Archiv für den Monat: Juni 2022

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:

Berliner Zeitung am 14.06.2022: Landgericht stützt Berliner Mietspiegel 2021
Gut für Mieter und Vermieter: Der Mietspiegel 2021 reicht zur Begründung einer Mieterhöhung aus. Das Urteil sorgt für Klarheit – leider nicht überall in Berlin.
Im Streit um den Berliner Mietspiegel 2021 liegt jetzt ein Urteil des Landgerichts vor, das den Mietspiegel stützt – und Mietern wie Vermietern gleichermaßen nutzt. Die 67. Zivilkammer des Landgerichts entschied bereits am 9. Juni, dass der Mietspiegel 2021 ein „taugliches Begründungsmittel“ für eine Mieterhöhung sei, auch wenn es sich bei dem Werk „um keinen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel“ im Sinne des Gesetzes handeln sollte.
Das Landgericht korrigiert mit dem Urteil eine Entscheidung des Amtsgerichts Spandau vom Januar 2022. Das Spandauer Gericht hatte den Mietspiegel 2021 für nichtig erklärt und das darauf gestützte Mieterhöhungsverlangen eines Vermieters zurückgewiesen.
Spandau sah im Mietspiegel 2021 weder einen qualifizierten Mietspiegel, an den besonders hohe Anforderungen gestellt werden, noch einen einfachen Mietspiegel. Aus Sicht des Gerichts handelte es sich beim Mietspiegel 2021 um eine unzulässige Fortschreibung des Mietspiegels von 2019. Andere Amtsgerichte, darunter jene in Neukölln und Lichtenberg, hatten hingegen festgestellt, dass der Mietspiegel 2021 anwendbar sei.

Mieter hätten Forderungen schwerer kontrollieren können

Wäre das Landgericht der Auffassung der Spandauer Richter gefolgt, hätte dies zumindest für den Zuständigkeitsbereich der 67. Zivilkammer – für Spandau, Mitte, Prenzlauer Berg und Tiergarten – weitreichende Folgen gehabt.
Für Mieter wie für Vermieter wäre dies von Nachteil gewesen. Vermieter hätten Mieterhöhungen dann auf andere Weise begründen müssen, zum Beispiel mit der Benennung von drei Vergleichswohnungen oder einem Sachverständigengutachten, hätten für eine normale Mieterhöhung also einen höheren Aufwand betreiben müssen. Auf der anderen Seite hätte Mietern bei den anderen Mieterhöhungsbegründungen stärkere Forderungen der Vermieter gedroht, die sich zudem schwerer kontrollieren lassen.

Mieter- und Verbraucherschutzbund: Sieg für Mieter und Vermieter

Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV) sieht das Landgerichtsurteil sowohl als „Sieg für die Berliner Mieter als auch für die Vermieter“, wie AMV-Chef Marcel Eupen sagt. „Mieterhöhungsverlangen können weiterhin mit dem Berliner Mietspiegel 2021 begründet werden und sind formwirksam, auch wenn es sich unter Umständen bei diesem weder um einen qualifizierten noch um einen einfachen Mietspiegel handeln sollte“, sagt Eupen. „Es müssen keine teuren Sachverständigengutachten eingeholt werden“, so der AMV-Chef.
Das Landgericht stützt zwar den Mietspiegel 2021, aber nicht uneingeschränkt. So erklärte die 67. Zivilkammer, Zweck der gesetzlichen Begründungspflicht von Mieterhöhungen sei es, „dem Mieter erste Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens zu geben“. Diesen Mindestanforderungen genüge der Mietspiegel 2021 „auf jeden Fall“.
Fast schon kurios: Zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete, aus der sich ein möglicher Mieterhöhungsspielraum ergibt, stützt sich das Landgericht nicht auf den Mietspiegel 2021, sondern auf den Mietspiegel 2019. Es könne dahinstehen, ob der Mietspiegel 2021 für die Ermittlung der ortsüblichen Miete geeignet sei, wenn „eine richterliche Schätzung auf Grundlage eines Vorgängermietspiegels möglich“ sei, führen die Richter dazu aus. Im vorliegenden Fall stuft das Landgericht den Mietspiegel aus dem Jahr 2019 als geeignete Schätzgrundlage ein.

