Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 
 
Kommt es auf den Zugang des Mieterhöhungsverlangens vor dem Stichtag des MietenWoG Bln?

Die Antwort des Amtsgerichts Mitte (AG Mitte – 113 C 5055/19, Beschluss vom 18.05.2020) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Mitte in seiner vorgenannten Entscheidung unter III. wie folgt aus: „Unter Berücksichtigung der Vorschriften des MietenWoG BIn wäre die Klage indes unbegründet.

Durch die Zustimmung der Beklagten zu der von der Klägerin begehrten neuen Miete käme eine Vereinbarung über eine Änderung der bisherigen Miethöhe zustande (§ 557 Abs. 1 BGB), die jedoch wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gem. § 134 BGB nichtig wäre. Die Verurteilung zu einem verbotenen Rechtsgeschäft kommt nicht in Betracht.

Dahin stehen kann dabei hier die Frage, ob § 134 BGB als Auslegungsregel zu verstehen ist oder sich die Nichtigkeit aus der Verbotsnorm selbst ergibt (ausführlich zum Ganzen Staudinger/Sack-Seibl zu § 134 BGB RN 57 ff). Der Sinn und Zweck des “Mietendeckels” geht ganz klar dahin, Mieterhöhungen zu verhindern, so dass das die Miethöhe ändernde Rechtsgeschäft in jedem Falle als nichtig einzustufen wäre. Nichtig ist ein Rechtsgeschäft insbesondere dann, wenn der Leistungserfolg durch das verletzte Gesetz verboten wird (BGHZ 118, 142, 144 aE = NJW 1992, 2021, 2022; BGHZ 159, 334, 340 = NJW-RR 2004, 1545, 1546). Genau das ist der Sinn des MietenWoG.

Dahin stehen kann auch, ob die Nichtigkeit bereits die Willenserklärung – hier die Zustimmung der Beklagten – erfasst (so Palandt/Ellenberger, § 134 Rz. 12) oder lediglich das abgeschlossene Rechtsgeschäft selbst (so MünchnerKommentar/Armbrüster zu 134 BGB RN 25, Ermann/Arnold zu § 134 BGB RN 7). In dem einen Falle wäre die Klage auf Abgabe einer nichtigen Willenserklärung gerichtet, in dem anderen Falle auf Abgabe einer Willenserklärung, die ins Leere ginge, weil der gewollte Vertrag nichtig wäre. Auf die Abgabe einer solchen Willenserklärung besteht kein vom Gesetz geschützter Anspruch, auch ohne dass man dazu § 242 BGB (so Landgericht Berlin, Beschluss vom 12.03.2020, AZ 67 S 274/19) oder Unmöglichkeitsnormen bemühen müsste (man mag in einem solchen Falle sogar an der Zulässigkeit der Klage zweifeln, da man ein Rechtsschutzbedürfnis auf Zustimmung zu einem verbotenen Geschäft wohl mit Recht bezweifeln kann).

Gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG ist eine Miete verboten, die die am 16.06.2019 vereinbarte Miete überschreitet. An diesem Stichtag war zwischen den Parteien aber lediglich eine Miete in Höhe von 516,00 Euro vereinbart. Damit unterliegt die gesamte begehrte Erhöhung dem Verbot.

Dagegen spricht auch nicht, dass das Mieterhöhungsverlangen noch vom 13.06. datiert (wann es zugegangen ist, wird allerdings nicht mitgeteilt) und die Beklagten bereits damals – noch vor Inkrafttreten des MietenWoG – verpflichtet gewesen wären, der Erhöhung zuzustimmen und der Zeitpunkt der Erhöhung auch noch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes gelegen hätte. Das MietenWoG spricht ganz eindeutig von der am Stichtag vereinbarten Miete. Da das BGB die Mieterhöhung als Rechtsgeschäft regelt und eine Vereinbarung erst mit Abgabe beider Willenserklärungen zustande kommt, war hier am Stichtag eben nichts anderes vereinbart. Abweichende Überleitungsvorschriften enthält das MietenWOG nicht.

