Archiv für den Monat: November 2019

AMV im Lichte der Presse:

Spandauer Volksblatt am 20.11.2019: Senatorin lenkt ein und verweist auf den Mietendeckel
Aufatmen in Staaken: Keine höheren Mieten

Die Mieterhöhungen für die vom Land zurückgekauften ADO-Wohnungen an der Heerstraße Nord werden offenbar nicht wirksam. Das hat Senatorin Katrin Lompscher jetzt in einem Brief an den Bundespolitiker Swen Schulz angekündigt.

Die ADO-Mieter der rund 3400 Wohnungen nördlich der Heerstraße können aufatmen. Ihre Mieterhöhungen sollen rückgängig gemacht werden. Das kündigt Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) in ihrer Antwort an den Spandauer Bundestagsabgeordneten Swen Schulz (SPD) an. In dem Brief, der dem Spandauer Volksblatt vorliegt, schreibt sie: „Ich bin der Meinung, dass die relevanten Erhöhungen (…) mit Inkrafttreten des Mietendeckels rückgängig gemacht werden können und müssen und selbst dann, wenn die Mieterinnen und Mieter der Erhöhung zugestimmt haben.“ Es sei bedauerlich, so Lompscher weiter, dass die ADO Properties SE hier Anpassungen der bestehenden Mietverträge vorgenommen habe.

Wie berichtet hatte das Land Berlin mit der Gewobag knapp 6000 Wohnungen in Spandau und Reinickendorf von der privaten ADO zurückgekauft. Die Übernahme der Bestände seitens der Gewobag ist erst für Dezember 2019 geplant. Mit Verweis auf den Mietspiegel 2019 hatte die ADO als Noch-Eigentümerin zum 1. November die Mieten erhöhen wollen. Bekannt wurde das aber erst, als sich betroffene Mieter an den Alternativen Mieter- und Verbrauchschutzbund (AMV) wandten. Vor allem die SPD machte daraufhin Druck und forderte Land und Gewobag auf, die Mieterhöhungen nach dem Rückkauf zurückzunehmen. Denn laut Senat kann das Mietendeckel-Gesetz, das im Januar 2020 beschlossen werden soll, rückwirkend ab Juni 2019 gelten. Das bestätigt nun auch Lompscher: „Vereinbarungen über die Miethöhe, die erst nach dem Stichtag 18. Juni 2019 zustande gekommen sind, finden (…) keine Berücksichtigung“.

Für Swen Schulz sind das „gute Neuigkeiten“. Mit der Rücknahme der Mieterhöhungen werde eine Ungleichbehandlung verhindert. „Die Senatorin hat versichert, dass die Neumieter der Gewobag nicht schlechter gestellt werden sollen als die Bestandsmieter.“

https://www.berliner-woche.de/staaken/c-politik/aufatmen-in-staaken-keine-hoeheren-mieten_a241759

AMV im Lichte der Presse:

staaken.info am 20.11.2019: Gute Nachricht für die Mieter des ADO-Gewobag-Deals:

Mietendeckel stoppt ADO-Mieterhöhung

… und das gilt für ALLE Mieter aus den rund 3.400 Wohneinheiten des ADO-Gewobag Deals im Quartier Heerstraße, die von den im Sommer von ADO ausgesprochenen Mieterhöhungen betroffen sind – egal ob sie das Mieterhöhungsbegehren schriftlich akzeptiert haben oder nicht. Das hat gestern Abend der Mieter- und Verbraucherschutzbund AMV in einer Pressemitteilung verkündet und dabei aus einem aktuellen Schreiben der für Stadtentwicklung und Wohnen zuständigen Senatorin Katrin Lompscher an den Spandauer MdB Swen Schulz zitiert:

„Ich bin der Meinung, dass die relevanten Erhöhungen mit Inkrafttreten des Mietendeckels rückgängig gemacht werden können und müssen und das selbst dann, wenn die Mieter der Erhöhung zugestimmt hatten“.

