Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Ist der Vermieter im Falle der Vortäuschung von (Eigen-)Bedarf auch bei einem Räumungsvergleich dem Mieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet?

Die Antwort des Bundesgerichtshofs (BGH – VIII ZR 99/14, Urteil vom 10.06.2015) lautet: Ja, es sei denn, dass ein Verzichtswille vorlag!

Zur Begründung führt der BGH in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. a) und b) bb), Randnummern 15 und 19, wie folgt aus: “Auch hat das Berufungsgericht – im Ansatzpunkt zutreffend – angenommen, dass die Frage, ob ein Räumungsvergleich den Zurechnungszusammenhang zwischen der Vortäuschung einer (Eigen-)Bedarfssituation und dem später vom Mieter geltend gemachten Schaden unterbricht, im Wege der Auslegung des Vergleichs und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls danach zu beurteilen ist, ob die Parteien durch gegenseitiges Nachgeben auch den Streit darüber beilegen wollten, ob die (Eigen-)Bedarfslage des Vermieters bestand oder nur vorgetäuscht war. Nur dann, wenn mit dem Vergleich auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen eines nur vorgetäuschten Bedarfs abgegolten werden sollten, fehlt es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang (vgl. OLG Frankfurt am Main [Rechtsentscheid], NJW-RR 1995, 145, 146; vgl. auch Senatsbeschluss vom 7. September 2011 – VIII ZR 343/10, aaO; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl., § 573 BGB Rn. 81).

bb) Das Berufungsgericht hat dem Vergleich somit einen stillschweigenden Verzicht auf Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschten Bedarfs entnommen. Dabei hat es rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass an das Vorliegen des Willens einer Partei, auf Ansprüche zu verzichten, strenge Anforderungen zu stellen sind und der Verzichtswille – auch unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände – unmissverständlich sein muss (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 21. November 2006 – VI ZR 76/06, NJW 2007, 368 Rn. 9; vom 26. Oktober 2009 – II ZR 222/08, NJW 2010, 64 Rn. 18; vom 18. September 2012 – II ZR 178/10, WM 2012, 2231 Rn. 22; vom 22. April 2015 – IV ZR 504/14, Rn. 15; jeweils mwN). Sofern – wie hier – ein stillschweigender Verzicht zu prüfen ist, bedarf es regelmäßig bedeutsamer Umstände, die auf einen solchen Verzichtswillen schließen lassen (vgl. Senatsurteile vom 11. Oktober 2000 – VIII ZR 276/99, Rn. 18; vom 20. September 2006 –VIII ZR 100/05, WM 2007, 177 Rn. 22; BGH, Beschluss vom 19. September 2006 – X ZR 49/05, Rn. 27; jeweils mwN). Derartige Umstände können bei einem Räumungsvergleich etwa darin liegen, dass sich der Vermieter zu einer substantiellen Gegenleistung verpflichtet. So kann im Einzelfall in der Zahlung einer namhaften Abstandszahlung oder einem Verzicht auf Schönheitsreparaturen der Wille der Parteien entnommen werden, dass damit auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs abgegolten sein sollen (vgl. OLG Frankfurt am Main, aaO; OLG Celle, OLGR 1995, 4 f.; Erman/Lützenkirchen, BGB, 14. Aufl., § 573 Rn. 57; Gramlich, Mietrecht, 12. Aufl., § 573BGB unter 8; aA wohl Staudinger/Rolfs, aaO mwN). Dies mag insbesondere dann in Betracht kommen, wenn eine solche Einigung in einer Situation erheblicher Unsicherheit für beide Parteien erfolgt, also etwa in der ersten Instanz vor Durchführung einer sonst erforderlichen umfangreichen Beweisaufnahme.”