deutlich unter dem, was der Mietspiegel ermöglicht“, sagt ein Sprecher der Deutsche Wohnen. Im Schnitt beschränke sich die Mieterhöhung dadurch pro Haushalt und Monat auf weniger als 20 Euro.

Unternehmen will Mietern entgegenkommen

AMV-Chef Eupen übt Kritik an den Mieterhöhungen. „Während Berlins Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) hofft, dass sich die Immobilienwirtschaft im Rahmen des zu gründenden Bündnisses für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen auf ein freiwilliges Mietenmoratorium einlässt, erhöhen die potenziellen Partner Vonovia und deren Tochter Deutsche Wohnen zum 1. April kräftig die Mieten.“ Sie schafften damit „vollendete Tatsachen“ und kassierten „vorher nochmal schnell ab“, so Eupen. „Die Politik hofft und die Wohnungswirtschaft handelt.“ Die Melkkuh sei der Mieter. Die Vonovia und ihre Tochter Deutsche Wohnen heizten damit die extrem angespannte und emotionale Situation weiter an, warnt Eupen. Die Mieter hätten nichts davon, dass Vonovia und Deutsche Wohnen versprochen haben, den durchschnittlichen Anstieg der Miete auf jährlich ein Prozent zu begrenzen, da diese Versprechen sich auf alle Wohnungen der Unternehmen bezögen. Für einzelne Wohnungen seien höhere Mietsteigerungen möglich.
Mieter Johannes Heinrich aus der Vonovia-Wohnung in Spandau hält die Mieterhöhung ohnehin nicht für gerechtfertigt. Das Wohnumfeld leide unter Dreck und Ratten, sagt er, und die Wohnung sei in keinem guten Zustand. Sie verfüge zwar über Isolierglasfenster, doch diese seien undicht. „Wenn es regnet, läuft das Wasser rein“, sagt er. Das Parkett in der Wohnung sei nach einem Wasserschaden nie repariert worden und gewellt. Die Küche sei mit Einbaumöbeln ausgestattet, doch sei das Holz nach dem Wasserschaden aufgequollen. Der Voreigentümer habe die Schäden nicht repariert, aber zumindest die Miete nicht angehoben.
Immerhin: Die Vonovia will den Mietern entgegenkommen. „Wenn jemand Sorge hat, sich den neuen Mietpreis nicht leisten zu können, dann können sich unsere Mieterinnen und Mieter beim Sozialmanagement melden – wir finden gemeinsam eine Lösung“, sagt Vonovia-Sprecher Wulff.

Mieterhöhungspraxis noch nicht vereinheitlicht

Die Deutsche Wohnen gehört zwar mittlerweile als Tochter zum Vonovia-Konzern, doch in der Mietenpolitik unterscheiden sich beide Unternehmen, wie die aktuellen Erhöhungen zeigen. Die Deutsche Wohnen begrenzt Mieterhöhungen nicht nur auf 30 Euro pro Haushalt, während bei der Vonovia stärkere Steigerungen möglich sind. Bei der Deutsche Wohnen sind zudem Mieterhöhungen nach dem Mietspiegel so begrenzt, dass ein Haushalt maximal 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Nettokaltmiete aufwenden muss – selbst wenn der Mietspiegel weitere Erhöhungen erlauben würde. Die Vonovia verspricht dagegen etwas allgemeiner, darauf zu achten, dass die Miete „bezahlbar bleibt“.
Nach dem Mietendeckel-Aus zeigte sich wiederum die Vonovia kulanter und verzichtete auf Mietnachzahlungen. Die Deutsche Wohnen machte Nachzahlungen davon abhängig, ob die Mieter finanziell dazu in der Lage sind. Auf die Frage, wann beide Unternehmen ihre Mieterhöhungspraxis angleichen, antwortet Vonovia-Sprecher Wulff: „Wir arbeiten gerade gemeinsam am Zusammenschluss mit der Deutsche Wohnen.“ Es kann also womöglich noch dauern.