Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:

Berliner Zeitung am 06.05.2021: Neuer Mietspiegel für Berlin ist da – Höhere Kosten

Das Werk wurde auf Basis der Verbraucherpreise fortgeschrieben. Die Vermieterverbände üben Kritik – und verweigern ihre Unterschrift.
In Berlin ist am Donnerstag der neue Mietspiegel 2021 veröffentlicht worden. Er tritt sofort in Kraft und löst den Mietspiegel 2019 ab. Das teilte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen mit. Der neue Mietspiegel weist eine um 1,1 Prozent höhere Miete als vor zwei Jahren aus. Belief sich die durchschnittliche Miete in Berlin im Jahr 2019 auf 6,72 Euro je Quadratmeter, so beträgt sie nun 6,79 Euro je Quadratmeter Wohnfläche (kalt).
Der Mietspiegel gibt Auskunft über die ortsübliche Vergleichsmiete für Wohnungen je nach Baualter, Größe, Lage und Ausstattung. Vermietern dient der Mietspiegel dazu, Mieterhöhungen zu begründen und die korrekte Miethöhe beim Abschluss neuer Verträge zu ermitteln. Mieter können anhand des Mietspiegels prüfen, ob die Forderungen der Vermieter berechtigt sind. Dabei gilt: In laufenden Mietverhältnissen können die Mieten innerhalb von drei Jahren um bis zu 15 Prozent steigen, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete noch nicht erreicht ist. Beim Abschluss eines neuen Mietvertrags dürfen Vermieter die ortsübliche Miete um höchstens zehn Prozent überschreiten.

Neues Mietniveau liegt bei 6,79 Euro pro Quadratmeter

Anders als die bisherigen Mietspiegel basiert der neue Mietspiegel nicht auf einer Erhebung von aktuellen Mietwerten. Der Grund: Weil sich die Mieten in Berlin wegen des Mietendeckels nicht frei am Markt bilden konnten, wurde der neue Mietspiegel auf Basis der Entwicklung der Verbraucherpreise als „Index-Mietspiegel“ erstellt. Zu Grunde gelegt wurde dabei nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung der deutschlandweite Verbraucherpreisindex. Dieser wies für die Zeit vom September 2018, dem Zeitpunkt für die Erhebung der Daten zum Mietspiegel 2019, bis zum September 2020, dem Zeitpunkt für die Ermittlung der Daten zum Mietspiegel 2021, eine Steigerung um rund 1,1 Prozent aus. Alle Werte der Mietspiegeltabelle aus dem Mietspiegel 2019 seien entsprechend mit dem Faktor 1,011 multipliziert worden, so die Senatsverwaltung.
„Mit der Steigerung der Mietspiegelmieten in Höhe der allgemeinen Lebenshaltungskosten wird sichergestellt, dass die Mieten um lediglich 1,1 Prozent steigen“, sagt Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke). Nach Angaben der Senatsverwaltung erfüllt der neue Mietspiegel die Voraussetzungen für einen sogenannten qualifizierten Mietspiegel. Diese Einstufung hat zur Folge, dass Vermieter ihre Mieter auf den Mietspiegel hinweisen müssen, wenn sie Mieterhöhungen mit anderen Mitteln begründen – zum Beispiel mit drei Vergleichswohnungen, was ebenfalls möglich ist.

Kritik an der Methodik

Im Gegensatz zur Senatsverwaltung für Stadtentwicklung stufen die Vermieter den Mietspiegel nicht als qualifiziert ein. „Die Anpassung eines qualifizierten Mietspiegels anhand des bundesweiten Verbraucherpreisindexes“ sei zwar eine im Bürgerlichen Gesetzbuch anerkannte Methode“, stellt der Immobilienverband BFW fest. Doch eigne sie sich nicht für einen heterogenen Immobilienmarkt wie in Berlin. Altbauwohnungen, die bis 1918 fertiggestellt wurden, und Neubauten, die ab 2003 bezugsfertig wurden, zeichneten sich durch weite Preisspannen aus und deuteten damit auf große Schwankungen der Mietpreise in den besonders am Markt nachgefragten Kategorien hin.
Eine Indexfortschreibung biete sich aber nur dann an, wenn davon ausgegangen werden könne, „dass sich die Mieten aller Wohnungen im Wesentlichen gleich entwickelt haben“. Hinzu komme, dass es an einer Datengrundlage für die Mieten von Neubauwohnungen mangele, die seit September 2018 hinzugekommen sind. Dem Berliner Mietspiegel 2021 fehlten demnach „rund 45.000 Neubauwohnungen, die seit 2018 fertiggestellt wurden“, kritisiert der BFW.

