Archiv für den Monat: Juni 2020

Aus der Rubrik “Wirtschaftsinformationen”:

 

rbb24.de am 04.06.2020: Deutsche Wohnen steigt in den Dax auf

In Berlin genießt der Immobilienkonzern keinen guten Ruf, aber auf dem Börsenparkett glänzt er mit seinen Zahlen: Die Deutsche Wohnen steigt in die erste Börsenliga auf. Für die Berliner weichen muss ausgerechnet ein Dax-Gründungsmitglied.

Die Lufthansa steigt ab in den MDax – die Deutsche Wohnen steigt auf in den Dax: Berlin bekommt mit dem Aufstieg des Immobilienkonzerns Deutsche Wohnen 14 Jahre nach der Schering-Übernahme durch Bayer wieder einen Konzern in Deutschlands erster Börsenliga. Das gab die Deutsche Börse am Donnerstagabend bekannt. Der Aufstieg in den Dax erfolgt demnach am 22. Juni.

“Wir freuen uns sehr über den Aufstieg in den Leitindex des deutschen Aktienmarktes. Dies belegt unsere erfolgreiche Entwicklung in den vergangenen Jahren“, sagt Michael Zahn, Chef von Deutsche Wohnen. Auch künftig werde Deutsche Wohnen Verantwortung übernehmen. “Die Entwicklung von bezahlbarem und lebenswertem Wohnraum bleibt unsere oberste Priorität”, so Zahn.

https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2020/06/berlin-deutsche-wohnen-dax-leitindex-aufstieg-lufthansa.html

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Gilt eine Kündigung auch dann am Tag des Einwurfs in den Briefkasten als zugegangen, wenn der Mieter (absichtlich) tagelang seinen Briefkasten nicht leert?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 231/19, Urteil vom 29.01.2020) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1 a) wie folgt aus: „Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist begründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen – auf den Hilfsantrag – eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der von diesen inne gehaltenen Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB. Die von der Klägerin mit Schreiben vom 3. Mai 2019 ausgesprochene Kündigung hat das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis fristgemäß beendet, §§ 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB, 573c Abs. 1 BGB, nicht aber fristlos nach § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB.

a) Zutreffend ist das Amtsgericht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Soweit die Beklagten meinen, die Kenntnisnahme der Kündigung vereitelt haben zu können, indem sie mehrere Tage nicht den Posteingang in ihrem Briefkasten überprüften, verkennen sie, dass Kenntnisnahme und Zugang, § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht gleichbedeutend sind. Zugegangen ist eine Willenserklärung (bereits) dann, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen, wobei es auf die abstrakte Möglichkeit der Kenntniserlangung, nicht die tatsächliche Kenntnisnahme ankommt (vgl. st. Rspr. BGH, Urt. v. 21.01.2004 – XII ZR 214/00, NJW 2004 1320f, nach beck-online). Üblicherweise werden Briefkästen – jedenfalls an Wochentagen – spätestens am Abend geleert. Wenn die Beklagten davon – aus welchen Gründen auch immer – absehen, so haben sie das Risiko zu tragen (BGH, aaO). Dass die Erkrankung eines Kindes beide Beklagte gehindert haben soll, den Briefkasten zu leeren, erschließt sich schon nicht. Dass auch die älteren, im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung 13- bis 16 – jährigen Kinder dazu nicht in der Lage waren, tragen die Beklagten nicht einmal vor. Es mag keine rechtliche Verpflichtung zum Leeren eines Briefkastens bestehen; wer davon absieht, hat die Folgen allerdings selbst zu tragen.”

Aus der Rubrik “Wirtschaftsinformationen”:

 

Berliner Zeitung am 03.06.2020: Immobilienmarkt – Deutsche Wohnen geht weiter auf Einkaufstour

Der größte private Vermieter in Berlin will noch mehr Mietshäuser erwerben. Die Bezirke fordern, dass der Konzern sich dazu verpflichtet, die Ziele des Milieuschutzes einzuhalten.

Trotz Mietendeckels will die Deutsche Wohnen in Berlin weiterwachsen. Der größte private Vermieter in der Stadt bestätigte am Mittwoch, dass er in Berlin, Potsdam und Dresden fast zwei Dutzend Häuser erwerben wolle. „Wir beabsichtigen in der Tat den Kauf von insgesamt 23 Gebäuden in Potsdam, Dresden und Berlin mit rund 400 Wohnungen und rund 40 Gewerbeeinheiten“, teilte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage mit. Mit 21 Häusern liegt der größte Teil der Immobilien in Berlin, jeweils ein weiteres Haus steht in Potsdam und in Dresden. Die Wohnungen in Berlin befinden sich in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Reinickendorf, Mitte, Steglitz-Zehlendorf, Neukölln, Charlottenburg-Wilmersdorf und Treptow-Köpenick.

Ganz so einfach dürfte der Kauf der Immobilien wohl aber nicht abgewickelt werden. Denn mehrere der Gebäude stehen in Milieuschutzgebieten, in denen die Mieter vor Verdrängung besonders geschützt werden. In diesen Gebieten haben die Bezirke zwei Monate Zeit, um in den Kaufvertrag einzutreten, wenn zu befürchten ist, dass die Ziele des Milieuschutzes ausgehebelt werden. Nicht zum Zuge kommt das Vorkaufsrecht, wenn sich der Käufer verpflichtet, die Ziele des Milieuschutzes einzuhalten. Eine solche Verpflichtung wird Abwendungsvereinbarung genannt.

Der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), sagte am Mittwoch: „Ich erwarte, dass die Deutsche Wohnen unsere Abwendungsvereinbarung unterzeichnet.“ Wenn nicht, strebe er die Ausübung des Vorkaufsrechts für alle Häuser in seinem Bezirk an. Dabei sollten dann landeseigene Wohnungsbaugesellschaften oder Genossenschaften zum Zuge kommen. Die Bezirke würden sich bereits untereinander abstimmen. Elf der zum Verkauf stehenden Häuser mit etwa 200 Wohnungen befinden sich laut Schmidt in Friedrichshain-Kreuzberg, überwiegend im Wrangelkiez. Ähnlich äußerte sich der Bezirk Neukölln.