Rechtssicherheit gibt es mit dem Urteil zunächst nur für einen Teil der Mieter

Zum Stichtag des Mietspiegels 2019 am 1. September 2018 habe sich für die Wohnung im vorliegenden Fall eine ortsübliche Miete von 8,03 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche ergeben. Das Mieterhöhungsverlangen des Vermieters, der die Miete auf 7,64 Euro je Quadratmeter anheben wollte, überschreite die ortsübliche Miete damit nicht. Es sei „aufgrund des allgemeinen Preisanstiegs“ davon auszugehen, dass die ortsübliche Miete im Zeitraum vom 1. September 2018 bis zum Zugang des Mieterhöhungsschreibens im Juni 2021 nicht von 8,03 Euro je Quadratmeter auf die vom Vermieter lediglich verlangten 7,64 Euro gesunken sei.
Ob das Vorgehen des Landgerichts der Weisheit letzter Schluss sei, möge dahinstehen, sagt AMV-Chef Marcel Eupen. „Zumindest ist sie ein tauglicher Weg, um die zulässige Nettokaltmiete zu berechnen.“ Mieter, die in Spandau, Mitte, Prenzlauer Berg oder Tiergarten wohnen, das heißt in den Gebieten, für die die Zivilkammer 67 des Landgerichts zuständig ist, haben laut AMV-Chef Eupen zurzeit Rechtssicherheit.
Ob die anderen vier Mietberufungskammern des Landgerichts der Rechtsauffassung der 67. Kammer folgen oder zu einer anderen Rechtsauffassung gelangen, bleibe abzuwarten, sagt AMV-Chef Eupen. „Solange nicht Entscheidungen aller fünf Landgerichtskammern vorliegen, herrscht für alle nicht in Spandau, Mitte, Prenzlauer Berg oder Tiergarten wohnenden Mieter und deren Vermieter weiterhin Rechtsunsicherheit.“

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:

Berliner Zeitung am 17.06.2022 – Nach BGH-Urteil zu Rauchwarnmeldern: Unternehmen lenken ein
Landeseigene Howoge und Degewo wollen Ausgaben für angemietete Geräte nicht mehr auf Betriebskosten umlegen. Eine Frage bleibt aber unbeantwortet.
Die Wohnungsunternehmen Howoge und Degewo lenken ein. Nachdem der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass die Ausgaben für angemietete Rauchwarnmelder nicht auf die Betriebskosten umgelegt werden dürfen, wollen die beiden landeseigenen Gesellschaften ihre bisherige Abrechnungspraxis ändern.
„Die Degewo hält sich natürlich grundsätzlich an geltende Rechtsprechung und hat die Umlage sofort gestoppt“, sagte ein Sprecher der Degewo auf Anfrage der Berliner Zeitung. Und eine Sprecherin der Howoge sagte: „Ab sofort wird keine Umlage der Mietkosten für die Rauchwarnmelder mehr erfolgen.“
Offen ist noch, wie die Unternehmen in Fällen von bereits abgerechneten Betriebskosten verfahren. Zum Beispiel, ob die Unternehmen von sich aus unzulässig kassierte Beträge für die vergangenen Abrechnungsperioden zurückerstatten oder ob die zu viel kassierten Beträge nur an jene Mieter zurückgezahlt werden, die in diesem Punkt Widerspruch gegen die Betriebskostenabrechnung eingelegt haben.
Der Degewo-Sprecher sagte dazu: „Unser Vorgehen zu Rückzahlungen ist noch in der internen Abstimmung.“ Und die Howoge-Sprecherin erklärte: „Hinsichtlich der Rückzahlung der bereits gezahlten Beiträge sowie der zukünftigen Verfahrensweise zur Ausstattung mit Rauchwarnmeldern befinden wir uns derzeit in der Entscheidungsfindung.“