Damit signalisiert Senatorin Lompscher der Gewobag-Geschäftsführung deutlich, dass deren bislang gezeigte Haltung – nach der Übernahme der ADO-Wohneiheiten am 1. Dezember 2019 keine Mieterhöhung zurückzunehmen, sofern diese gesetzlich zulässig ist und der Mieter zugestimmt hat – angesichts der Neufassung des als Mietendeckel bekannten Gesetzentwurfs zur Mietenbegrenzung im Berliner Wohnungswesen keinen Bestand haben wird.

Der AMV erklärt in seiner Pressemitteilung weiter: „Aus Sicht von Noch-Eigentümer AdO sind die Mieterhöhungen zulässig, da sich die Firma an den Mietspiegel 2019 gehalten hat. Der Senat dagegen meint, durch den Beschluss zur Einführung des Mietendeckels im Juni, könne das Mietendeckel-Gesetz, das im Januar beschlossen werden soll, rückwirkend ab Juni gelten.“

Denn, so Senatorin Lompscher in ihrem Schreiben an Swen Schulz, ist die Stichtagsmiete am 18. Juni 2019 deshalb wesentlicher Teil des Gesetzentwurfs, weil dadurch verhindert werden soll, dass durch „vermehrte  Mieterhöhungen im Zeitraum zwischen Ankündigung des Gesetzes und dessen Inkrafttreten ein gegenteiliger Entlastungseffekt für Mieterinnen und Mieter eintritt“.

https://www.staaken.info/2019/11/mietendeckel-stoppt-ado-mieterhoehung/

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:

Berliner Zeitung am 19.11.2019 – Landgericht : Vermieter darf Berlinerin nicht wegen Eigenbedarfs kündigenMieterin Aranka Barfuss aus Wilmersdorf gewinnt im Streit um lebenslanges Wohnrecht. Die Entscheidung stärkt die Rechte von weiteren Mietern ehemals landeseigener Wohnungen.

Der Grund: Das Landgericht hat entschieden, dass der Vermieter Aranka Barfuss nicht wegen Eigenbedarfs kündigen kann. Eine beim Verkauf ihrer Wohnung vereinbarte Klausel, nach der die Mieter dauerhaft vor einer Eigenbedarfskündigung geschützt sein sollten, gelte auch dann, wenn diese nur zwischen Käufer und Verkäufer vertraglich fixiert wurde, nicht aber vom Mieter selbst mit unterzeichnet worden ist. Es handele sich „um einen echten Vertrag zu Gunsten Dritter“, so das Landgericht (64 S   220/18).

Urteil stärkt Rechte der Mieter

Die Entscheidung stärkt die Rechte von Mietern ehemals landeseigener Wohnungen. Tausende Unterkünfte wurden mit ähnlichen Schutzklauseln verkauft. Ursprünglicher Vermieter von Aranka Barfuss war die städtische Bewoge, die später in der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) aufging. Im Jahr 2004 verkaufte eine WBM-Tochter den Wohnblock an der Cunostraße an einen privaten Geschäftsmann.

Im Kaufvertrag wurde festgeschrieben, dass der Erwerber „für die Dauer der bestehenden Mietverhältnisse“ auf Kündigungen wegen Eigenbedarfs verzichtet. Auch Kündigungen wegen der Hinderung an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung sowie Luxusmodernisierungen sollten nicht möglich sein. Für den Fall eines Weiterverkaufs sollten die Mieterschutzklauseln an die Erwerber weitergegeben werden.

Zwar wurde beim Weiterverkauf von Aranka Barfuss’ Wohnung die Mieterschutzklausel anfangs noch in den Verträgen weitergegeben, doch später nicht mehr. Im Kaufvertrag mit dem jetzigen Vermieter steht nur noch, dieser sei darüber informiert worden, „dass die Voreigentümer“ zugunsten des jeweiligen Mieters auf Kündigungen sowie sogenannte Luxusmodernisierungen verzichtet haben. Der Vermieter argumentierte vor Gericht, dass die Regelungen aus dem Kaufvertrag nicht zum wirksamen Ausschluss der Eigenbedarfskündigung geführt habe. Ein dauerhafter Verzicht bedürfe der Schriftform zwischen den Beteiligten. Der Eigentümer beanspruchte die Wohnung für seinen Vater. Der Anwalt von Aranka Barfuss hielt dagegen, dass sich der Mieterschutz aus dem Kaufvertrag von 2004 ergebe.