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/deutsche-wohnen-geht-weiter-auf-einkaufstour-li.85726

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Steht dem mit am 19.06.2019 zugestellten Schreiben vom 14.06.2019 geltend gemachten Anspruch des Vermieters auf Zustimmung zur Mieterhöhung zum 01.09.2019 Art. 1 § 3 des Berliner Gesetzes zur zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (MietenWoG Bln) entgegen?

Die Antwort des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg (AG Tempelhof-Kreuzberg – 4 C 118/19, Urteil vom 28.04.2020) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg in seiner vorgenannten Entscheidung unter 2. wie folgt aus: „Dem Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zur Mieterhöhung steht Art. 1 § 3 des Berliner Gesetzes zur zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (MietenWoG Bln) in der Fassung vom 11.02.2020 (GVBl. Bln S. 50) nicht entgegen.

a) Die vorgenannte Landesnorm verbietet von ihrem Wortlaut her zwar eine “Miete”, die die am 18.06.2019 geschuldete Miete übersteigt. Diese Voraussetzung würde das Klageziel hier perspektivisch erfüllen, weil die Klage letztlich auf die gemäß § 894 ZPO eintretende Fiktion der Annahme eines Mieterhöhungsverlangens gerichtet ist, nach dem die am 18.06.2019 vereinbarte Nettokaltmiete von 590,- Euro auf 615,46 Euro angehoben wird.

b) Die Fragen, ob Art. 1 § 3 MietenWoG Bln als verfassungskonform anzusehen ist, und wie der Verbotsgegenstand (“die Miete“) des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln auszulegen und zu verstehen ist, können jedoch in dem vorliegenden Rechtsstreit dahinstehen. Auf sie kommt es bei der Entscheidung nicht an. Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist nämlich nicht die (fortgeltende) Zahlungspflicht der Beklagten, sondern allein die Frage, ob die Beklagten am 01.09.2019 die Zustimmung zum Mieterhöhungsverlangen und somit die Annahme gemäß § 147 BGB eines Angebots der Klägerin gemäß § 145 BGB auf Abschluss eines Abänderungsvertrags zum Mietvertrag schuldeten. Dabei ist die Zustimmung als Willenserklärung, die nach § 894 BGB als abgegeben fingiert wird, ein zeitlich punktuelles Ereignis, das gemäß dem begründeten Klageantrag ab dem 01.09.2019 wirken soll. Zu diesem Zeitpunkt aber galt das Verbot des Art. 1 § 3 MietenWoG Bln noch nicht. Im Einzelnen:

(1) Nach dem Wortlaut des MietenWoG Bln gilt das in Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln normierte Mieterhöhungsverbot grundsätzlich ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des MietenWoG Bln.

Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln enthält selbst keine Regelung dazu, ab welchem Zeitpunkt das normierte Verbot eingreift. Insbesondere ist der in der Norm genannte Stichtag (18.06.2019) nicht mit deren Wirkungszeitpunkt gleichzusetzen. Er stellt lediglich eine tatbestandliche Anknüpfung dar, mittels derer der Landesgesetzgeber die Höchstgrenze der erlaubten Miete definiert. Mangels Regelung zum zeitlichen Beginn des normierten Verbots in Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln ist somit der Tag des Inkrafttretens des Landesgesetzes einschlägig. Das ist gemäß Art. 4 Abs. 1 MietenWoG Bln der 23.02.2020.

Auch nach der gebotenen Auslegung des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln ergibt sich nichts anderes. Diese ist ausgerichtet am Zweck der Norm und am Regelungswillen des Landesgesetzgebers vorzunehmen. Auslegungsgrundlagen sind dabei die Begründung zu Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln in ihrer Gestalt des ursprünglichen Gesetzentwurfs (AgH, Drs. 18/2347 vom 28.11.2019, S. 23-25) sowie die Begründung der vom Abgeordnetenhaus angenommenen Beschlussvorlage des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen (AgH Berlin, Drs. 18/2437 vom 22.01.2020 Begründung vom 21.01.2020 separat abrufbar unter https://www.parlament-berlin.de/ados/18/StadtWohn/vorgang/sw18-0244-v-%C3%84A-SPD-LINKE-GR%C3%9CNE.pdf, dort S. 6) als Dokumentation des Gesetzeszwecks und Manifestation des landesgesetzgeberischen Willens.

Die Auslegung ergibt vorliegend, dass der Landesgesetzgeber mit der Wahl des Stichtags am 18.06.2019 zwar erreichen wollte, dass sich für die Zeit danach bis zum Inkrafttreten des MietenWoG Bln befürchtete Mieterhöhungen nicht mehr auf die Bildung der nach Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln zu beachtenden Höchstgrenze der zulässigen Miete auswirken. Hätte er diese anhand des Mietniveaus am Tag des Inkrafttretens, dem 23.02.2020, gebildet, hätte dies gedroht. Vermieter hätten die Dauer des Gesetzgebungsverfahrens nutzen und bis 22.02.2020 eine Mieterhöhung durchsetzen können, die dann das (somit gestiegene) Niveau der Miete am 23.02.2020 beeinflusst hätte. Mit der Wahl eines Stichtags in der Vergangenheit sollte dieses Risiko ausgeschlossen werden. Ein weitergehender Regelungswille ist der Norm des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln jedoch nicht zu entnehmen. Insbesondere steht es nicht im Widerspruch mit dem Ziel des Landesgesetzgebers und dem Regelungszweck des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln, auch nach dem 18.06.2019 wirksam die Miete zu erhöhen, solange diese Mieterhöhung nur bis längstens 22.02.2020 fortgilt, dann aber ab dem 23.02.2020 aufgrund des Verbots der Norm (teil-)nichtig wird und die Miete wieder auf den Stand am 18.06.2019 absinkt. Dies aber ist mit dem Instrumentarium des BGB erreichbar, so dass es eines generellen Verbots der Mieterhöhung schon ab dem 18.06.2019 nicht mehr bedurfte. Im Einzelnen:

(a) Nach den vorgenannten Dokumenten zur Gesetzesbegründung hat die Einführung eines “Stichtags” den Zweck, zu verhindern, dass Vermieter nach Kenntniserlangung des Gesetzgebungsvorhabens zur Mietenbegrenzung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes die Gelegenheit nutzen und Mieterhöhungen vornehmen. Die “Ausnutzung der bisherigen Rechtslage” (nach dem BGB) noch “vor dem Inkrafttreten der Vorschrift” soll verhindert werden. Klagestellt wird aber auch, dass Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln “nicht das Verbot, bereits ab dem Stichtag eine höhere Miete als die Stichtagsmiete zu verlangen. Ein solches Verbot [gelte] (…) erst ab Inkrafttreten des Gesetzes” regele (vgl. Begründung der Beschlussempfehlung vom 21.01.2020, S. 6).