Diese Deutung ergibt sich im Übrigen auch deutlich aus der Gesetzesbegründung, aus der ganz klar hervorgeht dass der Landesgesetzgeber das Verbot als Verbot im Sinne des § 134 BGB verstanden wissen will (die Beschlussvorlage des Senats an das Abgeordnetenhaus vom 28.11.19, Seite 25 sagt es deutlich: “Die Verwendung des Wortes “verboten” soll verdeutlichen, dass es sich hierbei um ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB handelt. Das bedeutet: Rechtsgeschäfte sind insoweit nichtig, als sie gegen das Verbot verstoßen”) und auch keineswegs die Konsequenzen einer solchen Umgehungsauslegung will: Weder sollen die Beträge nach Auslaufen des Gesetzes nachzuzahlen sein, noch soll die erhöhte Miete Ausgangsmiete für spätere Mieterhöhungen sein. Überzahlungen sollen nach §§ 812 ff BGB zurückzufordern sein.

Laut Gesetzesbegründung zu § 3 MietenWoG Berlin hat diese Vorschrift die Bestandsmieten zum Stichtag 18. Juni 2019 “eingefroren” (wörtlich! siehe Beschlussvorlage aaO S. 25; Fraktionsantrag zur Änderung der Beschlussvorlage zur Drucks. 18/2347 vom 21. Januar 2020, S. 6) und dabei eine “unechte Rückwirkung” normiert, die die zulässige Höhe der Miete nach einem Zeitpunkt bestimmt, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes liegt (vgl. Grzeszick, ZRP 2020, 37, 41). Ein Vermieter kann sich damit auf eine ihm günstige Stichtagsmiete nur dann mit Erfolg berufen, wenn er bis zum 18. Juni 2019 entweder eine einheitliche vertragliche Vereinbarung in Höhe der nach dem Inkrafttreten des MietenWoG Bln geforderten Miete getroffen oder der Mieter bis zum 18. Juni 2019 einem Erhöhungsverlangen des Vermieters freiwillig zugestimmt oder ein bis zum 18. Juni 2019 rechtskräftig gewordenes Urteil die Zustimmung des Mieters gemäß § 894 Satz 1 ZPO ersetzt hat (vgl. Grzeszick, a.a.O.; Herrlein/Tuschl, NZM 2020, 217, 222; Schultz, GE 2020, 1687, 172). Das ist hier nicht der Fall (so im Übrigen eindeutig auch die Haltung der hiesigen Berufungskammer, LG Berlin, Beschluss vom 12.03.2020, 67 S 274/19).

Soweit etwa das Amtsgericht Charlottenburg das MietenWoG auf solche “Altfälle” nicht angewendet wissen will, ist die Begründung nicht nachvollziehbar. Danach soll § 3 Abs. 1 MietenWoG seinem Wortlaut nach allenfalls die Frage regeln, welcher Tag als Bemessungsgrundlage für eine zukünftig (also gerade nach Erlass des Gesetzes) noch zulässige maximale Miethöhe heranzuziehen sein soll. Die zitierte Gesetzesbegründung (“regelt nicht das Verbot, bereits ab dem Stichtag eine höhere Miete als die Stichtagsmiete zu verlangen. Ein solches Verbot gilt, da im Gesetz nichts anderes geregelt ist, erst ab Inkrafttreten des Gesetzes.” – Seite 6 des beschlossenen Änderungsantrags der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 21. Januar 2020 zur Vorlage) sagt das nun gerade nicht, sondern sie drückt nur aus, was selbstverständlich ist: Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes ist dieses natürlich zu ignorieren und die Gerichte haben ohne Beachtung des (nicht geltenden) Gesetzes zu urteilen. Übersehen wird auch, dass das MietenWoG zwar einerseits sorgsam die unmittelbar relevanten Begriffe des BGB vermeidet, aber ebenso sorgsam formuliert, an welchen Stellen des BGB-Systems eingegriffen werden soll. Das hier der Begriff “vereinbart” verwandt wird, dürfte kein Zufall sein, und dem Gesetzgeber auch offensichtlich klar, dass “vereinbart” eben etwas anderes ist, als “Zustimmung geschuldet”.