Landgericht übernimmt Entscheidungsgründe der Vorinstanz

Schon in erster Instanz bekam Aranka Barfuss Recht. Das Amtsgericht Charlottenburg entschied, dass der Vermieter die Räumung der Wohnung nicht verlangen kann. Die Eigenbedarfskündigung sei durch den im ersten Kaufvertrag von 2004 vereinbarten Schutz „wirksam ausgeschlossen“. Auf eine Übertragung der Verpflichtung auf den neuen Erwerber durch nachfolgende Kaufverträge komme es nicht an.

Das Landgericht erklärte, dass es sich die Entscheidungsgründe des Amtsgerichts zu eigen mache. Die Vereinbarung zugunsten des Mieterschutzes sei „auch ohne ausdrückliche Annahmeerklärung“ der Mieterin wirksam geworden. Die Richter verweisen rein „vorsorglich“ darauf, dass bereits der Mietvertrag Aranka Barfuss’ aus dem Jahre 1993 das Kündigungsrecht des Vermieters erheblich beschränke. Danach sei eine Kündigung nur „in besonderen Ausnahmefällen“ möglich. Dem Mieter werde also ein „erhöhter Bestandsschutz eingeräumt“. Ein „gewöhnlicher Fall des Eigenbedarfs“ sei für eine Kündigung nicht ausreichend. Dass ein „besonderer Ausnahmefall“ vorläge, habe der Eigentümer im vorliegenden Fall nicht dargelegt.

Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:

Spandauer Volksblatt am 18.11.2019: Betriebskostenmanagement – Gerichtsschlappe: Deutsche Wohnen scheitert mit Umstellung der Versicherungsprämie

Amtsgericht Spandau verurteilt GSW Immobilien AG zur Rückzahlung

Die Deutsche Wohnen Management GmbH legte bis 2015 in der Deutsche Wohnen/GSW-Großsiedlung im Falkenhagener Feld die Kosten der Versicherung nach der Anzahl der Objekte um. In 2016 änderte sie einseitig den Abrechnungsmaßstab: Seit 2016 werden die Kosten der Versicherung nach Quadratmeter Wohnfläche abgerechnet. Durch die Änderung des Abrechnungsmaßstabs ist es in der Großsiedlung zu einer Kostensteigerung von über 50 % gekommen.

Für das klagende Ehepaar L. aus der Westerwaldstraße 29 beliefen sich die Kosten der Versicherung für ihre Wirtschaftseinheit in 2015 auf 90.994,65 € (= 1,83 €/m²) bzw. für ihre Wohnung auf 149,65 € und für 2016 betrugen sie 137.982,02 € (= 2,78 €/m²) bzw. für ihre Wohnung 227,33 €. Die Kostensteigerung von 2015 zu 2016 beträgt 51,64 % bzw. 46.987,37 €. Für die Kläger sind dies 77,68 € Mehrkosten. Ursache ist der Wechsel des Abrechnungsmaßstabs von der Anzahl der Objekte zu Quadratmeter Wohnfläche.

Das Amtsgericht Spandau (AG Spandau – 6 C 293/19, Urteil vom 18.10.2019) gab der Klage der Eheleute L. auf Rückzahlung der Differenz in Höhe von 77,68 € statt. In den Entscheidungsgründen heißt es u.a. wie folgt:

„Die Beklagte hat den Klägern € 77,68 zu erstatten, weil sie – anders als in den Vorjahren – Versicherungsprämien in die Abrechnung eingestellt hat, deren Berechnung nicht der Anzahl der Mietobjekte zur Grundlage hatte, sondern die Wohn-/Nutzfläche, was zu der von den Klägern zutreffend errechneten Erhöhung des auf die Kläger umgelegten Anteils geführt hat. Diese Kostenerhöhung aufgrund veränderter Prämienberechnung ist entweder überhaupt nicht oder nur aufgrund eines Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot eingetreten.