Danach soll das Verbot einer Mieterhöhung erst ab dem 23.02.2020 gelten. Mieterhöhungen, die vor dem Inkrafttreten am 23.02.2020 wirksam werden, wären davon (zunächst) nicht erfasst.

(b) Gleichzeitig findet sich folgende – dazu auf den ersten Blick gegenläufige – Aussage der Begründung der Beschlussempfehlung vom 21.01.2020 (aaO, S. 6):

Es bestand die Gefahr, dass Vermieter die lange Dauer der politischen Diskussion und des sich anschließende Gesetzgebungsverfahrens nutzen, um noch vor Inkrafttreten des Gesetzes eine Mieterhöhung zu erwirken.” (Hervorhebung durch das Gericht)

Diese Formulierung wäre abweichend vom Voranstehenden tendenziell so zu verstehen, dass der Landesgesetzgeber im Ergebnis doch bereits das “Erwirken“, also das Wirksamwerden einer Mieterhöhung – unabhängig davon, ob diese durch Vereinbarung oder durch rückwirkende Fiktion nach § 894 ZPO zustande gekommen ist – schon nach dem 18.06.2019 und nicht erst ab Inkrafttreten des MietenWoG Bln durch ein Verbot unterbinden wollte. Würde es dabei verbleiben, würde die Auslegung des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln nach seinem Zweck zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Norm jede Mieterhöhung ab dem 18.06.2019 verbietet, und dass derartige Mieterhöhungsvereinbarungen dann möglicherweise aufgrund von § 134 BGB schon bei Abschluss als nichtig anzusehen wären.

(c) Das sich aus der Gesetzesbegründung ergebende Spannungsfeld ist somit aufzulösen. Dabei sind die erheblichen Zweifel des Gerichts zu berücksichtigen, denen das unter lit. b) dargestellte Regelungsverständnis aus verfassungsrechtlicher Sicht unterliegt. Denn eine gesetzliche Regelung, die am 23.02.2020 in Kraft getreten ist, und eine zeitlich davor (bereits ab 18.06.2019) liegende, zivilrechtlich seinerzeit noch wirksam geschlossene Mieterhöhungsvereinbarung verbietet, entfaltet echte Rückwirkung. Gleiches gilt für den Fall einer Mieterhöhungsvereinbarung, die gemäß § 894 ZPO durch ein in Rechtskraft erwachsenes Urteil zustande kommt, und zwar auch, wenn die Rechtskraft selbst erst nach dem 23.02.2020 eintritt (und rechtstechnisch erst dann der Abschluss einer Mieterhöhungsvereinbarung gegeben wäre), solange der in der so geschlossenen Vereinbarung vorgesehene Wirkungszeitpunkt nur selbst vor dem 23.02.2020 liegt. Obwohl das Gericht in diesem Fall die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltende Rechtslage beachten muss, liegt es in der Natur des Mietrechts als Dauerschuldverhältnis, dass für die Beurteilung des Bestehens oder Nichtbestehens des Zustimmungsanspruchs nach § 558 Abs. 1 BGB, der allein streitgegenständlich ist, auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem er fällig war und wirken sollte. Dies folgt bereits aus dem Antragsprinzip nach § 308 Abs. 1 ZPO, da der Wirkungszeitpunkt der Erhöhung im Antrag genannt wird und das Gericht somit auch über diesen – und eben nicht über denjenigen des Rechtskraftseintritts – zu entscheiden hat, aber auch daraus, dass dieser Zeitpunkt Inhalt des Urteilstenors wird und damit von der Rechtskraft erfasst ist. Die echte Rückwirkung eines Verbots aber ist auch im Bereich des Zivilrechts grundsätzlich unzulässig (BVerfG, Beschluss vom 15.10.1996 – 1 BvL 44/92; 1 BvL 48/92 -) und kann nur unter sehr engen Voraussetzungen als zulässig angesehen werden, von denen im vorliegenden Fall nicht auszugehen ist.

Ein zeitlich rückwirkendes Verbot bereits wirksam zustande gekommener oder über § 894 ZPO als (rückwirkend) zustande gekommen anzusehender Mieterhöhungsvereinbarungen beschränkt den Mietzinsanspruch und damit eine vermögenswerte Rechtsposition des Vermieters, die das bürgerliche Recht einem privaten Rechtsträger als Eigentum zuordnet (BVerfG, aaO). Dies stellt einen Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG dar. Ein solcher ist zwar wegen der Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht per se unzulässig. Vielmehr wird der Inhalt des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums vom Gesetzgeber bestimmt. Jede gesetzliche Beschränkung muss aber dem Gebot der Verhältnismäßigkeit genügen. Dies setzt voraus, dass die Beschränkung erforderlich ist, um den verfolgten sozialen Zweck zu erreichen. Hieran würde es vorliegend fehlen. Denn es ist gerade nicht erforderlich, absichtlich zur Umgehung des Verbotsgesetzes des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln durchgesetzte Mieterhöhungen noch vor dem 23.02.2020 zu verbieten. Es genügt, diese für die Zeit bis zum 22.02.2020 unangetastet bestehen zu lassen und erst mit Wirkung vom 23.02.2020 zu verbieten.

