AMV im Lichte der Presse:

Berliner Morgenpost am 22.07.2021: Vermüllung – Anwohner wollen wieder eigene Hausmeister
Nur elf Personen kümmern sich um die rund 5400 Gewobag-Wohnungen in Spandau. Mieter wünschen sich eine Reintegration der Dienste.
Berlin. Petra Winter fühlt sich, als würde sie irgendwann im Schmutz umkommen. „Ich habe zwei Hunde, denen verbiete ich, sich im Fahrstuhl hinzusetzen“, erklärt die Mieterin aus der Großsiedlung Heerstraße Nord in Staaken, „die würden da nur mit ihrem Fell festkleben.“ Ständig sei etwas in der von der Gewobag betreuten Wohnsiedlung verschmutzt. Es ist ungepflegt und voller Ratten. Überall liege Müll und ist etwas kaputt, dauere es viel zu lange, bis endlich etwas getan werde und wirklich mal ein Zuständiger vorbeikommt, klagt Winter.
„Wir dürfen nicht einmal selbst ein Fahrstuhl-Unternehmen anrufen, so wie früher, das geht alles zentral über den Gewobag-Reparaturservice, der dann auch letztendlich und vor allem langwierig über den Auftrag entscheidet“, so Winter weiter. „Zuletzt war monatelang die Beleuchtung im Vorhaus kaputt. Bis sich mal jemand gekümmert hat, mussten wir abends oft im Stockdunklen versuchen, ins Haus zu kommen.“ Früher, da sei man einfach über die Straße zum Hauswart gegangen, habe sein Problem erläutert und schon am gleichen Tag Hilfe bekommen.

Gewobag übernahm 3400 Wohnungen von ADO

Früher, das war bevor das kommunale Wohnungsunternehmen Gewobag 2019 circa 3400 Wohnungen des ehemaligen luxemburgischen Immobilienkonzerns ADO (heute Adler Group) in Staaken übernahm, darunter auch Winters Einheit in der Obstallee. Seit dem wurde bei Reinigungsdienstleistungen massiv eingespart, so der Eindruck der Anwohner. Jetzt kümmere sich nur noch ein einziger Hauswart um den ganzen Straßenzug.
Rekommunalisierung wird in Spandaus Kiezen – wie etwa in der Siedlung An der Kappe – oft als Rettung vor privater „Heuschrecken-Mentalität“ herbeigesehnt. In der Heerstraße Nord scheint sie eher das Problem zu sein. Denn um ihre Strukturen schlanker und effizienter zu gestalten, lagerten die landeseigenen Wohnungsunternehmen Anfang der 2000er Hausmeisterdienste vielfach komplett an Fremdfirmen aus. Oder gründeten spezielle Tochterunternehmen und veräußerten diese dann wieder. Mit spürbaren Folgen.
„Der Gewobag ist ihr Wachstumskurs nicht bekommen“, sagt Marcel Eupen, erster Vorsitzender des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbunds (AMV), „die Übernahme von der ADO zeigt leider, dass mit der Kommunalisierung nicht immer alles besser wird.“ So waren bei den Mieterinnen und Mietern der Großsiedlung Heerstraße Nord durchaus große Hoffnungen auf Besserungen mit dem Besitzerwechsel verbunden, die allerdings bitter enttäuscht wurden.
„Die Zustände bezüglich Sicherheit, Sauberkeit und Service haben sich seit 2019 nicht verbessert, sondern sehenden Auges erheblich verschlechtert“, betont Eupen. „Es besteht dringender Handlungsbedarf, damit die Gewobag in der Großsiedlung Heerstraße Nord ihrem gesellschaftlichen Wohnraumversorgungsauftrag nachkommt“.

