Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:

Berliner Morgenpost am 17.03.2022: Brandsereie in Staaken – Gewobag setzt auf Videokameras
Erneut hat es in einer Hochhaussiedlung in Staaken gebrannt. Es sind mittlerweile Fall 77 und 78 der Serie von Brandstiftungen.
Berlin. Die Bewohnerinnen und Bewohner Spandaus müssen weiter in Angst leben. In der Nacht zu Donnerstag legten Unbekannte erneut Feuer in den Kellern eines elf- und eines 13-geschossigen Wohnhauses am Blasewitzer Ring in Staaken. Eine Anwohnerin bemerkte die Brände gegen zwei Uhr und alarmierte die Feuerwehr.
Die Rettungskräfte mussten zwölf Menschen in Sicherheit bringen, von denen drei eine leichte Rauchgasvergiftung erlitten und vor Ort ambulant behandelt wurden. Die Flammen konnten schnell gelöscht werden, sie gingen nicht auf andere Gebäudeteile über. Knapp zwei Stunden später stellten Polizeibeamten ein weiteres Feuer im Keller eines nahe gelegenen Mehrfamilienhauses fest. Verletzt wurde dort niemand.
Am Donnerstagmorgen herrschte in dem betroffenen Quartier Heerstraße Nord noch immer Bestürzung aufgrund der Vorfälle der vergangenen Nacht. „Das ist doch nicht mehr normal“, sagte eine Anwohnerin des Blasewitzer Rings, „ich schlafe nur noch sehr schlecht, immer wieder brennt es hier in der Gegend.“ Ihr Nachbar Robert Feind stimmte ihr zu. Es sei mittlerweile ein bedrückendes Gefühl, hier leben zu müssen: „Der viele Sperrmüll in den Fluren und den Gängen macht mir zusätzlich Angst, sollte wieder bei uns Feuer gelegt werden“, so Feind.
Die Spandauer Brandserie dauert bereits seit Herbst 2021 an. Die Feuer wurden, wie auch in den beiden jüngsten Fällen, meist in den Kellern von Hochhäusern gelegt. Die Polizei spricht laut Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) von mittlerweile 78 Taten in Staaken und Wilhelmstadt, die der Serie zuzurechnen sind.

Raed Saleh wurde versichert, es solle wieder einen Sicherheitsdienst geben

Die Beunruhigung im Kiez ist daher groß. Die Wut und Verzweiflung richtet sich vor allem gegen den Vermieter, in den meisten Fällen ist das die landeseigene Wohnungsgesellschaft Gewobag. Viele im Quartier fühlen sich in ihren Ängsten und Sorgen von ihr nicht ernst genommen und mit den Feuerteufeln allein gelassen. „Die Gewobag trifft gegenüber ihren Mietern eine Verkehrssicherungs- und eine Fürsorgepflicht, der sie momentan nicht im benötigtem Umfang nachkommt“, sagt etwa Marcel Eupen, Erster Vorsitzender des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbunds (AMV), der viele Betroffene berät. Sie habe die Pflicht, alle notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Schäden ihrer Mieter zu verhindern, so Eupen.
Dazu gehöre etwa auch die Verschließbarkeit der Eingangstüren, eine konsequente Entsorgung des leicht entzündlichen Sperrmülls und eine umfängliche Betreuung von betroffenen Mietern, was vielfach noch immer nicht geschehe. „Der AMV fordert die Einsetzung einer Task Force, die für die Brandfälle und deren Beseitigung ausschließlich zuständig und die rund um die Uhr für die Mieter erreichbar ist“, sagt Eupen.
Mietervertreter verlangten zuletzt auch die Wiedereinführung eines Sicherheitsdienstes, wie es ihn unter den privaten Vorgängern der Gewobag noch gegeben hat. Die Gewobag lehnt das bislang aber ab. Zuletzt hatte auch Innensenatorin Spranger die Wohnungsgesellschaft für diese Haltung kritisiert. Und nicht nur sie. Der Berliner SPD-Landeschef Raed Saleh ist in der Gegend aufgewachsen. Zuletzt setzte er die Probleme des Quartiers auf die politische Agenda des Senats. „Von Seiten der Gewobag wurde mir in Gesprächen mitgeteilt, dass ein Sicherheitsdienst und auch der Hausmeisterservice wieder eingeführt werden sollen“, sagt Saleh. Die Wohnungsbaugesellschaft bestätigte das auf Anfrage der Morgenpost nicht. In enger Abstimmung mit den Experten der Polizei habe man sich viel eher auf den Einsatz von Überwachungskameras geeinigt. „Wir sind der Überzeugung, dass die Wirksamkeit von Videokameras als Präventionsmaßnahme deutlich höher ist als die eines Sicherheitsdienstes in diesem Quartier“, sagt Gewobag-Sprecherin Anne Grubert.
Auch Bezirksbürgermeisterin Carola Brückner (SPD) fordert mehr Sicherheit für die Mieter: „Ich erwarte von der Gewobag insbesondere, dass der private Sicherheitsdienst reaktiviert wird, damit ausgebildete Ansprechpartner tagsüber bis in die Nachtstunden hinein zusätzlich einen Blick auf das aktuelle Geschehen auf der Straße haben.“ Dies stelle eine sehr sinnvolle Ergänzung für die bereits verstärkt eingesetzte mobile, aber auch zivile Bestreifung durch die Polizei dar. Ähnlich äußerte sich der Gemeinwesenverein Heerstraße Nord.

Polizei setzte Ermittlungsgruppe „Quartier“ ein

Die Polizei konnte die Serie in Staaken bisher nicht stoppen. Anfang Januar wurde beim Berliner Landeskriminalamt (LKA) eine eigene Ermittlungsgruppe, die EG „Quartier“ eingerichtet. Es gebe verdeckte Ermittler, eine mobile Polizeiwache, Präsenzstreifen der Polizei und Präventionsteams, heißt es seitens der Polizei. Zuletzt wurde im Januar ein 16-Jähriger festgenommen. Es gebe aber wohl Nachahmungstäter, hieß es.
Inzwischen wurde eine Belohnung von 1000 Euro ausgesetzt. Spranger forderte die Wohnungsbaugesellschaften dringend auf, herumliegenden Müll in den Häusern schneller zu entsorgen und Hausmeister und Wachleute einzusetzen.
Die Polizei Berlin sucht weiterhin nach Zeugen und Hinweisgebern zu den Brandstiftungen. Hinweise nehmen die Ermittlungsgruppe „Quartier“ unter der Telefonnummer 4664-912112 oder jede andere Polizeidienststelle entgegen.