Mit diesem Verständnis der Norm kann der Zweck des zeitlichen Rückgriffs auf den 18.06.2019 in Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln erreicht werden. Das Mieterhöhungssystem des BGB erlaubt dies. Denn nach den Regelungen des BGB können wirksame Vereinbarungen im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen zu einem späteren Zeitpunkt gemäß § 134 BGB nichtig werden, wenn sich die maßgebliche Rechtslage ändert. Hierzu gilt:

Sobald die Vertragsparteien eine zivilrechtliche Vereinbarung über die Mieterhöhung nach dem BGB geschlossen haben, gilt diese mit Wirkung ab dem vereinbarten Zeitpunkt, der auch in der Vergangenheit liegen kann. Es handelt sich dabei um ein Dauerschuldverhältnis. Die Vereinbarung kann dennoch zu einem späteren Zeitpunkt bei einer Gesetzesänderung “ex nunc” nichtig werden. Der Bundesgerichtshof hat dies beispielsweise für Fälle anerkannt, in denen eine zum Vereinbarungszeitpunkt zulässige Pachtzinsvereinbarung durch ein später in Kraft tretendes Höchstpreisgesetz nicht mehr erlaubt war (BGH, Urteil vom 23.06.1989 – V ZR 289/87 -). Es ist also – vorbehaltlich weiterer verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte der Rückwirkung – auch nach der Rechtstechnik des § 134 BGB möglich, eine bestimmte Miethöhe ab Inkrafttreten eines Verbotsgesetzes zu sanktionieren, die durch einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt (hier: 18.06.2019) definiert wird. Die aus dem Verbotsgesetz folgende Nichtigkeit tritt dann jedoch erst “ex nunc” ein, also mit dem Inkrafttreten des Verbotsgesetzes. Bis dahin bleibt die ursprünglich zulässige Erhöhungsabrede wirksam.

Nicht zulässig ist es indes, einen zuvor noch wirksam entstandenen Zustimmungsanspruch, der durch ein – insoweit regelmäßig auf den Wirkungszeitpunkt rückwirkendes – Urteil bestätigt werden würde, über das Verbotsgesetz und § 134 BGB praktisch untergehen oder zumindest leerlaufen zu lassen. Ein Rückwirken des Verbots kommt auch bei Dauerschuldverhältnissen nicht in Betracht (BeckOGK-Vossler, Stand: 01.03.2020, § 134 BGB Rz. 72; MüKo-Armbrüster, BGB, 8.A., § 134 Rz. 20 – beck-online).

(d) Für die Auslegung des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln stehen somit auf der Grundlage der Gesetzesbegründung zwei Alternativen (vgl. oben (a) und (b)) zur Auswahl, von denen sich allerdings eine (lit. (b)) nach Auffassung des Gerichts als verfassungswidrig mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 GG erweisen würde. Da es der Respekt vor dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber verbietet, die allgemeine Geltung einer gesetzlichen Vorschrift in Frage zu stellen, wenn diese durch Interpretation in den Grenzen des Grundgesetzes aufrechterhalten werden kann und dabei ihren Sinn nicht verliert (BVerfG NJW 2007, 2977 – beck-online), ist vorliegend von der verfassungsgemäßen Auslegungsvariante auszugehen.

Nach alledem ist Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln somit entsprechend seines Zwecks und dem Willen des Landesgesetzgebers einerseits, aber auch verfassungskonform andererseits dahingehend auszulegen, dass Mieterhöhungen selbst erst ab Inkrafttreten des MietenWoG Bln am 23.02.2020 verboten sein sollen und nicht bereits ab dem 18.06.2019.

c) Dies führt im vorliegenden Fall dazu, dass die Klägerin ihren Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung zum 01.09.2019, also einem vor Inkrafttreten des MietenWoG Bln liegenden, aus der Natur der Zustimmung als punktuellem Ereignis auch nur punktuell zu betrachtendem Zeitpunkt zunächst behält. Von diesem Zeitpunkt an bis zum Inkrafttreten des MietenWoG Bln steht ihr auf dieser Grundlage auch ein – allerdings nicht verfahrensgegenständlicher – Zahlungsanspruch in Höhe der dann vereinbarten höheren Miete zu. Denn die Mieterhöhungsabrede ist zum 01.09.2019 wirksam zustande gekommen und das Verbot des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln war zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft.

Für den vorliegenden Rechtsstreit, dessen Streitgegenstand ausschließlich das Zustimmungsverlangen der Klägerin auf Mieterhöhung nach § 558 Abs. 1 BGB ist, ist somit unerheblich, welche Folgen das in Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 BGB normierte Verbot ab dem 23.02.2020 zeitigt. Das Gericht weist diesbezüglich jedoch auf folgende Rechtsaufassung hin: Die Erhöhungsabrede dürfte nach dem 23.02.2020 nicht fortwirken, sondern nach § 134 BGB ex nunc nichtig werden mit der Folge, dass die Höhe des vereinbarten Mietzinses wieder auf das am 18.06.2019 geltende Niveau zurückfällt. Diesbezüglich sprächen dann gewichtige Argumente, die klägerseits bereits vorgetragen wurden, für die Annahme der Verfassungswidrigkeit dieser Rechtsfolge aufgrund der im Lichte der Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG fehlenden Kompetenz des Landesgesetzgebers. Da diese Frage im vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung erlangt, hatte das Gericht von der Frage einer konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 GG mangels Entscheidungserheblichkeit abzusehen.

d) Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass der vorliegende Rechtsstreit auf der Basis des Sach- und Rechtsstands im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu entscheiden ist. Denn der Zeitpunkt, nach dem das Bestehen oder Nichtbestehen des Zustimmungsanspruchs nach § 558 Abs. 1 BGB zu beurteilen ist, liegt dennoch in jeder Hinsicht vor dem 23.02.2020. Dabei kommt es nicht darauf an, ob auf den Zeitpunkt des Zugangs des Erhöhungsverlangens, hier also den 19.06.2019, oder auf den Tag, der auf den Tag des Ablaufs der Bedenkensfrist, hier also auf den 01.09.2019 abzustellen ist. Die Option jedenfalls, das Verbot zeitlich an die Fiktion des Abschlusses der Mieterhöhungsvereinbarung nach § 894 ZPO anzuknüpfen (so wohl LG Berlin, Vorlagebeschluss vom 12.03.2020 – 67 S 274/19 -) erscheint aus den bereits unter c) genannten Gründen nicht sachgerecht. Zwar entspricht dies dem Wortlaut des § 134 BGB, der ja ein (zustande gekommenes) Rechtsgeschäft voraussetzt, das unter das Verbot fällt. Um allerdings den Zweck des § 134 BGB zu erfüllen, der es dem Verbotsgesetz selbst überlassen will, den Umfang des Verbots zu definieren, erscheint es vorzugswürdig, auch den Zeitpunkt, an den das Verbotsgesetz anknüpft, diesem selbst zu entnehmen und es mangels klarer Regelung danach auszulegen. Zweck des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln ist es, wie aufgezeigt, den Erfolg der Mieterhöhung für die Zeit ab dem 23.02.2020 zu unterbinden. Aufgrund des Konstrukts der §§ 558 Abs. 1, 558b Abs. 1 BGB tritt dieser aber nicht erst bei Abschluss der Mieterhöhungsvereinbarung ein, sondern gerade im Fall einer gerichtlichen Klärung der Begründetheit des Erhöhungsverlangens üblicherweise rückwirkend zu dem Zeitpunkt, der nach § 558b Abs. 1 BGB vorgesehen ist, oder der vereinbart wird. Der Sinn des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln bedingt es, darauf zeitlich für die Wirkung des Verbots abzustellen. Im Falle eines Zustimmungsrechtsstreits zur Mieterhöhung würde es ansonsten von der Dauer des gerichtlichen Verfahrens bis zum Eintritt der Rechtskraft abhängen, wann die Zustimmung gemäß § 894 ZPO als erteilt gilt. Damit würde der Zeitpunkt, in dem das Verbot greift, von der Dauer des gerichtlichen Verfahrens abhängig gemacht werden, die die Parteien eines Zustimmungsrechtsstreits auf Mieterhöhung nicht allein in der Hand haben.”

