AMV im Lichte der Presse:

Berliner Morgenpost am 01.09.2021: Staakener Anwohner empört über Mieterhöhungen
Kritisiert wird die Adler Group vor allem für den Zeitpunkt der Mieterhöhungen. Aber es gibt auch aus anderen Gründen Unmut.
Eine gehobene Gegend sieht für Regina Lehmann anders aus. „Ich finde, man müsste uns eher Geld geben dafür, dass wir hier wohnen“, sagt die Mieterin einer Einheit im Cosmarweg in Staaken, „Hier in der Umgebung und am Haus ist schon lange nichts mehr gemacht worden, wenn man auf Missstände durch andere Anwohner hinweist, passiert auch nichts.“ So sei etwa die Eingangstür seit Ewigkeiten schon kaputt. Jeder könne einfach in das Wohngebäude rein und raus. „Manchmal fühle ich mich wie im Ghetto“, gibt Lehmann offen zu.
Der Grund für diese drastischen Worte: eine Mieterhöhung der 2020 zum Immobilienkonzern Adler Group fusionierten Firmen ADO, Adler und Consus zum 1. November. Diese fällt in unterschiedlicher Höhe an. Für Lehmann etwa sind es um die zwölf Euro. „Für eine dunkle, kalte und schlecht geschnittene Wohnung wie die meine zu viel“, findet sie.

Rund 700 Wohnungen in Staaken von Mieterhöhungen betroffen

Betroffen von den Erhöhungen sind rund 700 der 779 Wohneinheiten der Rudolf-Wissell-Siedlung im Quartier Heerstraße Nord an Loschwitzer-, Pillnitzer- und Cosmarweg. Die einhellige Begründung der Adler Group: Sanierungen und ein aufwendig gestaltetes Wohnumfeld. Dabei stammen die Wohnungsbestände aus dem Jahr 1972 und sind seit dem vielfach gar nicht modernisiert worden.
Inwiefern der Umstand eine Rolle spielt, dass die Adler Real Estate AG – wie zuletzt das „Handelsblatt“ berichtete – durch die Fusion fast eine halbe Milliarde Euro abschreiben musste, sei einmal dahin gestellt. Auf Anfragen der Berliner Morgenpost hierzu reagierte der Konzern nicht.
Die Empörung über den Schritt des Immobilienunternehmens ist jedenfalls groß. Vor allem der Zeitpunkt kurz vor den Wahlen am 26. September sorgt für Unverständnis. Für die Spandauer Linken bietet indes genau dieser Fakt politische Möglichkeiten, um ihr Wahlprogramm noch einmal deutlich zu untermauern.

Mieterhöhungen als Argumente für Mietendeckel und Enteignung

„Adler muss die Mieterhöhungsverlangen sofort zurücknehmen“, sagt etwa die Spandauer Bundestagsabgeordnete Helin Evrim Sommer (Linke), „gerade in Zeiten von Corona, wo viele Menschen in finanzielle Nöte geraten sind, sind Mieterhöhungen ein Skandal.“ Die unsanierten Wohnungsbestände würden zudem keine höheren Mieten rechtfertigen. „Das Beispiel zeigt: Wir brauchen jetzt einen bundesweiten Mietendeckel“, so Sommer.
Ähnlich drastisch formuliert es Marcel Eupen, erster Vorsitzender des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbunds (AMV): „Taktisch unklüger hätte die Adler Group den Zeitpunkt für ihre Mieterhöhungen in einer sozial benachteiligten Siedlung nicht wählen können. Die Initiative ‘Deutsche Wohnen & Co enteignen’ wird es freuen. Bessere Werbung konnte die Adler Group für das Volksbegehren nicht betreiben.“

Adler Group auch an Lösungen interessiert

Doch nicht überall in Staaken fallen die Meinungen zu den Erhöhungen gleich aus. Die politische Instrumentalisierung stößt etwa Sigrid Brune von der Initiative Runder Tisch – Wohnen in der Großwohnsiedlung Heerstraße Nord übel auf. „Niemand freut sich über höhere Mieten, aber ich will keine DDR 2.0.“, sagt sie. Ab November muss auch Brune 20 Euro mehr zahlen. „Enteignungen sollten eine extreme Ausnahme bleiben“, so die Mieterin. Gleichwohl müsse die Politik Eigentümer mehr in die Pflicht nehmen, um für faire Mieten zu sorgen.
„Es gibt hier in der Tat viele Probleme im Kiez, aber man kann nicht sagen, dass die Adler Group nie etwas dagegen getan hätte“, erklärt Brune. So seien zuletzt erst in vielen Einheiten die Fahrstühle erneuert worden. Die Adler-Vertreter engagierten sich offen am Runden Tisch, um Missstände gemeinsam mit den Mietern zu beseitigen. Richtig sei aber, dass das Unternehmen seit der Übernahme vielfach mit alten Informationen arbeite und die Wohnungen im Einzelnen oft gar nicht kenne.

Mieterhöhungsverlangen in jedem Fall prüfen lassen

„Ich empfehle daher jedem, seine Mietererhöhung individuell prüfen zu lassen“, sagt Brune. Das unterstützt auch AMV-Chef Eupen, der selbst Mieterhöhungsverlangen kontrolliert: „Die bisher vom AMV überprüften sieben Mieterhöhungsverlangen waren allesamt überhöht.“ Der AMV sei dabei sogar jeweils zu dem Ergebnis gekommen, dass bereits die momentan gezahlte Miete zu hoch ist. Die Mieterhöhungsverlangen seien folglich unbegründet und die Mieterinnen und Mieter müssten nicht zustimmen, so Eupen weiter.
Auch der Linken-Fraktionsvorsitzender Lars Leschewitz ruft dazu auf: „Lassen Sie die Mieterhöhungsverlangen überprüfen! Wehren Sie sich! Oft sind die Mieterhöhungsverlangen fehlerhaft und können ganz oder teilweise abgewehrt werden.“ Möglich ist eine Überprüfung auch im Stadtteilzentrum Gemeinwesenverein Heerstraße Nord an der Obstallee 22.
https://www.morgenpost.de/bezirke/spandau/article233199295/Staakener-Anwohner-empoert-ueber-Mieterhoehungen.html