Der in Rede stehende Versicherungsvertrag hatte eine feste Laufzeit vom 1. Januar 2014 bis zum 1. Januar 2017. Es ist nicht ersichtlich, dass der Versicherer eine vertraglich eingeräumte Befugnis hatte, die Grundlage der Prämienberechnung während der Laufzeit einseitig zu ändern, …”

Kommentar des AMV:

Das Amtsgericht Spandau hat in seinem maßgeblichen Urteil überzeugend und nachvollziehbar begründet, warum die auf der einseitigen Umstellung beruhende Prämienerhöhung unwirksam ist, so dass die höheren auf die Mieter umgelegten Versicherungskosten nicht zu bezahlen bzw. zurückzuzahlen sind.

Zwar ist die Entscheidung des Amtsgerichts Spandau nur ein kleines „Puzzleteil“ im Betriebskostenrecht, jedoch ein positives Signal für alle betroffenen Mieterinnen und Mieter, dass es sich lohnt, sich seine Betriebs- und Heizkostenabrechnung genau anzuschauen und sie von Experten überprüfen zu lassen.

Wir hoffen, dass die Deutsche Wohnen nun freiwillig Erstattungen der Kosten der Versicherung an die übrigen betroffenen Mieterinnen und Mieter leistet und sich weitere Rechtsstreitigkeiten vermeiden lassen.

https://www.berliner-woche.de/falkenhagener-feld/c-bauen/gerichtsschlappe-deutsche-wohnen-scheitert-mit-umstellung-der-versicherungspraemie_a241171

Aus der Rubrik “Stadtentwicklungspolitik”:

Spandauer Volksblatt am 18.11.2019: Haushalte werden befragt

Spandau. Für die geplanten Milieuschutzgebiete „Altstadt/Neustadt“ und „Wilhelmstadt“ lässt das Stadtentwicklungsamt jetzt die Haushalte befragen. Damit beauftragt sind die Berliner Planungsbüros „S.T.E.R.N.“ und „Argus“. Nachgefragt wird schriftlich, dafür wurden 23.000 Haushalte nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Die Fragebögen landen jetzt in den Briefkästen und können bis zum 21. Dezember ausgefüllt an die Planungsbüros zurückgeschickt werden. Die Teilnahme ist freiwillig. Gefragt werden die Mieter unter anderem nach der Wohndauer, Miethöhe, Wohnverhältnissen und ihrer sozialen Situation. Alle erhobenen Daten werden anonymisiert und zusammengefasst ausgewertet. Mit der Befragung will das Bezirksamt herausfinden, ob in den untersuchten Ortsteilen Mieterverdrängung stattfindet und der Milieuschutz, also der Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung dort berechtigt ist. Wie berichtet würde Spandau mit der „Altstadt/Neustadt“ und der „Wilhelmstadt“ seine ersten zwei Milieuschutzgebiete bekommen. Formell festgesetzt sind sie aber noch nicht.

https://www.berliner-woche.de/spandau/c-bauen/haushalte-werden-befragt_a240907

Aus der Rubrik “Wirtschaftsinformationen”:

rbb24.de am 18.11.2019: Verstöße gegen Datenschutz – Deutsche Wohnen legt Widerspruch gegen Bußgeld ein

Der Immobilienkonzern Deutsche Wohnen wehrt sich juristisch gegen ein Bußgeld in Millionenhöhe, das die Berliner Datenschutzbeauftragte erhoben hat. Ein Sprecher des Unternehmens sagte am Montag, man habe gegen die Zahlung von 14,5 Millionen Euro Widerspruch eingelegt.

Nach Angaben der Datenschützer von Anfang November waren im Archiv des Unternehmens zum Teil Jahre alte persönliche Daten von Mieterinnen und Mietern einsehbar, darunter Sozial- und Krankenversicherungsdaten, Arbeitsverträge sowie Informationen über ihre finanziellen Verhältnissen.