Aus der Rubrik “Mietenpolitik”:

 

Berliner Zeitung am 03.06.2020 – Interview: Katrin Lompscher: „Man muss auch über Möglichkeiten eines Mietverzichts sprechen“

Die Stadtentwicklungssenatorin über die Folgen der Corona-Pandemie, eine mögliche Fortschreibung des Mietspiegels, die Klagen gegen den Mietendeckel und einen neuen Anlauf zur Reform des sozialen Wohnungsbaus.

Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) fordert, dass der Kündigungsschutz für Mieter, die in der Corona-Krise in Zahlungsschwierigkeiten geraten, verlängert wird. Im Interview mit der Berliner Zeitung sagt sie außerdem, warum sie zuversichtlich ist, dass die Klagen gegen den Mietendeckel nicht erfolgreich sind – und wie Mieter auf sogenannte Schattenmieten reagieren sollten, die von manchen Vermietern verlangt werden.

Frau Lompscher, viele Berliner wissen in der Corona-Pandemie nicht, wie sie die Miete bezahlen können. Haben Sie schon einen Überblick, wie viele um eine Stundung der Miete gebeten haben?

Katrin Lompscher: Wir können das nur für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sagen, die ein Informationssystem eingerichtet haben, um die Entwicklung zu beobachten. Zum Glück – muss man sagen – haben sich bisher noch nicht so viele MieterInnen gemeldet. Bei allen sechs Gesellschaften sind es bisher noch weniger als 2000. Ganz bestimmt wirkt sich positiv aus, dass wir die landeseigenen Gesellschaften schon im März angewiesen haben, mit Zahlungsschwierigkeiten von MieterInnen kulant umzugehen. Es gibt aber schon jetzt – und nicht nur bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften – Hinweise darauf, dass sich das Problem zuspitzen könnte, je länger der Zustand anhält.

Die von Bundesregierung und Bundestag beschlossene Möglichkeit zur Stundung der Miete hilft zwar für den Moment, aber bis Mitte 2022 müssen die Haushalte die Miete zurückzahlen. Ist das realistisch?

Zunächst mal will ich darauf hinweisen, dass die Stundungsregelung mit einem Kündigungsschutz verbunden ist, der nur bis Ende Juni gilt. Die Bundesregierung muss diesen Schutzzeitraum dringend verlängern. Mindestens, wie ursprünglich gedacht, bis Ende September. Wir haben bisher allerdings keine Signale, dass das geplant ist. Aus meiner Sicht ist es aber extrem dringlich und wichtig, dass das passiert. Der beste Weg für alle Mieterinnen und Mieter ist natürlich, alle Hilfen zu nutzen, um die Miete weiter zu zahlen. Für Wohnungen des freien Marktes gibt es Wohngeld und für den sozialen Wohnungsbau einen Mietzuschuss. Diese Unterstützung in Anspruch zu nehmen, ist immer die Vorzugsvariante vor einer Stundung und einer späteren Rückzahlung, die ja eine weitere Belastung darstellt. Natürlich muss man auch über Möglichkeiten eines Mietverzichts auf Seiten der Vermieter sprechen.

Sind Sie darüber im Gespräch mit großen Vermietern?

Solche Gespräche sind anberaumt. Aber sie haben noch nicht stattgefunden. Ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis.

Wer im Moment eine neue Wohnung in Berlin sucht, sieht sich nach einer Auswertung des Instituts F + B mit Mietforderungen in Höhe von rund 15 Euro pro Quadratmeter konfrontiert. Was läuft da falsch?

Hohe Angebotsmieten sind kein neues Phänomen und in Zeiten von Wohnungsknappheit auch nicht besonders überraschend. Im Neubau sind solche Mieten leider inzwischen üblich. Man muss aber ganz klar sagen, dass sich solche Angebotsmieten tendenziell nicht realisieren lassen. Jedenfalls in Wohnungen, die bis 2013 errichtet wurden, denn für die gilt der Mietendeckel.

Es gibt jetzt aber Vermieter, die versuchen, den Mietendeckel mit sogenannten Schattenmieten zu umgehen. Um für den Fall vorzusorgen, dass das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel kippt. Die Vermieter schreiben eine höhere Miete als laut Mietendeckel erlaubt im Vertrag fest, kassieren zunächst aber nur den zulässigen Betrag. Was können Mieter hier tun?

Dass Schattenmieten in Neuverträge aufgenommen werden, ist unschön und führt zu einer großen Verunsicherung bei den Mieterinnen und Mietern. Das Bundesverfassungsgericht bewertet ein solches Vorgehen, für den Fall einer gerichtlichen Entscheidung, jedoch als rechtlich zulässig. Klar ist aber: der Mietendeckel und die Mietpreisbremse gelten und damit auch die darin vorgesehenen Mietpreisbegrenzungen. Ich rate den Mieterinnen und Mietern in Berlin deshalb: Informieren Sie sich und gehen Sie zur kostenlosen Mieterberatung, die es stadtweit gibt.

Es soll auch Kaufverträge geben, in denen niedrigere Kaufpreise für Wohnhäuser für den Fall vereinbart werden, dass der Mietendeckel vor Gericht Bestand hat.

