Berliner Zeitung am 16.12.2021 – Hochhaus in Spandau: Mieter fühlen sich nach Feuer von Gewobag im Stich gelassen
Bewohner aus dem Gebiet Heerstraße Nord kritisieren das Verhalten ihres Vermieters. Das ist die landeseigene Gewobag.
Mieter im Gebiet Heerstraße Nord in Spandau durchleben gerade schwere Zeiten. Neben teils hohen Nachzahlungen bei den Heizkosten und dem Wegfall bislang gewährter Mietnachlässe versetzt eine Reihe von Brandstiftungen die Bewohner in Angst und Schrecken. Eine Woche nach dem Feuer in einem 18-geschossigen Hochhaus in der Obstallee schildert Mieterin Linda H., wie es ihr erging – und warum sie über das Verhalten ihres Vermieters, der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag, enttäuscht ist.
„Als der Brand ausgebrochen ist, war ich in meiner Wohnung im zweiten Stock“, berichtet Linda H. „Ich hatte schon Brandgeruch in der Nase und dachte zuerst noch, dass das vielleicht nur eine Erinnerung an einen Fassadenbrand ist, den es einige Tage zuvor unter meinem Fenster gegeben hatte.“ Doch dann habe die Polizei gegen ihre Wohnungstür geschlagen. „Sofort raus, hieß es“, sagt Linda H. „Ich hatte noch mein Nachthemd an, habe mir schnell Jacke und Schuhe angezogen, den Computer geschnappt und bin dann raus.“
Zwei Stunden habe sie draußen im Schneeregen gestanden und gefroren. In der Hoffnung, dass sie bald wieder in die Wohnung kann. „Weil wir erst mal nicht so schnell zurück durften, bin ich zu meiner Mutter gegangen“, berichtet Linda H. Als sie am Nachmittag wieder ins Wohnhaus gelassen wurde, sei von der Gewobag keiner zu sehen gewesen. „Zum Glück stand vor unserem Haus unser Mieterbeirat. Der hat mir gesagt, dass ich ins Hotel Ibis gehen könnte, wo es Ersatzunterkünfte gebe“, so Linda H. Das habe sie getan. „Für mich ist das sehr wichtig, weil ich gerade eine Fortbildung absolviere, die täglich von 8 bis 16 Uhr online stattfindet“, so die Mieterin. „Ich bin also für meine berufliche Zukunft auf eine funktionierende Internetverbindung angewiesen.“
Mieterbeirat fordert eine Taskforce
Im Hotel dürfe sie aber nur noch bis zu diesem Freitag bleiben. „Um 12 Uhr muss ich raus. Was dann passiert, weiß ich nicht“, sagt Linda H. Das Problem: Die Gewobag sei einfach nicht zu sprechen. „Ich versuche jeden Tag, sie zu erreichen, aber es meldet sich einfach niemand. Weder telefonisch noch per E-Mail“, so Linda H. „Ich kenne das leider schon.“ Seit einem Jahr funktioniere ihre Klingel nicht, auch die Gegensprechanlage sei kaputt. „Ich habe immer wieder Schadensmeldungen geschrieben. Ein halbes Jahr. Ohne Erfolg“, so Linda H.
Christopher Ortmann, Mieterbeirat in der Wohnsiedlung, bekräftigt die Kritik am Vermieter. „Die Gewobag hat die Mieter nach dem Brand am Freitag letzter Woche komplett im Stich gelassen“, sagt er. Die Gewobag sollte jetzt auf die Situation reagieren und eine Taskforce bilden, die bei Bränden sofort aktiviert werden muss, fordert er. Seit März dieses Jahres haben sich im Quartier Heerstraße/Maulbeerallee in Spandau Brandvorfälle gehäuft. Bereits vor dem Feuer im Wohnhochhaus zählte die Gewobag in ihren Beständen 13 Brände.
Die Gewobag stellt die Kommunikation mit den Mietern nach dem Brand im Wohnhochhaus anders dar. Die Gewobag habe ihren Mietern die Ersatzunterkunft im Hotel „persönlich vor Ort und telefonisch über unser Service-Center benannt“, so eine Unternehmenssprecherin. „Unsere Mitarbeiter haben darüber hinaus die Mieterinnen und Mieter persönlich vor Ort sowie über Hausaushänge darüber informiert, sich um alternative Unterkünfte zu bemühen.“ Aktuell seien 72 Zimmer des Hotels durch Mieter belegt. Für die Kosten komme die Gewobag auf.
Bewohner fordern einen Sicherheitsdienst
Aufzüge, Heizungen, Wasserversorgung, Strom sowie der Empfang von Fernsehen und Internet wurden laut Gewobag durch den Kellerbrand im Wohnhochhaus beeinträchtigt. Die Abarbeitung der Schäden erfolge „sukzessive“. Seit Dienstag gebe es „in fast allen Wohnungen“ wieder Strom und einen reparierten Aufzug. Die Sanitärarbeiten haben laut Gewobag ebenfalls am Dienstag begonnen. Zum Freitagabend solle auch die Warmwasserversorgung wiederhergestellt sein, sodass Mieter, die im Hotel oder bei Freunden oder Familien untergekommen seien, wieder in ihre Wohnungen zurückkönnen. Darüber seien die Mieter „persönlich und über Hausaushänge bereits informiert“ worden. Linda H. scheinen die Informationen nicht erreicht zu haben. „Ich habe von der Gewobag überhaupt gar nichts gehört“, teilt sie am Donnerstag mit. „Ich bin verzweifelt.“ Auf Nachfrage räumt die Gewobag ein, dass die Verbindungen für Internet- und Fernsehen im Hochhaus noch nicht wiederhergestellt sind. Dies werde noch Zeit in Anspruch nehmen.
Trotz des neuerlichen Feuers hält die Gewobag die Wiedereinführung eines Sicherheitsdienstes nicht für notwendig. „Unter Berücksichtigung der Größe des Quartiers, der baulichen Gegebenheiten sowie der sehr unterschiedlichen Tageszeiten und auch Ursachen der Brandereignisse lässt sich ein Zusammenhang zwischen Schadensereignissen und einer fehlenden Bestreifung nicht herstellen“, erklärt das Unternehmen. Die Mieter sammeln unterdessen Unterschriften für die Einführung eines Sicherheitsdienstes. Etwa 800 Unterschriften seien schon zusammengekommen, so Mieterin Petra W.
Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV) stellt sich hinter die Bewohner. „Wir unterstützen die Mieter in der Forderung, einen Sicherheitsdienst mit dem Schutz der Wohnsiedlung zu beauftragen, zumindest solange die Brandstiftungen andauern“, sagt AMV-Chef Marcel Eupen. „Außerdem erwarten wir, dass die Gewobag einen Risiko-Beauftragten für das Wohngebiet einsetzt, der Tag und Nacht ansprechbar ist.“ Mehr noch: „Schließlich sehen wir uns wegen vielfach verschleppter Reparaturen gezwungen, bei der Gewobag eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Wohnhäuser anzumahnen“, sagt Eupen. Diese finde zurzeit „leider nicht statt“.