Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:

Berliner Zeitung am 02.05.2022: Falsche Heizkostenabrechnung – Mieter bekommen Geld zurück
Landeseigene Gewobag räumt Fehler ein und korrigiert frühere Angaben. Mieterberater fordern Aufklärung.
Überraschende Wende im Streit um hohe Heizkostennachzahlungen für Mieter in Staaken. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag hat jetzt eingeräumt, dass Betriebskostenabrechnungen für 1693 Wohnungen in Staaken falsch gewesen seien. In Schreiben an die Mieter heißt es: „In der Betriebskostenabrechnung 2020 wurde ein falscher Grund für die erhöhten Stromkosten angegeben. Diesen korrigieren wir hiermit.“ Die zu viel verlangten Stromkosten für das Abrechnungsjahr 2020 würden den Bewohnern im Gebiet Heerstraße Nord „gutgeschrieben“. Für eine durchschnittliche Wohnung mit 65 Quadratmetern ergibt sich nach Angaben von Gewobag-Sprecherin Anne Grubert ein Guthaben zwischen 450 und 600 Euro.
Durch die „Übermittlung falscher Daten vom städtischen Netzbetreiber Stromnetz Berlin GmbH an den Energieversorger Vattenfall“ seien „von Vattenfall an die Gewobag fehlerhafte Rechnungsbeträge“ erhoben worden, heißt es in Schreiben der Wohnungsbaugesellschaft an die Mieter. Dies habe dazu geführt, dass von den Bewohnern „eine zu hohe Forderung“ erhoben worden sei. Die Stromnetz Berlin GmbH habe „ihren Fehler erkannt, korrigiert und die richtigen Daten an Vattenfall übermittelt“.
Worin der Fehler bestand, geht aus einem Schreiben von Vattenfall an die Mieter hervor. Darin heißt es, dass es nach einer IT-Umstellung bei Stromnetz Berlin „für das Vattenfall-Abrechnungssystem nicht erkennbar“ gewesen sei, dass es sich bei der Verbrauchsstelle um eine Nachtspeicherheizungsanlage und nicht um „einen Standardstromanschluss“ gehandelt habe. Bei Nachtspeicherheizungen würden geringere Netzentgelte und eine geringere Konzessionsabgabe vom Netzbetreiber in Rechnung gestellt. Deshalb seien der Gewobag im vorliegenden Fall von Vattenfall „zu hohe Rechnungsbeträge“ übermittelt worden, „was zu einer falschen Forderung seitens der Gewobag“ gegenüber den Mietern geführt habe.

Aus hohen Nachforderungen werden hohe Gutschriften

Wie berichtet, enthielten die ursprünglich erstellten Betriebskostenabrechnungen der Gewobag für die Mieter mit Nachtstromspeicherheizungen teils Nachforderungen von mehreren Hundert Euro für das Jahr 2020. In einem Fall, in dem die Mieter eigentlich 489,80 Euro nachzahlen sollten, dürfen sich die Bewohner nun nach der Korrektur über ein Guthaben von 872,62 Euro freuen.
Die Gewobag hatte die Wohnungen in Staaken erst Ende 2019 von der privaten ADO Properties erworben. Die höheren Nachzahlungen für das Jahr 2020 begründete die Gewobag gegenüber den Mietern zunächst mit einer kuriosen Erklärung. Die Kostenerhöhung resultiere unter anderem „daraus, dass in dem neuen Vertrag von Stromerzeugung aus Kernenergie auf Ökostrom gewechselt wurde“, hieß es. Später rückte die Gewobag davon ab – und erklärte, es habe gar keinen Tarifwechsel gegeben. Sowohl die ADO als auch die Gewobag nutzten den Tarif Klima Natur des Stromerzeugers Vattenfall. Mit einem Unterschied: Die private ADO habe „denselben Tarif Klima Natur zu günstigeren Konditionen eingekauft als die Gewobag im Wege der öffentlichen Ausschreibung“. Die Erklärung, die Erhöhung der Kosten resultiere daraus, dass in einem neuen Vertrag von Stromerzeugung aus Kernenergie auf Ökostrom gewechselt wurde, sei „fehlerhaft“ gewesen. Das sei aber „erst im Nachgang“ aufgefallen.
Die Gewobag verwies schließlich darauf, dass „sich rund drei Viertel der höheren Kosten durch die Erhöhung von Steuern und Abgaben“ erklärten. „Der Rest entstand durch den Preis pro Einheit Energie und durch den erhöhten Energieverbrauch in Zeiten der Pandemie.“ Die Heizungen seien in dieser Zeit „mehr genutzt“ worden, da die Mieter „mehr Zeit zuhause verbracht“ hätten. Jetzt nun die komplette Kehrtwende mit einer Korrektur der Nebenkostenabrechnung. „Die Gesamtrückzahlung von Vattenfall beträgt rund 800.000 Euro“, erklärt Gewobag-Sprecherin Grubert.