Ich habe davon gehört. Dass der Mietendeckel nicht nur Mietpreise dämpft, sondern in der Tendenz auch Kaufpreise bremst, liegt auf der Hand.

FDP und CDU haben gerade Klage gegen den Mietendeckel vor dem Landesverfassungsgericht und dem Bundesverfassungsgericht erhoben. Sie halten ihn, wie viele Vermieter auch, für nicht verfassungskonform. Was ist Ihr stärkstes Argument dafür, dass der Mietendeckel mit der Verfassung vereinbar ist?

Wir haben im Vorfeld verfassungsrechtliche Expertise eingeholt. Das Ergebnis war, dass die Bundesländer, die nach der Föderalismusreform von 2006 die Kompetenz für das Wohnungswesen haben, ein solches Gesetz verabschieden dürfen. Ich bin zuversichtlich, dass das Bundesverfassungsgericht dies genauso sieht. Das gilt auch für die Frage, ob unser Gesetz den verfassungsrechtlichen Grundsätzen entspricht, also zum Beispiel der Verhältnismäßigkeit und der Geeignetheit. Im Ergebnis unserer Prüfungen haben wir deshalb zum Beispiel eine Härtefallregelung für Vermieter geschaffen. Und die Mietobergrenzen wurden – hochgerechnet mit dem Lebenshaltungsindex bis 2019 – aus dem Mietspiegel 2013 abgeleitet.

Gibt es schon Signale für einen Termin vor dem Bundesverfassungsgericht?

Nein. Das Bundesverfassungsgericht hat uns bislang nur bis Ende Juli um Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerden gegen den Mietendeckel gebeten, die im März eingereicht wurden. Die Normenkontrollanträge von CDU/CSU und FDP, die beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sind, sind noch gar nicht bei uns gelandet, ebenso wenig die Normenkontrollklage der Fraktionen von CDU und FDP aus dem Abgeordnetenhaus vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof. Ich kann deswegen keine Prognose abgeben, wann hier jeweils mit einem Urteil zu rechnen ist.

Was ist mit dem Mietspiegel? Wird es wirklich keinen neuen geben?

Wir überprüfen aktuell, ob und wie wir den Mietspiegel fortschreiben können, da der Mietendeckel ja nicht für alle Wohnungen gilt. Möglicherweise lässt sich ein Mietspiegel zumindest für Teilsegmente des Wohnungsmarktes erarbeiten.

Welche Mieten wollen Sie dem Mietspiegel zugrunde legen? Das dürfen ja nur solche Mieten sein, die sich am Markt frei gebildet haben. Wären das noch die Mietendeckel-Mieten?

Alle Mieten, die eingefroren sind, haben sich ja davor am Markt frei gebildet. Sie könnten die Grundlage bilden, ebenso die Mieten für Neubauwohnungen ab Baujahr 2014, denn die fallen ja nicht unter den Mietendeckel. Die unterschiedlichen Möglichkeiten werden derzeit noch überprüft.

Die Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen will mehr als einen Mietendeckel. Sie will über ein Volksbegehren und einen Volksentscheid die Bestände von Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin vergesellschaften. Haben Sie Verständnis dafür, dass die Innenverwaltung mehr als 300 Tage nach Übergabe der Unterstützer-Unterschriften noch immer nicht entschieden hat, ob das Volksbegehren zulässig ist?

Da es Sache des Innensenators ist, die Prüfung durchzuführen, liegt es in seinem Ermessen wie lange das dauert. Aber ich habe auch den Eindruck, dass es schon sehr lange dauert. Nicht umsonst hat die Initiative sich ja entsprechend öffentlich positioniert und erwartet, dass sie zügig ein Ergebnis bekommt.

Die Corona-Krise führt dazu, dass Berlin wieder Schulden in Milliardenhöhe machen muss. Ist da eine Vergesellschaftung von rund 240.000 Wohnungen, für die eine Entschädigung gezahlt werden müsste, überhaupt denkbar?

Die Corona-Krise wirft eine Menge Fragen auf, wenn sie aber eines ganz deutlich zeigt, dann, wie wichtig ein bezahlbares Dach über dem Kopf ist.

Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf den Neubau der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften aus?

Das Baugeschehen wird durch die Corona-Pandemie bisher zum Glück nur wenig beeinträchtigt, läuft aber natürlich auch nicht komplett störungsfrei. Zum einen verzögern sich durch die veränderte Arbeitssituation Planungs- und Abstimmungsvorgänge. Zum anderen gibt es den einen oder anderen Lieferengpass für Materialien. Generell sind die Störungen auf den Baustellen aber geringer als in anderen Bereichen der Wirtschaft. Alle Beteiligten haben großes Interesse daran, das Bauvolumen unverändert zu realisieren und wie geplant zu erweitern. Wir sehen aber die Gefahr, dass es zu Verzögerungen kommen kann.

Lässt sich sagen, wie viele Wohnungen die landeseigenen Unternehmen in dieser Legislaturperiode mit Corona fertigstellen?

Es ist noch zu früh, um wirklich sagen zu können, in welchem Umfang sich die Corona-bedingten Verzögerungen auf die Projekte auswirken werden. Deshalb kann ich derzeit seriös noch keine Zahlen nennen. Bislang sind wir davon ausgegangen, dass wir bis Ende 2021 mit dem Bau von rund 30.000 Wohnungen begonnen und rund 24.000 fertiggestellt haben werden. Wir müssen beobachten, wie sich die aktuelle Situation weiter entwickelt.

Rot-Rot-Grün hat zu Beginn der Regierungszeit eine Reform des sozialen Wohnungsbaus versprochen. Die Mieten sollten gesenkt und nach dem Einkommen der Mieter gestaffelt werden. Wann kommt die Reform?

Der alte soziale Wohnungsbau ist tatsächlich ein großer Brocken. Die Reform sollte in drei Schritten erfolgen. Die ersten beiden Schritte, zu denen ein Mieterhöhungsstopp und die Erweiterung des Mietzuschusses gehörten, hat die Koalition geschafft. Beim dritten Schritt, der gesetzlichen Neugestaltung, gibt es weiterhin Klärungsbedarf in der Koalition. Es geht im Kern um die Frage, ob von der bisherigen Kostenmiete, in die alle irgendwann im Zusammenhang mit Bau und Finanzierung angefallenen Ausgaben eingeflossen sind, auf eine einkommensorientierte Richtsatzmiete umgestellt werden soll. Wir wollen jetzt einen neuen Anlauf zur gesetzlichen Reform unternehmen, Kostenmieten neu zu bestimmen und zu reduzieren, indem Kosten, die nicht mehr anfallen, nicht mehr angerechnet werden. Der zweite wichtige Effekt wäre, dass die Wohnungen nach dem Ende der Sozialbindung mit niedrigeren Mieten in das Vergleichsmietensystem übergehen. Dadurch könnten wir künftige Mieterhöhungsspielräume verringern.

