DER TAGESSPIEGEL am 19.07.2021: Neue Verordnung geplant – Senat will Umwandlung in Eigentumswohnungen in ganz Berlin erschweren
Umwandlungen sollen nur noch möglich sein, wenn der Bezirk zustimmt – und zwei Drittel der Wohnungen an die Mieter gehen. Kritiker befürchten steigende Preise.
Die
Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen wird in ganz Berlin deutlich schwieriger. Künftig soll dies im gesamten Stadtgebiet nur noch dann möglich sein, wenn der zuständige Bezirk zuvor zustimmt. Anders als bislang darf dies jedoch nur noch dann geschehen, wenn mindestens zwei Drittel der Wohnungen an Mieter des Hauses veräußert werden sollen.
Eine entsprechende Rechtsverordnung auf Vorlage von Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke), die dem Tagesspiegel vorliegt, will der Senat in seiner Sitzung am Dienstag besprechen. Zuvor hatte die „
B.Z.“ darüber berichtet.
„Die Umwandlung von Mietwohnungen in Wohnungseigentum führt zum Verlust an bedarfsgerechten Mietwohnraum in der gesamten Stadt“, sagte Scheel dem Tagesspiegel. Mit der neuen Umwandlungsverordnung könne bis Ende 2025 wirksam Einfluss auf das Umwandlungsgeschehen genommen werden und dadurch stadtweit geholfen werden, das Angebot an Mietwohnungen zu schützen.
Zwar habe das Land Berlin vom Bund weitergehende Maßnahmen gefordert, um die Schlupflöcher für die Umwandlung in sozialen Erhaltungsgebieten zu stopfen, erklärte Scheel. Dennoch habe „dieses neue Rechtsinstrument eine hohe wohnungspolitische Bedeutung und wir werden es so schnell wie möglich nutzen“.
Mit der Rechtsverordnung will der Senat eine
Mitte Juni vom Bundestag beschlossene Änderung des Baugesetzbuches umsetzen. Diese hatte den Kommunen deutlich mehr Spielraum bei der Handhabe gegen Umwandlungen in Eigentumswohnungen zugebilligt. Bislang brauchten Hausbesitzer nur dann eine Genehmigung vom Amt, wenn sich die Wohnung in einem Milieuschutzgebiet befunden hat.
Jedoch verhinderte die Genehmigungspflicht auch dort nicht, dass Mietwohnungen verschwanden. Denn Möglichkeiten einen Antrag abzulehnen, haben die Bezirke bisher nicht, solange dem Mieter der Wohnung ein Vorkaufsrecht eingeräumt wird – unabhängig davon, ob er es letztlich wahrnimmt. Die Regelung wurde in der Praxis daher oft als stumpfes Schwert gegen Umwandlungen wahrgenommen.
2020 wurde ein neuer Höchstwert bei den Umwandlungen aufgestellt
In Berlin wurden zwischen 2011 und 2020 insgesamt 124.421 Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt. Im vergangenen Jahr wurde mit 19.310 umgewandelten Wohnungen ein
neuer Höchstwert aufgestellt, heißt es in der Senatsvorlage von Scheel. Der überwiegende Anteil der betroffenen Räumlichkeiten habe mit 55 Prozent bereits außerhalb der Milieuschutzgebiete gelegen. Insgesamt könnten berlinweit potenziell weitere 990.000 Wohnungen zu Eigentumswohnungen umdeklariert werden.
Dem sieht Katrin Schmidberger, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, nun einen Riegel vorgeschoben. „Das ist eine Hürde. Ich habe die Hoffnung, dass wir die massiven Umwandlungen damit bremsen.“ Es sei auffällig, dass zuletzt auch in den Grenzgebieten außerhalb der Milieuschutzgebiete viele Umwandlungen stattgefunden hätten. „Deshalb ist es ein Pluspunkt, dass nun ganz Berlin unter Schutz gestellt ist.“
Ein Wermutstropfen bleibt aus ihrer Sicht allerdings: „Wir hätten das gerne ausnahmslos verboten, um mehr Klarheit zu haben.“ Unverständlich sei etwa, dass die Regelung für Häuser mit bis zu fünf Wohnungen nicht gelte, sagte Schmidberger.
„Ziel dieser Regelung ist es, Kleineigentümer zu schützen“, heißt es hingegen in der Senatsvorlage von Scheel. Für den Schutz von Privatpersonen mit geringem Immobilienvermögen haben in Berlin vorrangig kleinere Gebäude mit einer geringen Wohnungszahl eine besondere Bedeutung. Zugleich spielen kleinere Gebäude beim berlinweiten Umwandlungsgeschehen eine nur marginale Rolle.