Die vorgeschriebene Zwei-Wochen-Frist sei eingehalten worden. Der Widerspruch sei eingegangen, bestätigte eine Sprecherin der Datenschutzbehörde, die nun entscheiden muss, wie sie darauf reagieren soll.

Falls sie sich dem Widerspruch inhaltlich nicht anschließt, übergibt sie ihn über die Staatsanwaltschaft ans Gericht. Wann dann eine Entscheidung zu erwarten ist, ist nicht abzusehen.

https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2019/11/deutsche-wohnen-widerspruch-bussgeld-berlin.html

Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:

Berliner Zeitung am 14.11.2019 – Berliner Wohnungsunternehmen : Vermieter buchen höhere Mieten ohne Erlaubnis ab

Manche Vermieter nutzen Einzugsermächtigungen, um ihre Forderungen durchzusetzen.

Mieter Thomas Schulze* (Name geändert) ist sauer. „Meine Hausverwaltung hat zum 1. September eine Mieterhöhung von mehr als 50 Euro monatlich verlangt“, berichtet er. „Und obwohl ich der Erhöhung nicht zugestimmt habe, weil ich sie für unberechtigt halte, hat die Hausverwaltung den neuen Betrag mehrmals von meinem Konto abgebucht.“ Zuletzt Anfang November. Die Verwaltung habe sich einfach der erteilten Einzugsermächtigung bedient. „Das ist nicht in Ordnung“, sagt Schulze. „So geht es nicht.“  Er habe die Einzugsermächtigung im Vertrauen darauf erteilt, dass der Vermieter nur die Beträge abbucht, den er zugestimmt habe. Jetzt fordert Schulze die zu viel kassierten Beträge über das Onlineportal wenigermiete.de zurück.

Für den Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) sind solche Praktiken neu. „Solche Vorkommnisse sind uns nicht bekannt und würden auch wenig Sinn ergeben“, sagt BBU-Sprecher David Eberhart. „Wir gehen daher davon aus, dass es sich dabei nur um technische Pannen oder Versehen handeln kann, die nach Bekanntwerden zügig behoben werden.“

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/vermieter-buchen-hoehere-mieten-ohne-erlaubnis-ab-li.1359

Aus der Rubrik “Wirtschaftsinformationen”:

 

DER TAGESSPIEGEL am 14.11.2019: Streit um Vorkaufsrecht in Berlin – Steht die Wohngenossenschaft „Diese eG“ vor der Insolvenz?

Die „Diese eG“ soll Mieter vor Spekulanten schützen. Nun bangen ihre Genossen um ihre Anteile. Fest steht: In der Rigaer Straße hat sie sich übernommen.

Die Idee ist gut, doch die Welt scheint noch nicht bereit: Weil die Mieten in Berlin in den vergangenen Jahren immer stärker gestiegen sind, haben sich Bürger in der deutschen Hauptstadt vor sechs Monaten in einer Genossenschaft, der „Diese eG“, zusammengeschlossen, um sich ihre Wohnung zu kaufen und die Immobilien damit dem Markt zu entziehen.

Der Plan droht allerdings zu scheitern. Denn die Genossenschaft hat mittlerweile zwar Zahlungsverpflichtungen in Höhe von rund 50 Millionen Euro für ihre Immobilien angehäuft.

Ein belastbares Finanzierungskonzept scheint es aber nicht zu geben. Im Gegenteil: Am Dienstag verschickte Florian Schmidt, Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, ein Schreiben an einen der Verkäufer, dessen Haus der Bezirk zuvor per Vorkaufsrecht erworben hatte. Die „Diese eG“ habe dem Bezirk mitgeteilt, dass sie ihren vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für das Haus in der Rigaer Straße 101 nicht nachkommen könne. Der Grünen-Politiker will deshalb den Vorkauf rückabwickeln.

