Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Kann mit einem allein gegen den Mieter gerichteten Räumungstitel auch dann gegen die erwachsenen Kinder vollstreckt werden, wenn diese mit dem Mieter zusammenleben, über ein eigenes Einkommen verfügen und sich wirtschaftlich an der Miete beteiligen?

Die Antwort des Amtsgerichts Hofgeismar (AG Hofgeismar – 40 C 243/15, Urteil vom 18.06.2015) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das AG  Hofgeismar in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Eine Einstweilige Verfügung kann nicht erlassen werden. Die Voraussetzungen des § 940 a ZPO für die Anordnung der Räumung von Wohnraum im Wege einstweiliger Verfügung liegen nicht vor. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift, kann, wenn gegen den Mieter ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt, durch einstweilige Verfügung auch gegen einen Dritten die Räumung angeordnet werden, wenn dieser im Besitz der Mietsache ist, und der Vermieter vom Besitzerwerb des Dritten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hat. Die Verfügungsbeklagte zu 5) ist bereits nicht Dritte, denn der Titel (Räumungsvergleich) richtet sich unmittelbar gegen sie. Die weiteren Verfügungsbeklagten und auch die minderjährigen Kinder der Verfügungsbeklagten zu 5) sind nicht Besitzer, denn es handelt sich bei ihnen um Kinder der Mieterin, und diese sind nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig nicht als Besitzer einzustufen. Darauf, ob sie minderjährig sind oder nicht, oder ob sie über eigenes Einkommen verfügen, kommt es für den Besitz nicht an (vgl. Zöller-Stöber, 30. Auflage 2014, § 885 ZPO, Rn. 7; Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 940 a ZPO, Rn. 5; Schmidt-Futter-Streyl, 11. Aufl. 2013, § 940 a ZPO, Rn. 22, jeweils mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Nur in Ausnahmefällen sind volljährige Kinder als Besitzer anzusehen. Das kommt etwa in Betracht, wenn sie innerhalb der Wohnung in einem abgeschlossenen Lebensbereich leben, einen eigenen Hausstand begründet haben oder Miete zahlen (vgl. Zöller, a.a.O.). Demgegenüber leben die Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) im Haushalt der Verfügungsbeklagten zu 5). Dass sie sich innerhalb der Familie finanziell an der Miete beteiligen, begründet keinen Besitz. Sie leben sämtlich von SGB II – Leistungen, die unter Berücksichtigung ihres Wohnbedarfs bemessen sind, und kommen entsprechend des vom Jobcenter berechneten Wohnbedarfsanteils innerhalb der Familie für einen Teil der monatlich aufzubringenden Nutzungsentschädigung auf. Dadurch wird keine Sachherrschaft an der Wohnung begründet. Ihre Situation unterscheidet sich insofern nicht wesentlich von derjenigen z.B. eines minderjährigen Auszubildenden, der einen Teil seines monatlichen Einkommens für seine Wohn- und Verpflegungskosten an die Eltern abführt. Eine Miete, also einen vertraglich vereinbarten Betrag für die Überlassung von Wohnraum, zahlen die Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) gerade nicht.

Für den Antrag auf einstweilige Verfügung besteht kein Rechtsschutzbedürfnis. Da die Verfügungsbeklagten zu 1) bis 4) nicht Besitzer sind, kann die Verfügungsklägerin gegen sie, soweit sie noch in dem Haus wohnen, ohne weiteres aus dem Räumungsvergleich vollstrecken. Sofern das Vollstreckungsorgan entgegen der Rechtslage nicht tätig wird, besteht die Möglichkeit der Erinnerung (§ 766 ZPO).”