Degewo muss auf rund 800.000 Euro jährlich verzichten

Die Degewo hat die Kosten für Rauchwarnmelder den Angaben zufolge seit 2018 auf die Betriebskosten umgelegt – mit 0,8 bis 1,6 Cent pro Quadratmeter Wohnfläche monatlich. Für alle Wohnungen der Degewo seien dadurch 800.000 Euro pro Jahr eingenommen worden, so der Unternehmenssprecher. Diese würden künftig zum Beispiel für Neubau oder Sanierung nicht mehr zur Verfügung stehen.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden (VIII ZR 379/20), dass die Kosten für die Anmietung von Rauchwarnmeldern „ihrem Wesen nach“ nicht als umlagefähige Betriebskosten einzustufen sind. Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund rief die landeseigenen Unternehmen danach auf, die Kosten an ihre berlinweit betroffenen Mieter zurückzuzahlen.
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/nach-bgh-urteil-zu-rauchwarnmeldern-unternehmen-lenken-ein-li.237163

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:

Berliner Zeitung am 14.06.2022 – Abzocke mit Rauchwarnmeldern: Jetzt hat der Bundesgerichtshof entschieden
Urteil: Ausgaben für angemietete Geräte dürfen nicht als Betriebskosten auf die Mieter umgelegt werden. In Berlin profitieren viele Haushalte.
Mieter können sich freuen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Streit über die Anschaffung von Rauchwarnmeldern entschieden, dass Ausgaben für angemietete Geräte nicht als Betriebskosten auf die Mieter umgelegt werden dürfen (VIII ZR 379/20). Die Entscheidung dürfte allein in Berlin Auswirkungen auf Zehntausende Mieterhaushalte haben, bei denen bisher die Kosten für die Anmietung von Rauchwarnmeldern als Betriebskosten auf die Mieter umgelegt werden.
Der Bundesgerichtshof führte in seiner Entscheidung vom 11. Mai aus, dass die Kosten für die Anmietung von Rauchwarnmeldern „ihrem Wesen nach“ nicht als umlagefähige Betriebskosten einzustufen seien. Betriebskosten seien Kosten, die dem Eigentümer laufend entstehen. Die Kosten für die Anmietung von Rauchwarnmeldern fielen aber ausschließlich dann an, wenn der Vermieter sich dazu entschließe, die Rauchwarnmelder nicht zu erwerben, sondern sie stattdessen anzumieten. Ob der Eigentümer die Geräte erwerbe oder anmiete, stehe allein in seiner Entscheidungsmacht.
Im vorliegenden Fall hatte die Vermieterin in der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2016 einen Betrag in Höhe von 9,74 Euro für die Miete der Rauchwarnmelder berechnet, in einem weiteren Jahr verlangte die Vermieterin 9,88 Euro. Nach der Entscheidung des BGH muss die Mieterin die Beträge nicht bezahlen.

Mieter- und Verbraucherschutzbund begrüßt das Urteil

Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV) begrüßt das BGH-Urteil. „Der Bundesgerichtshof hat in seinem maßgeblichen Urteil überzeugend und nachvollziehbar begründet, warum die Kosten für die Anmietung von Rauchwarnmeldern keine auf die Mieter umlegbaren Betriebskosten sind, da sie den Kos­ten für deren Er­werb gleich­zu­set­zen sind“, sagt AMV-Chef Marcel Eupen. An­schaf­fungs­kos­ten stel­lten selbst keine Be­triebs­kos­ten dar. Die­ser Grund­satz könne nicht da­durch um­gan­gen wer­den, dass der Ver­mie­ter sich an­statt für einen Er­werb der Rauchwarnmelder für deren An­mie­tung ent­schei­de.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs kommt laut AMV-Chef Eupen nicht überraschend, da bereits das Landgericht Berlin mit Urteil vom 8. April 2021 ähnlich entschieden habe. Es urteilte in einem Berufungsverfahren von Mietern aus dem Falkenhagener Feld in Spandau gegen die Deutsche-Wohnen-Tochter GSW, dass die Kosten für die Anmietung von Rauchwarnmeldern keine Betriebskosten seien (67 S 335/20).
Trotz des Landgerichtsurteils herrschte aber bisher in Berlin keine Rechtssicherheit. So stellte die Deutsche Wohnen den Mietern in Spandau in der Betriebskostenabrechnung für 2020, die im Oktober vergangenen Jahres zugestellt wurde, erneut die kompletten Kosten für Anmietung und Wartung der Rauchwarnmelder in Rechnung. Erst auf Widerspruch des AMV zog die Deutsche Wohnen die Forderung zurück ­– „aus Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“, wie das Unternehmen damals erklärte.