Ist die Genossenschaft also, wenige Monate nach ihrer Gründung, in die Insolvenz geschlittert? Die “Diese eG” bestritt das am Mittwoch in einem Statement. In den vergangenen Wochen habe die Genossenschaft drei Häuser als Dritterwerberin übernommen und vollständig mit allen Nebenkosten bezahlt, heißt es darin. Nur beim Haus in der Rigaer Straße habe man sich übernommen: „Nach langwieriger Prüfung wurde ein sehr viel höherer Sanierungsbedarf ermittelt als anfangs erkennbar war“, heißt es im Genossenschaftsstatement.

Bitterer Tag für die Genossen

Der Dienstag dürfte deshalb nicht nur für Hausverkäufer Bartel, sondern auch für die Mieter des Hauses ein bitterer Tag gewesen sein. Denn sie müssen sich nun sorgen, dass bei einer Abwicklung des Kaufvertrages ihre gezeichneten Genossenschaftsanteile in Gefahr sind. Eine entsprechende Tagesspiegel-Anfrage beantwortete die Genossenschaft am Mittwoch nicht. In dem Statement der Genossenschaft hieß es lediglich, dass die „Diese eG“ im Bereich des Vorkaufs neue Wege gehe. „Allen Beteiligten war von Anfang an klar, dass diese Wege weder einfach noch risikofrei sein würden.“

Und das Risiko ist längst kein abstraktes mehr, sondern seit Dienstag sehr konkret: Ein Makler hat die Genossenschaft zur Zahlung ausstehender Provisionen verklagt. Streitwert: 354000 Euro.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/streit-um-vorkaufsrecht-in-berlin-steht-die-wohngenossenschaft-diese-eg-vor-der-insolvenz/25230432.html

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Hat der Vermieter die Pflicht, auf Verlangen des Mieters eine Überprüfbarkeit der vom Vermieter erstellten Nebenkostenabrechnung durch Vorlage der Verträge des Vermieters mit Dritten, soweit deren Heranziehung zur sachgerechten Überprüfung der Nebenkostenabrechnung und zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen gegen die Nebenkostenabrechnung gem. § 556 Abs. 3 Satz 5 und 6 BGB erforderlich ist, zu ermöglichen?

Die Antwort des Amtsgerichts Bremen (AG Bremen – 10 C 221/19, Urteil vom 18.07.2019) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Bremen in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: „Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus dem zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrag in Verbindung mit §§ 259556 Abs. 3 BGB einen Anspruch auf Vorlage der streitgegenständlichen vertraglichen Vereinbarungen.

Aus den vorgenannten Regelungen folgt die Pflicht des Vermieters, auf Verlangen des Mieters eine Überprüfbarkeit der vom Vermieter erstellten Nebenkostenabrechnung durch Vorlage geeigneter Belege zu ermöglichen. Zu den vom Vermieter vorzulegenden Unterlagen gehören dabei auch Verträge des Vermieters mit Dritten, soweit deren Heranziehung zur sachgerechten Überprüfung der Nebenkostenabrechnung und zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen gegen die Nebenkostenabrechnung gemäß § 556Abs. 3 S. 5 und 6 BGB erforderlich ist (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 22.11.2011, VIII ZR 38/11).

Das hier streitgegenständliche Verlangen der Klägerin erweist sich im vorgenannten Sinne als sachgerecht. Die Klägerin hat hinreichend dargelegt, dass sie und welche konkreten Bedenken sie bezüglich der abgerechneten streitgegenständlichen Kostenposition der Beklagten hat und inwiefern sie sich durch Einsichtnahme in die bestehenden Verträge weitere Aufklärung darüber erhofft, ob die Beklagte nur Kosten für tatsächlich angefallene und geschuldete Leistungen auf die Mieter umlegt. Dieses Verlangen der Klägerin erweist sich als nachvollziehbar.