Vermieter unterschreiben nicht

Der Eigentümerverband Haus & Grund führt noch ein anderes Argument gegen den Mietspiegel an. „Bereits beim Mietspiegel 2019 handelte es sich um eine teilweise Fortschreibung des Mietspiegels 2017“, erklärte der Vorsitzende von Haus & Grund, Carsten Brückner. Eine Indexierung als weitere Fortschreibung komme „daher nicht in Frage.“ Weder der BFW noch Haus & Grund sowie der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) haben den neuen Mietspiegel unterzeichnet – anders als Mieterverein, Mietergemeinschaft und Mieterschutzbund, die zusammen mit den Vermieterverbänden an der Ausarbeitung beteiligt waren.
So weist der neue Mietspiegel statt der Anerkennung durch die Vermieterverbände lediglich den Hinweis aus, die drei Organisationen hätten „beratend mitgewirkt“. Trotz fehlender Unterschrift der Vermieterverbände ist der Mietspiegel wirksam. Dafür reicht die Veröffentlichung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Haus & Grund hat allerdings schon erklärt, seinen Mitgliedern zu empfehlen, den Mietspiegel anzuwenden.

Universitäts-Professor stützt die Kritik

Gestützt wird die Kritik am neuen Mietspiegel von Steffen Sebastian, Professor für Immobilienfinanzierung an der Universität Regensburg und Sachverständiger im Deutschen Bundestag für die bundesweite Mietspiegelreform. „Der Berliner Senat bezeichnet den Mietspiegel 2021 als qualifiziert. Dies ist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch aber nur zulässig, wenn der Mietspiegel aus dem Jahr 2019 im Nachhinein als neuerstellt deklariert wird – und das ist er laut Methodenbericht 2019 eindeutig nicht, sondern eben eine Fortschreibung des Mietspiegels von 2017“, sagt er. Ein solches Vorgehen halte er „für gewagt“. Damit erfülle der Berliner Mietspiegel 2021 nicht mehr die Kriterien für das Prädikat „qualifiziert“, sondern würde zu einem „einfachen“ Mitspiegel.
Ob der aktuelle Berliner Mietspiegel als qualifiziert gewertet werden kann, werde wohl wieder einmal vor Gericht entschieden werden. Sebastian empfiehlt dennoch, für 2021 einen einfachen Mietspiegel für Berlin in Kauf zu nehmen und für 2023 einen qualifizierten Mitspiegel neu erstellen zu lassen, der tatsächlich auf anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen basiert.

Mieterverein rechnet mit vielen Mieterhöhungen

Der Berliner Mieterverein (BMV) verteidigt den Mietspiegel. Zwar wurde der Mietspiegel 2019 schon als Fortschreibung des Mietspiegels 2017 bezeichnet, de facto habe er aber „alle Merkmale einer Neuerhebung, sodass der fortgeschriebene Mietspiegel 2021 sachgerecht ebenfalls als qualifizierter Mietspiegel bezeichnet werden könne. „Der Berliner Mieterverein trägt daher den Berliner Mietspiegel mit“, erklärte BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. „Wir bedauern aber, dass die Vermieterverbände erneut und zum Teil wiederholt dem Mietspiegel die Unterstützung versagen.“ Das lasse „nichts Gutes“ erahnen. „Wir rechnen mit vielen Mieterhöhungen, mit denen die Mietspiegelwerte überschritten werden sollen, und zahlreichen gerichtlichen Auseinandersetzungen“, sagt Wild. „Gerade noch haben Vermieterverbände, CDU/CSU und FDP im Streit um den Mietendeckel auf den hinreichenden Mieterschutz des BGB verwiesen. Im nächsten Atemzug unterlaufen die Berliner Vermieterverbände diesen Schutz durch die Nichtanerkennung des Mietspiegels“.
Das Preisgefüge der vergangenen Jahre wird mit dem neuen Mietspiegel fortgeschrieben. Das heißt, die beliebten Altbauwohnungen aus der Gründerzeit sind deutlich teurer als Altbauwohnungen der Jahrgänge 1919 bis 1949. Vergleichsweise günstig sind Wohnungen aus den 1950er- und 1960er-Jahren sowie die zwischen 1973 und 1990 errichteten Wohnungen im Ostteil der Stadt. Die nach der Wiedervereinigung entstandenen Wohnungen weisen im Vergleich dazu sehr viele höhere Mieten aus – die Oberwerte erreichen dabei in der Spitze ein Niveau von bis zu 14,99 Euro je Quadratmeter in der Baualtersklasse von 2003 bis 2017.