Unternehmen verteidigt sein Vorgehen

Die Gewobag verteidigt ihr Vorgehen. „Die Betriebskostenabrechnung war im Zeitpunkt der Abrechnung gegenüber den MieterInnen formal richtig“, sagt die Unternehmenssprecherin. „Fehlerhaft war ausschließlich die Angabe zum Vertragswechsel.“ Also die Angabe zum angeblichen Wechsel von Atomstrom auf Ökostrom. Alle anderen Ausführungen seien „im Zeitpunkt der Erstellung richtig“ gewesen. Grubert: „Es war seinerzeit nicht erkennbar, dass die Abrechnung auf der Grundlage einer falschen Datenbasis zu den separaten Positionen Netzentgelt und Konzessionsabgabe gefertigt wurde.“ Insbesondere seien im Vergleich der Werte zwischen 2019 und 2020 und bei Gegenüberstellung der Abrechnungen des Versorgers „keine Abweichungen festzustellen“.
Das sieht der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV), dem die hohen Nachzahlungen aufgefallen waren, anders. „Es ist erschreckend, dass der Fehler in der vorliegenden Größenordnung von mehreren Hunderttausend Euro nicht bereits im Rahmen der Erstellung der maßgeblichen Abrechnungen aufgefallen ist“, sagt AMV-Chef Marcel Eupen. „Schließlich lagen die Kosten des Jahres 2019 vor und damit hätte die exorbitante Kostensteigerung schon vor der Übersendung der Abrechnungen einer gewissenhaften Kontrolle unterzogen werden müssen, die offensichtlich unterblieben ist.“ Anders lasse sich „die falsche Begründung der Kostensteigerung in den Abrechnungen nicht erklären“.
„Wir bedauern diese Situation, weisen aber darauf hin, dass hier kein Verschulden der Gewobag vorliegt“, so Anne Grubert. Für die Erstellung der Kundenrechnung erhalte der Stromlieferant vom Netzbetreiber „in einem automatisierten Prozess die für die Abrechnung notwendigen Daten“, so Grubert. „Als Wohnungsbaugesellschaft stellen wir den auf dieser Datengrundlage ermittelten Energieverbrauch in Rechnung.“ Selbstverständlich werde der zu viel berechnete Betrag in voller Höhe erstattet.

Einsicht in Unterlagen verlangt

Auf die Frage, ob die Gewobag ausschließen kann, dass der Fehler bei der Abrechnung für das Jahr 2020 bereits im Jahr 2019 begangen wurde, erklärt das Unternehmen: „Ja. Die Übermittlung falscher Daten zu den Netzentgelten vom städtischen Netzbetreiber Stromnetz Berlin GmbH an den Energieversorger Vattenfall steht in einem unmittelbaren Zusammenhang einer umfangreichen IT-System-Umstellung bei Stromnetz Berlin GmbH.“
Dem Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbund reichen die bisherigen Erklärungen der Gewobag nicht aus. „Zwar ist es äußerst erfreulich, dass die Gewobag nunmehr 1693 Mietparteien eine Korrektur der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2020 hat zukommen lassen“, sagt AMV-Chef Marcel Eupen. „Erledigt ist der Vorgang deshalb aber noch lange nicht, da die Angaben der Gewobag noch nicht überprüft werden konnten und dafür in der Vergangenheit die Begründung der Kostensteigerung zu oft gewechselt hat“, sagt er. „Ich erwarte von der Gewobag nach wie vor eine lückenlose Aufklärung und insbesondere Einsicht in alle Vertragsdokumente, aus denen der wahre Grund der Kostenexplosion entnommen werden kann“, fordert der AMV-Chef.