Weder aus den von der Beklagten bisher vorgelegten Rechnungen der “X” GmbH, die sich auf mehrere Objekte beziehen und lediglich schlagwortartige Bezeichnungen der behaupteterweise erbrachten Leistungen und diesbezügliche Pauschalpreise beinhalten, noch aus dem Vortrag der Beklagten ist bei verständiger Würdigung hinreichend erkennbar, welche konkreten Arbeitsleistungen von den Mitarbeitern der “X” GmbH tatsächlich erbracht worden sind und inwiefern diese Arbeitsleistungen bzw. welche Arbeitsleistungen allgemein von den in den Rechnungen genannten Pauschalen umfasst sind. Auch kann mit Hilfe der Rechnungen nicht geprüft werden, ob und inwiefern die berechneten Leistungen und Kosten auch tatsächlich geschuldet waren. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob sich das Verlangen der Klägerin bereits mit einer nach ihrer Behauptung durch die mediale Berichterstattung bei ihr entstandenen Besorgnis über das die Nebenkostenabrechnungen betreffende Geschäftsgebaren der Beklagten rechtfertigen ließe.

Der Berechtigung des Vorlageinteresses der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass die von der Beklagten abgerechneten Betriebskosten nach Behauptung der Beklagten in den Jahren seit dem Jahr 2014 nicht deutlich gestiegen seien. Das Vorlagerecht des Mieters besteht unabhängig von der Entwicklung der Betriebskosten in bestimmten Zeitabschnitten. Die Berechtigung des Mieters ist nicht auf die Prüfung von Kostensteigerungen beschränkt, sondern soll eine umfassende Prüfung der abgerechneten Kosten ermöglichen. Die Klägerin hat ihr Einsichtsverlangen auch nicht maßgeblich auf eine für die letzten Jahre behaupteten Kostensteigerung gestützt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten muss die Klägerin auch keine bestimmte Pflichtverletzung der Beklagten substantiiert behaupten oder nachweisen, um das Vorlagerecht zu begründen. Wie dargestellt, soll das Vorlagerecht dem Mieter u.a. gerade die Möglichkeit geben, etwaige Einwendungen gegen die erteilte Abrechnung zu prüfen und mithin die Frage zu klären, ob mit der Abrechnung eine Pflichtverletzung begangen wurde oder nicht.

Letztlich sind auch keine sonstigen Umstände erkennbar, die einer Vorlage der maßgeblichen Verträge an die Klägerin entgegenstehen könnten. Zu etwaigen besonderen schutzbedürfti3 gen Belangen hat die Beklagte nicht vorgetragen. Einer Entscheidung darüber, ob solche Belange dem Einsichtsrecht des Mieters überhaupt entgegenstehen könnten, bedarf es daher nicht.”

Aus der Rubrik “Wirtschaftsinformationen”:

DER TAGESSPIEGEL am 14.11.2019: Geht der „Diese eG“ das Geld aus?

Ankauf eines Hauses in Friedrichshain-Kreuzberg gescheitert

Die „Diese eG“ kann ihren Zahlungspflichten bei einem Haus in der Rigaer Straße nicht nachkommen. Ursache sei ein nachträglich festgestellter Sanierungsbedarf.

Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist Vorreiter, wenn es um den Ankauf von Wohnhäusern geht. Der Grüne Baustadtrat Florian Schmidt hatte das bezirkliche Vorkaufsrecht in den vergangenen Monaten sechsmal zu Gunsten der Genossenschaft „Diese eG“ ausgeübt. Das Konzept ist umstritten, das langfristige Finanzierungsmodell unklar.

Nun ist laut einem Bericht der „Morgenpost“ einer dieser Deals gescheitert. Ein entsprechendes Schreiben liegt auch dem Tagesspiegel vor.

Es heißt in dem Schreiben an den bisherigen Eigentümer des Hauses in der Rigaer Straße 101, die „Diese eG“ könne ihren „vertraglichen Zahlungsverpflichtungen“ nicht nachkommen. Der Bezirk wolle deshalb den Bescheid „über die Ausübung des Vorkaufsrechts aufheben.“ Schmidt appeliert an die bisherigen Eigentümer, die „Urbanes Projekt GmbH“, von dem Kaufvertrag mit der „Diese eG“ zurückzutreten.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/geht-der-diese-eg-das-geld-aus-ankauf-eines-hauses-in-friedrichshain-kreuzberg-gescheitert/25225778.html