Mieterberater fordert freiwillige Erstattung der Kosten

Nicht nur die Deutsche Wohnen, sondern auch zwei landeseigene Wohnungsbaugesellschaften – Degewo und Howoge – stellten die Ausgaben für die Anmietung von Rauchwarnmeldern Mietern als Betriebskosten in Rechnung, wie die Berliner Zeitung Anfang dieses Jahres berichtete. Die Degewo erklärte ihr Verhalten damals mit dem Hinweis, dass die Rechtsprechung zur Umlagefähigkeit der Kosten für Rauchwarnmelder „nicht einheitlich“ sei – und verwies auf ein Urteil des Landgerichts Magdeburg, das die Umlagefähigkeit von Mietkosten für Rauchwarnmelder (Az. 1S 171/11) bestätigt habe. Ähnlich äußerte sich die Howoge.
AMV-Chef Eupen sagt jetzt: „Ich erwarte, dass Vermieter, die bisher die Mietkosten der Rauchwarnmelder gegenüber ihren Mietern abgerechnet haben, nun freiwillig Erstattungen der Kosten der Anmietung der Rauchwarnmelder an ihre berlinweit betroffenen Mieterinnen und Mieter leisten – und zwar seit der Abrechnungsperiode 2020.“ In Zukunft müssten die Unternehmen „davon absehen, mit diesen Kosten über ihre Betriebskostenabrechnungen ihre Mieter zu belasten“, um weitere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
Während bei der Deutsche Wohnen „nur an das soziale Gewissen appelliert“ werden könne, sei bei den landeseigenen Unternehmen „eine Erstattung der zu Unrecht kassierten Beträge für die Anmietung von Rauchwarnmeldern alternativlos, und zwar unaufgefordert“, so Eupen. „Eine Nichterstattung bei Degewo und Howoge wäre ein politisch nicht hinnehmbarer Skandal.“

Deutsche Wohnen deutet Einlenken an

Während von Howoge und Degewo am Montag bis zum Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu erhalten war, deutet die Deutsche Wohnen Einlenken an. „Aufgrund des Gerichtsurteils des BGH werden wir unsere bisherige Praxis hinsichtlich der Abrechnung der Anmietung von Rauchmeldern entsprechend anpassen und bei künftigen Betriebskostenabrechnungen umsetzen“, teilte eine Unternehmenssprecherin mit. „Bis dato war die Rechtsprechung nicht einheitlich. Verschiedene Gerichtsurteile hatten die Umlagefähigkeit bestätigt“, so die Sprecherin.
AMV-Chef Eupen rät: „Mieterinnen und Mieter, die bisher noch keinen Widerspruch gegen ihre Betriebs- und Heizkostenabrechnung aus dem Jahre 2021 für die Abrechnungsperiode 2020 eingelegt haben, sollten, sofern sie die maßgebliche Abrechnung erst nach dem 14. Juni 2021 erhalten haben, umgehend Widerspruch einlegen.“ Darin sollten die Mieter ausdrücklich rügen, dass die Kosten für die Anmietung der Rauchwarnmelder als Anschaffungskosten keine umlegbaren Betriebskosten sind und von daher erstattet werden müssen. „Sie sollten darüber hinaus unverzüglich rechtliche Hilfe bei einem Mieterverein in Anspruch nehmen“, so Eupen. Generell empfehle der AMV allen Mietern, ihre jährliche Betriebs- und Heizkostenabrechnung durch einen Mieterverein überprüfen zu lassen. Dafür haben sie zwölf Monate nach Erhalt der Abrechnung Zeit.