Neben der Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen gibt es derzeit noch eine weitere Initiative zur Wohnungspolitik. Die wirtschaftsnahe Initiative Neue Wege für Berlin hat Unterschriften für den Bau von 12.500 bezahlbaren Wohnungen jährlich gesammelt. Was halten Sie davon?

Mit den Forderungen der Initiative beschäftigt sich zunächst das Parlament, dann wird der Senat eine Stellungnahme abgeben. Die Frage für mich ist, was die Initiative unter bezahlbaren Wohnungen versteht, wieviel Geld sie bereitstellen will und mit welchen Partnern die Wohnungen errichtet werden sollen? Wir stellen für dieses Jahr Mittel zum Bau von 4500 Sozialwohnungen zur Verfügung. Das kostet einen dreistelligen Millionenbetrag, und es ist anspruchsvoll, diese Zielzahlen zu erreichen. Unsere derzeitige Projekt-Pipeline bildet relativ gut das Volumen ab, das auf dem Wohnungsneubaumarkt zu realisieren ist. Wenn man bis zu dreimal mehr machen will, wie die Initiative, muss man auch darstellen, wie das zu schaffen wäre. Darauf bin ich gespannt.

Bezweifeln Sie, dass 12.500 bezahlbare Wohnungen nötig sind?

Nein, ich bezweifle, dass sie möglich sind – unter den jetzigen Rahmenbedingungen.

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/man-muss-auch-ueber-moeglichkeiten-eines-mietverzichts-sprechen-li.84827

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Genügt zur Verteidigung gegenüber einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters ein einfaches Bestreiten der Wohnfläche durch den Mieter?

Die Antwort des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg (AG Tempelhof-Kreuzberg – 4 C 118/19, Urteil vom 28.04.2020) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg in seiner vorgenannten Entscheidung unter 1. a) wie folgt aus: „Soweit die Beklagten die klägerseits mit 98,79qm bezifferte und unstreitig in § 1 des Mietvertrags als solche ausgewiesene Wohnungsgröße in einfacher Weise bestreiten, ist dies unbeachtlich. Zwar mag in der Angabe der Wohnfläche in § 1 des Mietvertrags rechtlich keine Zusicherung der Wohnungsgröße durch den Vermieter zu sehen sein (Schmidt/Futterer-Eisenschmid, aaO, § 536 BGB Rz. 333), so dass die Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess nach allgemeinen Grundsätzen den Vermieter trifft. Trägt dieser, wie hier, jedoch eine bestimmte Wohnfläche vor, stellt dies substantiierten Sachvortrag dar, den der Mieter seinerseits substantiiert bestreiten muss. Dies ist ihm auch zumutbar, da die Wohnfläche in seinem Wahrnehmungsbereich liegt (Schmidt/Futterer-Börstinghaus, aaO, § 558 BGB Rz. 56). Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich das einfache Bestreiten der Wohnfläche durch die Beklagten als unerheblich im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO, weil sich die Beklagten damit auf pauschales Bestreiten beschränken (BGH NJW-RR 2017, 842 – beck-online).”

AMV im Lichte der Presse:

 

Berliner Kurier am 02.06.2020: Mietrecht – Laute Heizung raubt Rentnerin den Schlaf

„Für mich ist es nicht mehr auszuhalten“, sagt Renate Ladewig aus der Pionierstraße in Spandau. Immer wieder kommen die Klopfgeräusche in der Heizung. Nachts sei es am schlimmsten. „Ich habe letzte Nacht um 3 Uhr noch nicht geschlafen“, sagt die 80-Jährige.  In den vergangenen Jahren habe sie zahlreiche Schadensmeldungen geschrieben, doch geändert habe sich nichts. Ihr Vermieter, eine Tochter der Deutsche Wohnen, gewährt zwar eine Mietminderung, hat den Mangel aber bisher nicht beseitigt.

Die erste Schadensmeldungen schreibt Ladewig schon im Februar 2017. Da teilt ihr die Deutsche Wohnen Kundenservice GmbH mit, dass sich der vom Servicepartner beauftragte Handwerker “schnellstmöglich” melden werde. Doch alle Bemühungen bleiben erfolglos. Nachdem der Schaden im Februar 2019 noch immer besteht, reicht der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV), der Renate Ladewig vertritt, schließlich Klage beim Amtsgericht Spandau ein. Die Rechtsanwältin des AMV weist darauf hin, dass das Heizungsrohr offen und senkrecht durch das Schlafzimmer von Renate Ladewig verlaufe. Die Rentnerin könne „allenfalls für die Dauer von 3 Stunden ohne Unterbrechung schlafen“. Die fehlende Nachtruhe habe zu einer „dauerhaft depressiven Gemütsstimmung“ geführt, von der sich Renate Ladewig „in den geräuschfreien Zeiten nachhaltig nicht erholen“ könne. Sie müsse in der Erwartung leben, dass die Geräuschbelastungen immer wieder auftreten werden.

Belästigende Geräusche erst bestritten

Die Rechtsanwältin der Deutsche-Wohnen-Tochter spricht in ihrer Klageerwiderung nur von „vermeintlichen Heizungsgeräuschen“ und bestreitet, „dass in der Wohnung“ von Renate Ladewig „bei Inbetriebnahme der Heizung laut hörbare sowie belästigende, störende Klickgeräusche“ wahrnehmbar sein sollen – und dass die Geräusche von dem Heizungsrohr, das durch das Schlafzimmer von Renate Ladewigs Wohnung führt, „verursacht werden“. Bei Ortsterminen in der Wohnung seien die Geräusche nicht feststellbar gewesen. Auch bei umfangreichen Überprüfungsmaßnahmen an Heizkörpern, Heizungsrohren und übriger Technik habe kein Mangel festgestellt werden können.

Immerhin: „Aus Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ gewährt die Deutsche Wohnen der Rentnerin seit Februar 2017 eine Mietminderung von 7,5 Prozent der Warmmiete.

