Aus der Rubrik “Mietenpolitik”:

DER TAGESSPIEGEL am 04.12.2019: Verstößt Berliner Gesetz gegen Verfassung?
Bundesinnenministerium stellt Mietendeckel vernichtendes Gutachten ausAls Verfassungsressort überwacht das Bundesinnenministerium, ob Gesetze mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Das Ergebnis beim Mietendeckel ist eindeutig.

Das Bundesinnenministerium hält den von der rot-rot-grünen Koalition geplanten Mietendeckel für grundgesetzwidrig. Das geht aus einem 13-seitigen Gutachten des Ministeriums hervor. Demnach verstößt der vom Senat beschlossene Entwurf, der noch durch das Abgeordnetenhaus muss, in mehreren Punkten gegen das Grundgesetz.

Als sogenanntes Verfassungsressort ist das Bundesinnenministerium für die Einhaltung der Rechtsordnung zuständig und prüft daraufhin bereits Entwürfe in Gesetzgebungsverfahren.

Der Gesetzentwurf greife in die vom Grundgesetz geschützte Eigentumsfreiheit der Wohnungseigentümer und ihre Vertragsfreiheit ein. Zwar liege der gesetzgeberische Zweck, durch die Begrenzung der Miethöhe der Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen entgegenzuwirken, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes im öffentlichen Interesse, die Verhinderung der Gentrifizierung sei nämlich ein Gemeinwohlbelang. Und das Gesetz dürfte nach Ansicht das Ministeriums auch geeignet und erforderlich sein, diesen Zweck zu erreichen.

Doch problematisch sei die Zumutbarkeit: Ob die im Grundgesetz geschützten Interessen der Eigentümer derart weit in den Hintergrund gestellt werden dürfen, wie es der Berliner Gesetzentwurf vorsieht, sei zweifelhaft. Ein weiteres Problem: Vom Mietenstopp würden unterschiedslos alle Vermieter erfasst, auch solche, die bislang nur geringe Mieten verlangt haben. Dies ist nach dem Gleichheitsgrundsatz problematisch.

Innenministerium: Zumutbarkeit sei problematisch

Ein weiteres Problem aus Sicht des Ministeriums: Die Mietobergrenze versetze die zulässige Miete auf den Stand des Mietspiegels von 2013, der auf auf den Mieten der Jahre 2008-2012 basiere. Die seit dieser Zeit gestiegenen Preise – im Baugewerbe für Instandhaltung sowie sonstige für das Grundeigentum typische Kosten – blieben im Gesetz unberücksichtigt.

Auch deshalb erscheine die Kappung zu hoher Bestandsmieten („Wuchermiete“) problematisch. Bezugspunkt sei hier erneut die 2013 ortsübliche Miete. Ob 120 Prozent der 2013 ortsüblichen Miete bereits als Grenze zur „Wuchermiete“ angesehen werden kann, sei ebenfalls zweifelhaft.

Daneben fehle es an einer gesetzlichen Absicherung für Eigentümer, um eine „verfassungswidrige Substanzverletzung“ auszuschließen, wenn Eigentümer und Vermieter erhebliche Investitionen wie energetische Sanierung getätigt haben. Eine Abmilderung sei lediglich über eine Härtefallklausel möglich.

Zudem sei durch den Gesetzentwurf selbst nicht abgesichert, „dass durch die Vermietung auch ein Ertrag, der zur finanziellen Grundlage für die eigene Lebensgestaltung beiträgt, erwirtschaftet werden kann“.

Grundsätzlich befindet das Bundesinnenministerium, dass das Land Berlin gar nicht berechtigt sei, ein solches Gesetz zum Mietendeckel zu erlassen. Der Bund habe mit der Regelung des Mietpreisrechts auf dem freien Wohnungsmarkt von seiner Kompetenz abschließend Gebrauch gemacht – etwa mit der Mietpreisbremse in Regionen mit besonders angespanntem Wohnungsmarkt.

Demnach darf die Miete in diesen Gebieten zu Beginn des Mietvertrags die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10 Prozent übersteigen. „Die Mietpreisbegrenzung wurde damit durch den Bund umfassend und abschließend geregelt“, heißt es in dem Gutachten. Eine Gesetzgebungskompetenz der Länder sei daher gesperrt.

Der Berliner Mietendeckel würde durch eine „auf Spezialzuständigkeiten gründende“ Einzelentscheidung die bundesrechtlichen Regelungen zur Mietpreisbremse verfälschen. Vermieter würden damit in ihren im Bundesrecht festgelegten Rechten eingeschränkt. „Dies wäre ein Verstoß gegen die bundesstaatliche Kompetenzordnung, die alle rechtsetzenden Organe dazu verpflichtet, ihre Regelungen so aufeinander abzustimmen, dass die Rechtsordnung nicht aufgrund unterschiedlicher Anordnungen widersprüchlich wird“, heißt es in dem Gutachten.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/verstoesst-berliner-gesetz-gegen-verfassung-bundesinnenministerium-stellt-mietendeckel-vernichtendes-gutachten-aus/25298328.html