Im Übrigen hat die hier zuständige Berufungskammer des Landgerichts Berlin diese Frage in seinem Beschluss vom 12.03.2020, 67 S 274/19 zwar nicht rechtskräftig oder gar bindend, wohl aber wegweisend im Sinne der auch hier vertretenen Auffassung entschieden.

Von einzelnen Kommentatoren wurde schließlich der Versuch unternommen, wegen der schweren verfassungsrechtlichen Bedenken die Verbotsnorm so auszulegen, dass das Verbot zivilrechtlich nicht von Belang sein soll (Schultz, GE 2020, 168). Einige Amtsgerichte haben demgemäß bereits unter Geltung des MietenWoG Verurteilungen auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung ausgesprochen (u.a. AG Charlottenburg, Urteil vom 04.03.2020 – 213 C 136/19, Amtsgericht Schöneberg, Urteil vom 27.02.2020 – 13 C 192/19; Amtsgericht Pankow/Weißensee, Urteil vom 18.03.2020 – 2 C 409/19). Das ist aber nicht haltbar.

Das Amtsgericht Charlottenburg argumentiert damit, dass im ursprünglichen Entwurf des Gesetzes noch das Verbot normiert gewesen sei, eine höhere Miete zu fordern, im endgültigen Gesetzestext aber das Wort “fordern” gestrichen worden sei. Das Verbot eines Teils einer Miete selbst (ohne Zusatz etwa eines “Forderns”) setze voraus, dass ein solcher Anspruch bereits entstanden sei. Diese Argumentation geht aber an der Problemlage vorbei, weil § 134 BGB systematisch eben einen Vertrag voraussetzt, der wegen eines Verbotes von Anfang an nichtig ist.

Die ebenfalls ins Feld geführte Formel “Bundesrecht bricht Landesrecht” (Amtsgericht Charlottenburg) ist zwar sicher zu beachten, unterfällt aber nicht der Beurteilungskompetenz des Amtsgerichts (siehe Art 100 Abs. 1 Satz 2 2. Hs GG).

Wenn das Amtsgericht Pankow/Weißensee hier eine gesetzgebende Katze erkennen will, die sich in den legislativen Schwanz zu beißen scheint, wenn in der Begründung einerseits zu lesen sei, man wolle nicht in Vertragsverhältnisse eingreifen, andererseits aber die Verbote als Verbote im Sinne des § 134 BGB verstanden wissen will, trifft das zwar sicherlich ins Schwarze, daraus den Schluss zu ziehen, das Gesetz sei zivilrechtlich irrelevant, würde die bewusste Katze jedoch in zwei Teile zerreißen. Zivilrechtliches Mietrecht und öffentliches Wohnungswesenrecht – der Katze vordere und hintere Hälfte – liefen getrennte Wege, die Einheit der Rechtsordnung wäre aufgegeben. Es würden zwei nebeneinander herlaufende Regelungssysteme geschaffen, die in keiner Weise zueinander passen. Der Mieter muss zwar einer Mieterhöhung zustimmen und die Mietparteien haben dann einen Vertrag über die neue Miethöhe geschlossen, der Vermieter darf aber landesrechtlich nicht fordern, was er bundesrechtlich einfordern dürfte. Zahlt der Mieter nicht, würde eine Klage des Vermieters auf Nachzahlung zwar vor dem Zivilgericht erfolgreich sein, vor dem Verwaltungsgericht würde der Vermieter aber mit seiner Klage gegen die daraufhin verhängten Bußgelder unterliegen. Und ist ein Mieter, der nicht zahlt, weil das Landesrecht ihm das gestattet, in Verzug, weil das Bundesrecht ihm die Zahlung auferlegt und muss deshalb eine Kündigungsklage befürchten?”