Berliner Zeitung am 13.05.2020: Neue Studie – Wem gehört Berlin?
Undurchsichtige Firmen beherrschen den Berliner Immobilienmarkt. Ein Transparenz-Register ist wirkungslos. Vieles bleibt in der Anonymität.
Wem gehört Berlin? Nur mit sehr großem Rechercheaufwand ist hier eine Annäherung möglich, und das beschreibt schon das Problem: Es herrscht ein flächendeckendes und mittels komplexer Firmengeflechte konstruiertes Unwissen bei diesem Thema. Dabei wäre Transparenz angesichts enormer Kapitalflüsse in den Berliner Immobiliensektor dringend nötig, wie eineneue Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung analysiert.
Die Finanzexperten Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit und Markus Henn von der NGO Weed machten sich im Auftrag der Stiftung dafür auf die Recherche und untersuchten anhand von über 400 Gesellschaften, wie groß das Problem anonymer Eigentümerstrukturen in Berlin ist. Die Studie untersucht diese Gesellschaften erstmals systematisch und anhand von Grundbüchern und Informationen aus Handelsregistern.
Sie kommen zu dem Fazit, dass „das 2017 eingeführte Transparenzregister, das eigentlich für mehr Transparenz bei den Eigentümerstrukturen sorgen sollte, seinen Namen (noch) nicht verdient.“
Am häufigsten – bei 223 von 433 – handelt es sich um Eigentümer, die direkt oder indirekt über eine in Berlin oder Deutschland eingetragene Gesellschaft Immobilien besitzen. Typisch sind hier Einzelpersonen und Familien, die ihre Immobilien über eine Berliner Objektgesellschaft halten und die beim Amtsgericht einsehbar sind.
Ausländische Gesellschaften, die direkt Berliner Immobilien halten, machen 76 von 433 Fällen aus. Aber: „Insgesamt bleiben die finalen wirtschaftlich Berechtigten in fast jedem dritten Fall in den bestehenden Registern nicht ermittelbar“, heißt es in der Studie. 135 von 433 Berliner Immobilien stecken nämlich in anonymen Gesellschaften.
Es war hier also trotz erheblicher Expertise nicht möglich herauszufinden, wer tatsächlicher Eigentümer ist. „Diese Gesellschaften bleiben also weiterhin anonym und verstoßen dabei in vielen Fällen gegen das 2017 erlassene Gesetz“, schreiben die Autoren.
Bei 83 von 111 fehlt der verpflichtende Eintrag ins Transparenzregister. Nur in sieben Fällen war auch tatsächlich der wirtschaftliche Berechtigter – also der tatsächliche Eigentümer und keine anonyme Briefkastenfirma oder Treuhänder – im Transparenzregister eingetragen. Der Berliner Immobilienmarkt ist und bleibt eine Black Box. In nur vier Ländern Europas existieren Schlupflöcher, die es mit juristischen Kniffen gestatten, die Transparenzpflichten zu umgehen – Deutschland ist eines davon, so die Autoren.
„Anders als in Deutschland gelangt man in Großbritannien, Dänemark, Malta oder Luxemburg ohne lange Umwege, Wartezeiten und umständliche Registrierung mit wenigen Klicks zum Ergebnis – und das auch noch kostenlos“.
Dabei sollte eigentlich etwas ganz anderes gelten: Laut Artikel 3 Absatz 1 des deutschen Geldwäschegesetzes müssten im Transparenzregister Folgendes eingetragen sein: „die natürliche Person, in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle der Vertragspartner letztlich steht, oder die natürliche Person, auf deren Veranlassung eine Transaktion letztlich durchgeführt oder eine Geschäftsbeziehung letztlich begründet wird.“
Die Sanktionen jedoch, die Milliarden schwere Gesellschaften befürchten müssen, wenn sie sich über die Regeln hinweg setzen, lassen sich leicht verkraften: Laut einer Anfrage der Linken im Bundestag wurden bis Ende Juni 2018 1200 Verwarnungen mit einem Verwarnungsgeld von insgesamt 60.000 Euro ausgesprochen und 51 Bußgelder mit einem Gesamtvolumen von 55.735 Euro verhängt.
Die Studie dokumentiert praktische Beispiele und bezieht sich dabei auch aufRecherchen der Berliner Zeitung zur a Tempo AG, die über 1000 Tochtergesellschaften ihre Bestände organisiert.
Die Dringlichkeit von Transparenz macht die Berliner Staatsanwältin Jana Berthold deutlich, die in der Studie zitiert wird: Das Problem sei, „dass an diesen geldwäscherelevanten Transaktionen häufig ausländische Kapitalgesellschaften beteiligt sind, bei denen wir die wirtschaftlich Berechtigten nicht feststellen können. Wir wissen schlicht nicht, wer sich hinter diesen Kapitalgesellschaften verbirgt und haben keine Möglichkeit, das herauszufinden.“
Die Intransparenz ermöglicht es also, über verschachtelte Strukturen Milliarden unbekannter Herkunft zu investieren, von denen ein erheblicher Teil aus dem Drogenhandel oder anderen unsauberen Geschäften stammen dürfte.
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/black-box-berlin-li.83416