Das Amtsgericht Spandau entscheidet im August 2019, dass ein Gutachter die Vorwürfe der Mieterin überprüfen soll. Das Gutachten liegt seit April 2020 vor. Ergebnis des Sachverständigen: Bei seinen Untersuchungen habe er „wiederkehrende regelmäßig auftretende laute Klopf- und Schlaggeräusche festgestellt“. Die Geräusche überstiegen dabei mit einem maximalen Schalldruckpegel von 39 Dezibel „deutlich“ die zulässige Lautstärke von 30 Dezibel.

Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund fordert, dass die Deutsche Wohnen den Mangel umgehend beseitigt. „Anstatt ihrer gesetzlichen Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht nachzukommen und die Heizungsanlage so instand zu setzen, dass bei ihrem Betrieb keine Klopf- und Schlaggeräusche mehr auftreten, zahlt die Deutsche Wohnen lieber seit Februar 2017 eine monatliche Mietminderung“, kritisiert AMV-Chef Marcel Eupen. Die Deutsche Wohnen nehme damit in Kauf, „dass bei Frau Ladewig ernsthafte und dauerhafte Schäden an deren Gesundheit eintreten“. Es sei in der Medizin allgemein anerkannt, dass Lärm auf Dauer krank mache. „Bereits geringere Schallpegel haben vegetative und psychische Wirkungen“, so Eupen.

Übernachtung bei der Schwester

„Ich habe immer schon Angst, wenn die Heizperiode anfängt“, sagt Renate Ladewig. Sie könne gar nicht mehr abschalten. „Man wartet immer auf den nächsten Schlag.“ Selbst wenn es ruhig ist. Sie habe versucht mit Ohrstöpseln zu schlafen, doch dann höre sie ihren Herzschlag. Das gehe für sie nicht. Sie sei schon in die Wohnung ihrer Tochter und ihrer Schwester gefahren, um dort einfach mal in Ruhe zu schlafen. Jetzt, mit dem Gutachten, müsse die Deutsche Wohnen aber endlich was machen, hofft die Rentnerin.

Die Deutsche Wohnen zeigt sich auf Anfrage des KURIER entgegenkommend. An der Heizungsanlage  hätten in den vergangenen Jahren mehrfach, zum Teil sehr aufwändige Reparaturarbeiten stattgefunden, teilt eine Sprecherin des Unternehmens mit. Dazu habe unter anderem der Austausch der Heizungspumpe des Gebäudes gehört. „Die Arbeiten führten leider nicht zu einer Beseitigung der Heizungsgeräusche in der Wohnung von Frau Ladewig, was das erstellte Sachgutachten bestätigt“,  räumt die Sprecherin ein. „Die Deutsche Wohnen wird nun eine erneute Ursachenprüfung vornehmen, um anschließend die entsprechenden Reparaturmaßnahmen durchzuführen und die Heizungsgeräusche dauerhaft abzustellen.“ Die Deutsche Wohnen bedauere „sehr, dass Frau Ladewig bereits so lange durch diese Heizungsgeräusche beeinträchtigt“ werde. „Selbstverständlich erhält Frau Ladewig, äquivalent zu den letzten Jahren, eine entsprechende Mietminderung für die Heizperiode 2019/2020.“

Der AMV reagiert auf die Äußerungen zurückhaltend. „Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die Deutsche Wohnen eine erneute Überprüfung der Heizung zur nachhaltigen Mangelbeseitigung zugesagt hat“, sagt AMV-Chef Eupen. „In Anbetracht der Tatsache, dass es ihr jedoch seit der Heizperiode 2016/2017 nicht gelungen ist, die Heizungsgeräusche abzustellen, sind wir mehr als skeptisch. Oder um mit Johann Wolfgang von Goethe zu antworten: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.”

https://www.berliner-kurier.de/berlin/laute-heizung-raubt-rentnerin-den-schlaf-li.84650

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Muss ein Mieterhöhungsverlangen die ortsübliche Vergleichsmiete betragsmäßig beziffern?

Die Antwort des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg (AG Tempelhof-Kreuzberg – 4 C 118/19, Urteil vom 28.04.2020) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg in seiner vorgenannten Entscheidung unter 1. a) wie folgt aus: „Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 14.06.2019 ist gemäß § 558a BGB formell wirksam. Es ist in Textform abgefasst und nimmt zur Begründung gemäß § 558a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BGB auf den Berliner Mietspiegel 2019 Bezug. Entgegen der Auffassung der Beklagten führt die offensichtliche Auslassung der betragsmäßigen Bezifferung der ortsüblichen Vergleichsmiete (unvollständiger Satz auf Seite 2 des Mieterhöhungsverlangens) nicht zur formellen Unwirksamkeit. Vielmehr ist es ausreichend, wenn das Erhöhungsverlangen Angaben über diejenigen Tatsachen enthält, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können (BGH, Urteil vom 16.10.2019 – VIII ZR 340/18 -; Schmidt/Futterer-Börstinghaus, Mietrecht, 14.A., § 558a BGB Rz. 42 f.). Im klägerischen Erhöhungsverlangen werden sämtliche Einordnungsmerkmale der Wohnung (Baualtersspanne, Ausstattung, Wohnfläche, Wohnlage, Spannenwerte bei einem Mittelwert von 6,23 Euro/qm) gemäß dem Berliner Mietspiegel 2019 benannt. Anhand der Mietspiegeltabelle ist die klägerseits vorgenommene Einordnung der Wohnung in das Feld J1 somit für jeden Laien problemlos nachvollziehbar und auch nachprüfbar. Darüber hinausgehende, präzisierende Angaben der Klägerin, insbesondere zum genauen Baujahr der Liegenschaft, sind nicht erforderlich. Die Angabe der Baualtersspanne, hier “Altbau bis 1918“, genügt (Schmidt/Futterer, aaO). Die klägerseits am 01.09.2019 begehrte Nettokaltmiete von monatlich 615,46 Euro entspricht, bezogen auf die Wohnungsgröße von 98,79 qm, einem Quadratmeterpreis von 6,23 Euro und damit dem Median des einschlägigen Mitspiegelfeldes J1. Dies reicht gemäß § 558a Abs. 4 Satz 1 BGB für eine Begründung des Erhöhungsverlangens aus.”