Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:

Berliner Zeitung am 27.04.2023: „Es ist eine Qual“: Was ein 17-stöckiges Haus ohne intakten Aufzug für die Mieter bedeutet
Im höchsten Wohngebäude im Falkenhagener Feld in Spandau sind die Fahrstühle sanierungsreif. Ihre Erneuerung könnte sich hinziehen. Die Bewohner sind sauer.
Es „reicht“, sagt Renate Brucker, „es ist unzumutbar“. Die 80-Jährige wohnt im 17-stöckigen Wohnhaus in der Westerwaldstraße 1 in Spandau. Und zwar ganz oben. Das Problem: Immer wieder fallen in dem Hochhaus mit 168 Wohnungen die Fahrstühle aus. Manchmal sogar beide gleichzeitig. So wie in dieser Woche.
„Dann muss ich die Treppe nehmen“, sagt Renate Brucker, die unter Asthma leidet und einen Herzschrittmacher hat. 17 Stockwerke muss sie zurücklegen. „Runter ist nicht so schlimm, aber wenn ich hochlaufe, muss ich alle drei Stockwerke eine Pause machen“, sagt die 80-Jährige. „Es ist eine Qual.“
Anderen Mietern ergehe es noch schlimmer. Wer auf einen Rollator angewiesen sei oder im Rollstuhl sitze, komme beim Ausfall beider Aufzüge gar nicht mehr runter – oder nicht wieder nach oben zurück. So wie am Dienstag dieser Woche. Da hätten viele Mieter im Foyer auf die Reparatur eines der Aufzüge gewartet, der nach kurzem Betrieb wieder ausgefallen war. Der andere Fahrstuhl, der größere von beiden, war bereits zuvor außer Betrieb genommen worden.
Der Concierge habe für die Wartenden im Foyer Stühle aufgestellt, während ein Monteur versuchte, den kurz zuvor ausgefallenen Aufzug zu reparieren, berichtet Gabriela Philipp, Mieterin aus dem elften Stock. Ein Bewohner, der wegen einer Krankheit auf Sauerstoff angewiesen ist, sei in Begleitung der Feuerwehr mit dem Fahrstuhl nach oben gefahren worden. Leider sei es dem Monteur anschließend nicht gelungen, den Aufzug für den weiteren Betrieb zu reparieren.
Bluterguss am Unterarm
Erst ging vor Wochen der kleine Aufzug kaputt, der große funktionierte aber noch. Als die Feuerwehr vor einigen Tagen dann aber mehrere Personen aus dem steckengebliebenen großen Aufzug befreien musste, wurde dieser so stark beschädigt, dass er jetzt gar nicht mehr fährt. Rot-weißes-Flatterband hängt vor der Aufzugstür. „Feuerwehr-Sperrzone“ steht darauf. Eine Erinnerung an die Befreiungsaktion. Danach versuchten die Monteure, zumindest den kleinen Aufzug im Notbetrieb in Gang zu setzen, doch fiel dieser ebenfalls immer wieder aus.
Das Wohnhaus in der Westerwaldstraße 1 ist in Besitz der landeseigenen Berlinovo. Die Wohnungen gehören zu jenen rund 14.750 Wohnungen und rund 450 Gewerbeeinheiten, die im Jahr 2021 von der Berlinovo und den ebenfalls landeseigenen Unternehmen Degewo und Howoge von der Vonovia und der Deutsche Wohnen erworben wurden. Preis: 2,46 Milliarden Euro.
In einem Beschwerdebrief an die Berlinovo kritisierten die Mieter Ende Januar, dass die Aufzüge „laufend“ ausfallen. Es sei eine „Zumutung besonders für die Rollstuhlfahrer, die ihre Wohnungen nicht verlassen können“, sowie für die Mieter in den oberen Etagen. Vor Jahren habe die Deutsche Wohnen „versprochen, dass die Aufzüge erneuert werden“, doch seien diese „nur immer wieder notdürftig repariert worden“. Freundlich, aber bestimmt baten die Mieter um „umgehende Instandsetzung“ beziehungsweise „Erneuerung der Aufzüge“.
In der Antwort auf das Schreiben der Mieter, die im Foyer des Wohnhochhauses aushängt, verweist die Berlinovo darauf, dass sie die Verwaltung der Wohnungen erst zum 1. Januar 2023 von der Deutsche Wohnen übernommen habe. Zugleich versichert sie, dass sie sich dem „Thema der Aufzugssanierung zukünftig verstärkt widmen“ wolle. Kurzfristig notwendig werdende Reparaturen würden weiter von der zuständigen Wartungsfirma vorgenommen.