Reintegration der Hausmeister- und Reinigungsdienstleistungen gefordert

Ein erster, immens wichtiger Schritt hierzu sei schon die dringend notwendige Reintegration der Hausmeister- und Reinigungsdienstleistungen in die Gewobag. Immerhin gehören dem Unternehmen seit der Übernahme in Staaken mittlerweile rund 5400 Wohnungen. Für diese sind aber wiederum nur insgesamt elf extern angestellte Hausmeister zuständig.
„Das erklärt auch die vielen Beschwerden im Gebiet“, glaubt die Spandauer Linken-Abgeordnete Franziska Leschewitz. „Ich unterstütze daher die Forderungen nach einer Reintegration, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Und damit auch die Qualität der Arbeit.“
Im Juni erst hatte ein Bündnis, dem auch der Mieterrat der Gewobag angehört, in einem offenen Brief unter anderem an Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke), Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) und Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) auf die Missstände hingewiesen. Knackpunkt ihrer Argumentation: die Gewobag verkaufte 2011 im Rahmen einer Umstrukturierung ihr Hausmeister-Tochterunternehmen Gewobag HS an die Firma fletwerk, ein gemeinsames Unternehmen der Firmen Gegenbauer, B&O sowie 3B.
Seit dem klagen die Beschäftigten dort über niedrige Löhne, Sozialleistungen und Arbeitschutzstandards – was sich unmittelbar auch auf die zunehmend negative Qualität der Arbeit auswirke, so das Schreiben. Oder wie Petra Winter es ausdrückt: „Viele der neuen Hausmeister sind frech und interessieren sich nicht für unsere Probleme.“ Das Bündnis fordert daher wieder Quartier- und objektbezogene Hausmeister, die einen festen Bestand haben und für die Mieter vor Ort auch echte Ansprechpartner sind.

Projektgruppe gegen die Vermüllung

Und wie reagiert die Gewobag auf diese Vorschläge? „Wir haben mit unseren Dienstleistern kompetente Partner an unserer Seite, mit denen wir im stetigen Austausch stehen, um die Prozesse zu optimieren“, so Gewobag-Sprecherin Monique Leistner zu den externen Hausmeistern, „allerdings sind die Hauswarte nicht die ersten Ansprechpartner für Mieter. Unsere Mieter können sich an das Service Center, an den Reparaturservice und den 24 h-Notdienst wenden.“
Mangelnde Ordnung und Sauberkeit würden zudem in vielen größeren Wohnsiedlungen den Berliner Alltag kennzeichnen. „Für die Lösung dieser Problematik ist die Gewobag auch auf die Unterstützung und den verantwortungsbewussten Umgang unserer Mieterinnen und Mieter angewiesen“,so Leistner, „wir arbeiten bei der Rattenproblematik außerdem in enger Abstimmung mit einem Schädlingsbekämpfer zusammen, der im Quartier in unserem Auftrag entsprechende Maßnahmen durchführt.“
Zudem habe die Gewobag eine Projektgruppe mit Mietervertretern eingerichtet, in der gemeinsam Maßnahmen für mehr Ordnung und Sauberkeit in den Quartieren erarbeitet werden.

Übernahme der ADO-Bestände ist große Herausforderung

In den Antworten auf zwei schriftliche Anfragen der Linken-Politikerin Leschewitz spricht an anderer Stelle Wohnungsbaustaatssekretärin Wenke Christoph (Linke) für das kommunale Unternehmen, über das die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen die Fachaufsicht führt. „Die Übernahme der ehemaligen ADO-Bestände war und ist eine große Herausforderung für die Gewobag“, so Christoph, „bei der sich die nachfolgenden Prozesse in der Kommunikation mit den Mietern verbessern werden.“
Zu einer Reintegration der Hausmeister äußerte sich die Gewobag jedoch nicht. In der Vergangenheit wurden ähnliche Anfragen zur Wiederinbetriebnahme eines Sicherheitsdienstes oft als nicht wirtschaftlich abgelehnt.
Für Leschewitz ist es derweil typisch, dass die Mieter vor Ort in der Müll-Problematik letztendlich selbst aktiv werden mussten. „Die Gewobag musste regelrecht zum Jagen getragen werden“, so die Politikerin, „dabei sollte sie die Herstellung der Sauberkeit, sowohl beim Müll, als auch bei der Ungezieferbekämpfung, zu ihrer Toppriorität im Quartier machen.“ Man drohe jedenfalls die durchaus vorhandene Euphorie über den kommunalen Rückkauf der Wohnungen in Staaken langfristig zu verspielen.