Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Greift eine Videoüberwachung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Mieters in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung ein?

Die Antwort des Amtsgerichts Detmold (AG Detmold – 7 C 429/17, Urteil vom 01.03.2018) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Detmold in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Die Klage ist zulässig und im Wesentlichen begründet.

1. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Entfernung der im Bereich des Gartentores und auf den Eingangsbereich gerichteten Kamera gemäß §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB.

Der Kläger ist durch die Anbringung der Kamera in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

Eine Videoüberwachung greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung ein; dieses Recht umfasst die Befugnis des einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen. (BGH, Urteil vom 16.03.2010, VIZR 176/09).

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Kamera zumindest teilweise die Zuwegung zum Hauseingang erfasst. Soweit der Beklagte ein besonderes Sicherungsbedürfnis seinerseits damit begründet, dass Baumaterial auf seinem Grundstück gestohlen worden sei, reicht es zu dieser Gefahr aus, eine Kamera zu installieren, die allein den Lagerungsort überwacht. Demnach steht fest, dass in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen wird.

Soweit der Beklagte einwendet, dass der Kläger nicht nachweisen könne, dass es sich um eine funktionstüchtige Kamera und nicht nur um eine Attrappe handele, ist dies vorliegend unerheblich. Der Bundesgerichtshof hat in der oben genannten Entscheidung ausgeführt, dass ein Unterlassungsanspruch auch dann bestehen kann, wenn Dritte eine Überwachung durch Überwachungskameras objektiv ernsthaft befürchten müssen (Überwachungsdruck). Vorliegend ist der Beklagte nicht bereit, gegenüber dem Kläger zu versichern, ob es sich bei der installierten Kamera lediglich um eine Attrappe oder um ein zur Bildaufzeichnung geeignetes Gerät handelt. Allein hierdurch entsteht ein Überwachungsdruck auf den Kläger. Der Beklagte hätte es in der Hand gehabt, diesen durch eine aufrichtige Erklärung gegenüber dem Kläger zu beseitigen. Letztendlich kann die Frage, ob ein Überwachungsdruck bereits durch eine Kameraattrappe einen Beseitigungsanspruch begründet, dahingestellt bleiben, da es gemäß § 138Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt, dass es sich um eine funktionstüchtige Kamera handelt. Nach § 138 Abs. 2 ZPO hat sich nämlich jede Partei über die von den Gegnern behaupteten Tatsachen zu erklären. Dies hat der Beklagte aber ausdrücklich nicht getan. Er hat nämlich auf die ausdrückliche Frage des Gerichtes, ob es sich um eine echte Kamera oder Kameraattrappe handele, angegeben, dass er zu einer entsprechenden Erklärung gegenüber dem Kläger nicht bereit sei.

Gegen den Beseitigungsanspruch spricht auch nicht der Umstand, dass die Kamera im Bereich des Gartentores bereits bei Einzug des Klägers installiert gewesen sein soll. Es ist nachvollziehbar, dass der stark sehbehinderte Kläger, der dem Gericht mit seinem weißen Blindenhund aus dem Stadtbild bekannt ist, diese bei seinem Einzug nicht gesehen hat. Aber selbst dann, wenn die Kamera für den Kläger sichtbar gewesen sein sollte, hätte es einer besonderen Aufklärung durch den Beklagten als Vermieter bedurft.

Schließlich ist der Einwand des Beklagten, dass das Mietverhältnis bereits durch seine Kündigung zum 31.10.2017 beendigt worden sei, belanglos. Solange der Kläger in dem Wohnhaus des Beklagten wohnt, sei es berechtigt oder unberechtigt, hat er dessen Persönlichkeitsrecht zu akzeptieren.

2. Darüber hinaus ist das Begehren des Klägers, dass es der Beklagte unterlässt, zukünftig im Bereich des Grundstücks Überwachungskameras oder entsprechende zu Bildaufzeichnung geeignete Anlagen zu errichten, gemäß §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB berechtigt.

Aufgrund der unter Ziffer 1) festgestellten Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Klägers durch die Installation einer Überwachungskamera durch den Beklagten ist davon auszugehen, dass eine Wiederholungsgefahr bzw. die Gefahr der Fortsetzung der Schädigung besteht. Der Beklagte hat sich nämlich vehement geweigert, zum einen die Kamera zu entfernen und zum anderen anzugeben, ob es sich um eine echte Überwachungskamera oder lediglich um eine Kameraattrappe handelt.

Allerdings ist im Hinblick auf die oben angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes das Unterlassungsbegehren nur im Hinblick auf funktionstüchtige Überwachungskameras auszusprechen. Die Zulässigkeit der Installation einer bloßen Kameraattrappe hängt nämlich von nicht vorhersehbaren Umständen in der Zukunft ab. Diesbezüglich liegt ein hälftiges Teilunterliegen des Klägers vor.

3. Hinsichtlich des Unterlassungsanspruches werden gemäß § 890 ZPO bereits im Urteil die in Betracht kommenden Zwangsmittel gegen den Beklagten angedroht.”