Verblüffend ehrlich fällt die Antwort der Berlinovo an eine Mieterin aus, die sich vor kurzem erneut über die Aufzüge beschwerte. „Leider ist uns von der Deutsche-Wohnen-Gruppe der technische Zustand der Aufzüge im Objekt Westerwaldstraße 1 nicht ausführlich kommuniziert worden“, räumt die Berlinovo darin ein. „Von der Deutsche-Wohnen-Gruppe haben wir zum Zeitpunkt der Verwaltungsübernahme nur die Auskunft erhalten, dass die Aufzüge vermehrt ausfallen.“
Auf Anfrage der Berliner Zeitung erklärt die Berlinovo, dass beim Erwerb der bauliche Zustand der erworbenen Gebäude „eingewertet und im Ankaufswert berücksichtigt“ worden sei. „Die Ausmaße der technischen Mängel“ seien jedoch erst „im Nachgang zur Verwaltungsübernahme“ am 1. Januar 2023 bekannt geworden.
Die grundlegende Sanierung der beiden Aufzüge sei für dieses Jahr geplant. „Aufgrund von vergaberechtlichen Vorgaben sowie langer Lieferzeiten von einzelnen Aufzugskomponenten“ könnten die Arbeiten aber „voraussichtlich erst im 3./4. Quartal 2023 ausgeführt werden“.
Nachdem der große Aufzug am vergangenen Wochenende außer Betrieb genommen werden musste, habe die Wartungsfirma den kleinen Aufzug im „Notbetrieb“ in Gang setzen können. Die Aufzugsanlage werde „nun täglich von der Wartungsfirma kontrolliert, damit der Notbetrieb sichergestellt werden kann“, so die Berlinovo. Kurz danach folgte die nächste Unterbrechung. Die Reparatur des großen Aufzug wird von der Berlinovo für Donnerstag in Aussicht gestellt.
Sicherheitsdienst soll mitfahren
„Leider haben wir auch regelmäßig mit Vandalismus vor Ort zu kämpfen“, sagt Berlinovo-Sprecher Ulrich Kaliner. „Wir organisieren jetzt einen Sicherheitsdienst, der ab diesen Freitag ab 17 Uhr rund um die Uhr im Einsatz ist und die Mieter in den Fahrten begleitet, um eine sachgerechte Bedienung der Aufzüge sicherzustellen“, kündigt Kaliner an.
Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV) übt Kritik. „Bedenkt man, dass die Berlinovo das maßgebliche Objekt Westerwaldstraße 1 im Paket mit rund 2800 Wohnungen bereits im September 2021 gekauft hat, so ist es unverantwortlich, dass bis zum heutigen Tage anscheinend keine vernünftige technische Bestandsaufnahme stattgefunden hat“, sagt AMV-Chef Marcel Eupen. „Die Berlinovo hätte sich nicht rein auf Auskünfte der Deutschen Wohnen verlassen dürfen, sondern war verpflichtet, den technischen Zustand selber zu überprüfen“, kritisiert Eupen.
„Wir erwarten, dass ab sofort der Austausch der beiden Fahrstühle im Haus Westerwaldstraße 1 bei der Berlinovo oberste Priorität hat und zeitnah durchgeführt wird“, fordert Eupen. Die Berlinovo sollte zugleich „von sich aus allen Mieterinnen und Mietern für die Beeinträchtigung der Wohnqualität durch den Ausfall beider Fahrstühle eine angemessene Mietminderung gewähren“.
Unterdessen stellt sich eine weitere Frage. Und zwar, ob der kleinere der beiden Aufzüge, der nun hin und wieder im Notbetrieb fährt, ohne gültige TÜV-Plakette unterwegs ist. Denn in dem kleinen Aufzug befindet sich eine Prüfplakette des Tüv Süd von 2021 sowie der Hinweis, dass die nächste Prüfung 2022 fällig sei. Der Tüv Süd hat jedoch keine weitere Prüfung vorgenommen. „Die letzte wiederkehrende Prüfung der besagten Anlage durch Tüv Süd hat im Juli 2021 stattgefunden“, teilt ein Sprecher des Tüv auf Anfrage mit. „Danach haben wir keinen weiteren Prüfauftrag erhalten“, sagt der Sprecher. Für den anderen, den großen Aufzug, wurde laut Tüv Süd hingegen „im September 2022 eine Hauptprüfung durchgeführt“. Die nächste Zwischenprüfung für diesen Aufzug sei im Juni 2023 fällig.
Im Juli 2022 habe eine Zwischenprüfung erfolgen sollen, räumt Berlinovo-Sprecher Kaliner ein, im Juli 2023 sei die „nächste Hauptuntersuchung“ geplant. Zur Zwischenprüfung im Jahr 2022 sei die Berlinovo „im Austausch mit den Kollegen“ der Deutsche Wohnen und lasse sich „die Unterlagen übermitteln“. Darüber hinaus sei die Aufzugswartungsfirma „im engen Austausch mit dem Tüv“.
Eine fehlende Tüv-Plakette könnte empfindliche Folgen haben. Der Sprecher des Tüv Süd sagt: „Wenn die vorgeschriebenen Prüfungen nicht durchgeführt werden, kann die zuständige Aufsichtsbehörde die Stilllegung des Aufzugs veranlassen.“