Schmidberger (Grüne): „Es sollte gar keine Umwandlungen mehr geben“
Schmidberger hält dagegen: „Es sollte gar keine Umwandlungen mehr geben. Wer eine Wohnung kaufen will, soll sie sich im Neubau suchen.“ Dennoch sei es wichtig, dass die neue Rechtsverordnung schnellstmöglich komme, damit nicht noch mehr Investoren die aktuelle Rechtslage ausnutzten. „Es geht jetzt um jeden Tag.“
Weniger Ausnahmen und klare Regelungen hätte sich auch der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, gewünscht. „Die Mieter leben unter dem Damoklesschwert, verdrängt zu werden. Dass das gestoppt wird, begrüßen wir sehr.“ Jedoch sei noch unklar, wie genau das Land die Klausel definieren werde, wonach die Genehmigungen weiterhin erteilt werden müssen, wenn zwei von drei Mietern ihre Wohnung selbst kaufen wollen.
Das Bundesgesetz sei in dieser Hinsicht wegen einer Soll-Regelung sehr schwammig. „Es darf nicht nur eine Absichtserklärung der Vermieter ausreichen. Das öffnet sonst Tür und Tor“, forderte Wild. Die Hausbesitzer müssten stattdessen ein Kaufangebot machen und Mieter zugleich ihren Willen zum Erwerb notariell abgeben. Wenn das Land bereit sei, die Latte so hoch zu hängen, könnte die Neuregelung zu einer besseren Situation führen, sagte Wild.
Haus und Grund-Chef: „Regelung läuft dem Ziel zuwider, Wohnungseigentum zu begründen“
Anders sehen es Vertreter der privaten Immobilienwirtschaft. „Die Regelung läuft dem erklärten Ziel zuwider, Wohnungseigentum zu begründen“, sagte Carsten Brückner, Vorsitzender des Eigentümerverbands Haus und Grund Berlin. Die Eigentumsquote sei gerade in der Hauptstadt sehr gering. Durch das Bundesgesetz und die neue Berliner Verordnung werde dies auch künftig so bleiben, da kaum noch neue Eigentumswohnungen auf den Markt kämen.
„Wenn es aus dem Bestand keine weiteren Eigentumswohnungen gibt, dann kommt es zu einer Verknappung und die Preise gehen hoch.“ Für Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen werde es dann noch schwieriger als jetzt schon, sich eine eigene Wohnung zu kaufen, erwartet Brückner: „Es scheint ein absolutes Luxusgut zu werden.“
Ähnlich argumentierte Susanne Klabe, Geschäftsführerin des Landesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). „Ich finde es schwierig, dass man die Eigentumsbildung weiter erschwert.“ Wessen Einkommenssituation sich verbessert habe und in seinem angestammten Kiez nun eine Wohnung kaufen wolle, habe die Möglichkeit künftig nicht mehr.
Klabe kritisierte, dass die neue Regelung berlinweit gelten solle. „Ich finde es schwierig, das über die ganze Stadt auszuweiten, ohne auf die einzelnen Quartiere zu gucken.“ Es gebe Gegenden, denen es gut tun würde, eine veränderte Eigentümerstruktur zu erfahren. Nur so entstünden gemischte Quartiere.
Meister (FDP): Senat tut alles, um Eigentumsbildung zu verhindern
Als „fatales Zeichen“ bezeichnete Sibylle Meister, Sprecherin der FDP-Fraktion für Haushalt und Finanzen, die geplante Berliner Änderung. „Statt endlich zu bauen und zum Beispiel in einem kostengünstigen Mietkaufmodell den Erwerb von günstigen Wohnungen zu ermöglichen, tut der Senat alles, um die Eigentumsbildung zu verhindern.“
Gerade für Familien und junge Menschen mit eher kleinerem Geldbeutel, die gerne in Berlin Eigentum erwerben würden, gehe der Plan „in die völlig falsche Richtung“. Die Preise für Eigentumswohnungen würden massiv ansteigen. Die Chancen, eine Wohnung zur Selbstnutzung zu kaufen und fürs Alter vorzusorgen, seien damit vorbei, sagte Meister. In der Folge würden immer mehr Menschen aus der Hauptstadt nach Brandenburg ziehen. „Das kann für den Berliner Wohnungsmarkt keine Lösung sein, für Berlin selbst erst recht nicht.“
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