Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Ist es Mietern zumutbar, täglich mehr als sechs Stoßlüftungsvorgänge vorzunehmen?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 400/15, Urteil vom 15.04.2016) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. A. 2. 2.1. wie folgt aus: “Der Kläger hat den zuerkannten Instandsetzungsanspruch gemäß §§ 535 Abs. 1, 536 BGB. Die Wohnung ist bezüglich der unter Ziffer 1. aufgeführten Mängel nicht vertragsgerecht. Dabei ist nicht maßgeblich, dass der vom Sachverständigen als ursächlich angesehene besonders luftdichte Zustand der Kunststoffisolierglasfenster dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der Errichtung und Bezugsfertigkeit der Wohnung entsprach. Eine an diversen Stellen schimmelbehaftete Wohnung ist nicht mangelfrei. Der Kläger ist mit dem Instandsetzungsanspruch ebenso wie mit einer Mietminderung nicht ausgeschlossen. Insbesondere ist dem Kläger nicht vorzuwerfen, dass er selbst und seine Familie durch nicht vertragsgemäße Nutzung der Wohnung die Schimmelschäden verursacht hätten. Ein sorgloses, leichtfertiges Verhalten in Bezug auf die erforderliche Belüftung der Wohnung zum Abtransport der Luftfeuchtigkeit kann dem Kläger und seiner Familie nicht vorgehalten werden. Allein durch die Übergabe eines Merkblatts zum richtigen Heizen und Lüften der Wohnung im Zusammenhang mit dem Mietvertragsabschluss befreit die Beklagte nicht von ihrer Gewährleistungspflicht. Nach dem eingeholten Gutachten und den ergänzenden Stellungnahmen des Sachständigen … steht auch zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass die Wohnung infolge der ausgesprochen dichten Kunststofffenster dadurch ausgezeichnet ist, dass der erforderliche Luftaustausch zum Abtransport der beim Wohnen eingebrachten Feuchtigkeit ausschließlich durch das Lüftungsverhalten der Nutzer erfolgen kann. Bei der von dem Kläger mit seiner Ehefrau und den drei Töchtern bewohnten Wohnung führt das zu einem Lüftungsaufwand, der von einem Mieter weder als üblich vorhergesehen werden noch dann auch verlangt werden kann. Es ist dem Amtsgericht in seiner Bewertung zu folgen, dass nur täglich mehr als 6 Lüftungsvorgänge (Stoßlüftungen durch vollständig geöffnete Fenster) zu einer sicheren Verhinderung von Schimmelbefall führen. Zwar macht die Beklagte zu Recht darauf aufmerksam, dass die Ausführungen des Sachverständigen zu den Folgen des Duschens der Familienmitglieder für den Lüftungsaufwand nur auf einer Simulation, also einer Annahme typischer Umstände beruhen. Zu berücksichtigen ist aber, dass zum Wohnen nicht nur das Duschen, sondern auch das Kochen, Wäschewaschen und -trocknen gehört, ebenso die in der Wohnung lebenden Personen natürlicher Weise durch die Atmung und das Schwitzen die Luftfeuchtigkeit erhöhen. Diese Aspekte und den dadurch gegebenen üblichen Feuchtigkeitseintrag hat der Sachverständige gar nicht gesondert berücksichtigt, sondern seine Ausführungen beschränkten sich allein auf das Duschen der Familie.

Außerdem gibt es einen gewissen Feuchtigkeitseintrag durch das Wäschetrocknen auch in Abwesenheitszeiten, so dass die Überlegung der Beklagten, dass bei bzw. nach Abwesenheit der Bewohner nicht gelüftet werden müsse, in dieser Allgemeinheit nicht zutrifft. Wenn gegebenenfalls auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass täglich alle 5 Bewohner der Wohnung duschen und ggf. auch nicht so intensiv, wie es der Sachverständige für die Ermittlung des Feuchtigkeitseintrags pro Dusche unterstellt haben mag, so ergibt sich jedoch durch die weitere Wohnnutzung nach der Überzeugung des Berufungsgerichts in jedem Fall ein Feuchtigkeitseintrag in der unterstellten Größenordnung mit der Folge, dass im Bad, aber auch in den übrigen Bereichen der Wohnung, erheblich öfter als in der Rechtsprechung noch als zumutbar angesehen gelüftet werden muss und das gesamte Wohnverhalten den Lüftungsanforderungen unterzuordnen wäre, um den Gegebenheiten, die beim Bewohnen durch 5 Erwachsene in der Wohnung entstehen, ausreichend Rechnung zu tragen.

Es kann dem Kläger auch nicht vorgehalten werden, dass die Wohnung etwa durch eine Überzahl von Personen überbelegt sei und allein dieser Umstand ihm zuzurechnen sei. Die 4-ZimmerWohnung ist mit 5 Personen nicht überbelegt. Zudem bestand die Familie des Klägers bereits bei Anmietung per November 2009 aus 5 Personen. Der Argumentation der Beklagten, die in Bezug auf die vom Landgericht Frankfurt (Urteil vom 16.01.2015 – 2-17 S 51/14) als angemessen angesehenen 3-4-maligen Stoßlüftungen seien mit der Anzahl der in der Wohnung wohnenden Personen multipliziert noch zuzumuten, ist nicht zu folgen. Nicht die Anzahl der Personen ist für die Zumutbarkeit maßgeblich, sondern die Häufigkeit des Lüftens, die bei der hier gegebenen Häufigkeit nicht nur erheblichen Einfluss auf den Tagesablauf und das Leben in der Wohnung hätte, sondern diesen maßgeblich bestimmte. Die Mangelbeseitigung macht auch die in Ziff. 2 des Urteilstenors aufgeführten Arbeiten erforderlich.”