Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Kann die Gefahr des Befalls und der Befall mit Kakerlaken für sich genommen einen Kündigungsgrund für eine fristgemäße Kündigung, darstellen?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 148/15, Beschluss vom 24.06.2015) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das LG Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist durch die Kündigung vom 22.05.2014 nicht beendet worden.

Die Verschmutzungen der Wohnung, ebenso wie Unordnung allein rechtfertigen in dem hier dargelegten Umfang noch keine Beendigung des Mietverhältnisses, da dadurch weder eine Störung des Hausfriedens noch eine substanzielle Schädigung der Mietsache noch eine besondere Gefährdungssituation heraufbeschworen wurde. Die zur Illustration seitens der Klägerin vorgelegten Fotografien weisen zwar einen gewissen starken Grad der Verschmutzung – auch durch menschliche Exkremente – und im Übrigen Unordnung in der Wohnung aus, eine Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigt dies indessen noch nicht.

Die Gefahr des Befalls und der Befall mit Kakerlaken ist auch bei regelmäßiger Reinigung der Wohnung und Einhaltung grundlegender hygienischer Verhaltensregeln und regelmäßiger Reinigung – insbesondere in Mehrfamilienhäusern mit Verbindungen durch Installationsstränge bzw. Schächte – nicht auszuschließen und kann deshalb für sich genommen keinen Kündigungsgrund, auch nicht für eine fristgemäße Kündigung, darstellen. Die in der Berufung zitierte Entscheidung des AG Hamburg-Harburg (ZMR 2011, 644) war deshalb auch darauf gestützt, dass der Mieter Beratungs- und Hilfsangebote, die zum Teil bereits ein Jahr zuvor erfolgten, nicht annahm und den damit ersichtlich erheblich länger währenden Versuchen, den vorhandenen Missstand in der Wohnung abzustellen, widerstand. Anders liegt der Fall hier. Die Beklagten haben zwar in der relativ kurzen Frist zwischen dem 08.05. und dem 19.05.2014 den Forderungen der Klägerin nur unzureichend Folge geleistet. Sie haben sich aber um weitere Hilfe bemüht, die dazu geführt hat, dass inzwischen dauernd Abhilfe geschaffen worden ist.

Von der Wohnung im fraglichen Zeitraum ausgehende Geruchsbelästigungen konnten weder eine fristlose noch eine fristgemäße Kündigung rechtfertigen.

Nicht mehr hinzunehmende starke Beeinträchtigungen der anderen Mieter des Wohnhauses über eine gewisse Dauer, die eine Beendigung des Mietverhältnisses gemäß § 543 Abs. 1 und 2 Nr. 1 bzw. § 573 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB rechtfertigten, hat die Klägerin nicht bewiesen. Das Amtsgericht hat nach der umfänglichen Beweisaufnahme die von den Beklagten im fraglichen Zeitraum ausgehenden Geruchsbelästigungen als jedenfalls nicht so schwerwiegend und eine Kündigung rechtfertigend erachtet. Die gegen die Beweiswürdigung des Amtsgerichts gerichteten Angriffe der Berufung sind nicht erheblich. Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob es eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für unwahr erachtet. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters (BGH vom 14.01.1993 -IX ZR 238/91 – NJW 1993, 935, 937). An dessen Feststellungen ist das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 ZPO gebunden. Es kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot aus § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH vom 11.02.1987 – IVb ZR 23/86 – NJW 1987, 1557, 1558). Im angefochtenen Urteil sind die Gründe, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind, ausreichend angegeben, § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO, denn daraus ergibt sich, dass eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (vgl. dazu BAG vom 23.09.1976 -2 AZR 263/75 – JZ 1977, 565, 567 m. w. N.).

Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Tatrichter nach § 286 ZPO ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen hat, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Dabei darf das Gericht einem Zeugen mehr glauben als einem anderen. Auch wird eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht vorausgesetzt. Vielmehr darf und muss sich das Gericht in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH vom 14.01.1993 – IX ZR 238/91- NJW 1993, 935, 937). Gemessen an diesen Maßstäben ist das amtsgerichtliche Urteil ungeachtet der Angriffe der Berufung nicht zu beanstanden.

Die Wahrnehmungen der als Zeugen vernommenen Mitarbeiter der klägerischen Hausverwaltung hat das Amtsgericht zu Recht für die Frage, ob der Hausfrieden durch die Gerüche aus der Wohnung der Beklagten erheblich gestört wurde, nicht entscheidend zugrunde gelegt. Denn die Geruchsbelästigungen stellen nur dann einen Kündigungsgrund dar, wenn sie die anderen Mieter des Hauses erheblich stören. Insoweit ergibt sich nichts anderes als bei Lärmbelästigungen durch einen Mieter. Der einzige Mieter des Hauses, der eine ihn teils unerträglich störende Belästigung durch Gerüche aus der Wohnung der Beklagten, vor allem über das geöffnete Fenster, bekundet hatte, hat sich selbst als sehr geruchsempfindlich bezeichnet. Bei dieser Selbsteinschätzung ist es hinzunehmen, wenn das Amtsgericht seine Entscheidungsfindung im Wesentlichen auf die Bekundungen der übrigen vernommenen Mieter des Hauses stützt. Denn maßgeblich für die Bewertung, ob nicht mehr hinzunehmende Geruchsbelästigungen vorliegen ist die Bewertung durch die durchschnittlich empfindlichen Mieter. Hier haben die übrigen Mieter vergleichbare Beeinträchtigungen nicht bekundet. Ein markanter Geruch (“nach alten Menschen” – Zeuge … bzw. “unsauber und nach Rauch” – Zeugin …. ), der von der Wohnung der Beklagten bei geöffneter Wohnungstür ausging, genügt für eine Kündigung, sei es auch nur eine fristgemäße, nicht.”