Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:

rbb24.de am 26.10.2021 – Share Deals auf dem Wohnungsmarkt: Immobilienkonzerne haben in Berlin besonders oft die Grunderwerbssteuer umgangen

Große Immobilienverkäufe werden oft mithilfe sogenannter Share Deals abgewickelt, ohne dass die Grunderwerbssteuer fällig wird. In Berlin sind in den letzten sechs Jahren bis zu 31 Prozent der Immobilien pro Jahr auf diese Art gekauft worden.

Berlin weist einen hohen Anteil an Immobilien-Transaktionen auf, bei denen Wohnungen nur anteilig erworben werden, damit die Käufer die Zahlung der Grunderwerbsteuer umgehen können. Das geht aus einer Antwort des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) auf eine Frage des Berliner Bundestagsabgeordneten Pascal Meiser (Linke) hervor, die rbb|24 vorliegt. Zuerst hatte die Berliner Zeitung darüber berichtet.

Diese sogenannten “Share Deals” machten in den vergangenen sechs Jahren in Berlin bis zu 31 Prozent der Transaktionen aus, bundesweit waren es hingegen nur maximal 15 Prozent pro Jahr. Illegal ist diese Praktik nicht. Es handelt sich jedoch um ein Steuerschlupfloch, das ausgiebig genutzt wird.

90 Prozent der Immobilie – null Prozent Steuer

Die Grunderwerbsteuer wird beim Kauf von unbebauten oder bebauten Grundstücken fällig. Diese beträgt je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5 Prozent des Kaufpreises einer Immobilie – in Berlin sind es sechs Prozent. Da bei einem Share Deal Immobilien in einem Unternehmen gebündelt und der Käufer Anteile an dem Unternehmen übernimmt, handelt es sich streng genommen nicht um einen Immobilienkauf – somit fällt die Grunderwerbsteuer weg. So reicht es, nur knapp 90 Prozent an einer Gesellschaft zu erwerben, um die Zahlung von Grunderwerbsteuer zu umgehen.
“Es darf nicht sein, dass beim Kauf eines kleinen Eigenheimes die Grunderwerbssteuer voll zuschlägt, während sich große Unternehmen mit Hilfe von Steuertricks vor der Zahlung dieser Steuer drücken”, moniert Meiser. Seit Jahren gingen der öffentlichen Hand durch “Share Deals” Steuereinnahmen in Milliardenhöhe verloren, die an anderer Stelle dringend gebraucht würden.

100 Millionen Euro könnten Berlin dadurch verloren gehen

Laut Recherchen des Saarländischen Rundfunks (SR) gemeinsam mit Correktiv sind bei mehr als einem Drittel (34 Prozent) aller großen Wohnungstransaktionen (mehr als 800 Wohneinheiten pro Verkauf) zwischen 1999 und 2019 wegen Share-Deal-Konstruktionen keine Grunderwerbsteuern in die Staatskasse geflossen.
Wie hoch die Verluste für die öffentliche Hand sind, geht aus der Antwort der Bundesregierung an Meisers Frage nicht heraus. Eine offizielle Schätzung der Bundesregierung zu den Steuerausfällen durch Share Deals gibt es nicht. Das hessische Finanzministerium ging 2016 in einer eigenen Schätzung von Einnahmeverlusten für die öffentliche Hand von rund einer Milliarde Euro pro Jahr bezogen auf das gesamte Bundesgebiet aus [faz.de]. In Berlin könnten es laut einer Schätzung von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) aus dem Jahr 2019 etwa 100 Millionen Euro im Jahr sein [tagesspiegel.de].

Vonovia laut Berichten an Share Deal interessiert
Dabei hat der Bundesrat am 7. Mai der Neuregelung der Grunderwerbsteuer zugestimmt, mit der Union und SPD den Schwellenwert für Share Deals von 95 auf 90 Prozent herabgesetzt und die Umgehung der Grunderwerbsteuer beim Immobilienkauf erschweren wollten. Tatsächlich ging zuletzt in Berlin der Anteil an Share Deals zurück. Doch verhindert werden, konnten sie damit nicht.
So belief sich der Anteil von Share Deals nach der Antwort auf Meisers Anfrage in Berlin 2015 noch auf 31 Prozent (Bund: 15 Prozent), 2016 auf 20 Prozent (Bund: 11 Prozent), 2017 auf 23 Prozent (Bund: 9 Prozent), 2018 auf 25 Prozent (Bund: 10 Prozent), 2019 auf 14 Prozent (Bund 9 Prozent) und zuletzt 2020 auf 7 Prozent (Bund: 8 Prozent).

So könnte auch Vonovia laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nur bis zu 90 Prozent der rund 157.500 Wohnungseinheiten von Deutsche Wohnen übernehmen ohne eine Grunderwerbsteuer zahlen zu müssen [faz.de]. Nach Rechnungen der Grünen-Finanzpolitikerin Lisa Paus geht es dabei um Steuerverluste in Höhe von einer Milliarde Euro.

Share Deals heben kommunales Vorkaufsrecht aus

Doch Shared Deals umgehen nicht nur die Grunderwerbssteuer. “Neben dem Verlust von Steuereinnahmen unterminieren Share Deals das bezirkliche Vorkaufsrecht und damit ein wichtiges Instrument, um dem Ausverkauf Berlins entgegenzuwirken”, erklärt Meiser.
Beim Kauf von Grundstücken steht dem Land Berlin ein Vorkaufsrecht zu. Bei einem Share Deal werden jedoch nicht Wohnungen oder Grundstücke veräußert, sondern Geschäftsanteile an einer Gesellschaft, die Inhaberin der Grundstücke ist. Die künftige Bundesregierung müsse nicht nur diese Steuerschlupflöcher durch eine konsequente Besteuerung von Immobiliendeals schließen. so Meiser. “Sie muss zugleich endlich dafür sorgen, dass Share Deals nicht länger zur Umgehung des kommunalen Vorkaufsrechts genutzt werden können, wie es auch das Land Berlin in seiner Bundesratsinitiative eingefordert hat.”

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