Aus der Rubrik “Wissenswertes”:   

Hat ein Mieter ein Zurückbehaltungsrecht und wird eine etwaige Nachzahlungspflicht nicht fällig, wenn sein Vermieter eine ordnungsgemäße Belegeinsicht verweigert?         

Die Antwort des Landgerichts Kempten (LG Kempten – 53 S 740/16, Urteil vom 16.11.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Kempten in seiner vorgenannten Entscheidung unter B. I. 2. b) wie folgt aus: “Nachdem die Klägerin erstinstanzlich weder bereit war Einsicht in die Originalbelege zu gewähren, noch die Belege in der erforderlichen geordneten Form (vgl. Schmidt-Futterer Mietrecht 2015 § 556 BGB Rdnr. 484; Blank/Börstinghaus § 556 BGB Rdnr. 187; Spielbauer Mietrecht § 556 BGB Rdnr. 495; LG Düsseldorf WuM 2002, 32) präsentiert wurden, war die Klage hinsichtlich der Nebenkostennachforderung für das Jahr 2013 mangels Fälligkeit abzuweisen.

Der Mieter kann gegenüber der Nachforderung des Vermieters ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB geltend machen, solange der Vermieter ihm die Überprüfung nicht in der gebotenen Weise ermöglicht (BGH vom 08.03.2006, VIII ZR 78/05).

Welche Rechtsfolgen die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts (§ 273 Abs. 1 BGB) im Falle der Verweigerung der ordnungsgemäßen Belegeinsicht nach sich zieht, ist umstritten (zum Meinungsstand vgl. Langenberg Betriebskosten- und Heizkostenrecht 2016, Kapitel J Rdnr. 76 ff.; Beck OK § 556 BGB Rdnr. 70).

Die Kammer folgt der Rechtsmeinung, wonach das Zahlungsverlangen des Vermieters unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung als ein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu werten ist, mit der Folge, dass eine Zug- um Zug-Verurteilung, wie sie in § 274 BGB für die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts vorgesehen ist, ausscheidet und die Fälligkeit des Nachzahlungsanspruchs verneint wird (KG Berlin GE 2012, 689; LG Bremen WuM 2013, 488 ff.; LG Hannover ZMR 2010, 450; LG Düsseldorf vom 19.03.1998, Az.: 21 S 600/97; Langenberg Betriebskosten- und Heizkostenrecht 2016, Kapitel J Rdnr. 77; Spielbauer Mietrecht § 556 BGB Rdnr. 510 ff.; Beck OK § 556 BGB Rdnr. 70).

Dem liegt zugrunde, dass die Pflicht zur Gewährung der Einsicht der Pflicht des Mieters im Nebenkostensaldo auszugleichen vorgeht, sodass der Vermieter mit der Verweigerung der Belegeinsicht eine vertragliche Nebenpflicht verletzt.

Im Falle einer Zug- um Zug-Verurteilung wäre der Mieter verpflichtet, nach Einsicht in die Belege die Nachforderung zu bezahlen.

Im Grunde hätte er daher sogleich nach Einsicht und damit gegebenenfalls vor der Überprüfung des Ergebnisses der Einsicht die Zahlung zu leisten.

Ein gewisser Ausweg für den Mieter wäre die Zahlung unter dem Vorbehalt der weiteren Prüfung. Dieser Weg ist indes nicht zufriedenstellend, weil er den Mieter dazu zwingen würde, bei berechtigten Beanstandungen Klage auf Rückzahlung des gesamten oder eines Teils des Betrages zu erheben. Er käme damit in die Aktivrolle eines Prozesses, den anzustrengen primär die Sache des Vermieters ist, weil die Vorlage und Kontrolle der Belege sowie die Prüfung der neuen Abrechnung der Pflicht zur Erfüllung des etwaigen Zahlungsanspruches voran zu stellen ist (vgl. Langenberg Betriebskosten- und Heizkostenrecht 2016 a.a.O.).”