Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:

Berliner Zeitung am 18.05.2022: Neues Urteil stützt Berliner Mietspiegel 2021
Anders als das Amtsgericht Spandau hält das Amtsgericht Wedding den Mietspiegel für anwendbar. Rechtssicherheit gibt es für Berliner Mieter damit noch nicht.
Zum Berliner Mietspiegel 2021 liegt jetzt ein weiteres Gerichtsurteil vor. Das Amtsgericht Wedding entschied im Streit um eine Mieterhöhung, dass der Vermieter die Miete unter Berufung auf den Mietspiegel 2021 erhöhen dürfe. „Ungeachtet seiner methodischen Mängel“ erfülle der Mietspiegel 2021 die Aufgabe, dass sich der Mieter auf seiner Grundlage darüber informieren könne, ob er einer Mieterhöhung des Vermieters zustimmt oder nicht (Az 12b C 523/21).
Das Amtsgericht Wedding bewertet den Mietspiegel 2021 damit anders als das Amtsgericht Spandau. Dieses hatte vor kurzem den Mietspiegel 2021 für nichtig erklärt und das Mieterhöhungsverlangen eines Vermieters, der sich auf den Mietspiegel berufen hatte, zurückgewiesen (AZ 6 C 395/21).
Mehr Klarheit für die Mieter bringt das aktuelle Urteil des Amtsgerichts Wedding zwar nicht. Es führt aber immerhin dazu, dass der Mietspiegel, der unter allen Mieterhöhungsmitteln als das mieterfreundlichste gilt, nicht von einem weiteren Gericht infrage gestellt wird.

Rechtsanwalt verlangte Abweisung der Klage

Das Amtsgericht Spandau hatte unter anderem bemängelt, dass der Berliner Mietspiegel 2021 kein qualifizierter Mietspiegel sei. Denn qualifizierte Mietspiegel, die nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt werden, dürften nur einmal nach zwei Jahren fortgeschrieben werden – zum Beispiel anhand der Entwicklung der Lebenshaltungskosten. Da aber bereits der Mietspiegel 2019 auf einer Fortschreibung des Mietspiegels 2017 beruht habe, sei eine erneute Fortschreibung 2021 „rechtlich unzulässig“ gewesen.
Im Streit um die Mieterhöhung, die nun vor dem Amtsgericht Wedding verhandelt wurde, hatte der Rechtsanwalt der Mieterin auf das Urteil des Amtsgerichts Spandau verwiesen – und beantragt, die Klage des Vermieters abzuweisen. Dem folgte das Gericht aber nicht. Auch wenn der Mietspiegel 2021 „eine zweite Fortschreibung darstellen sollte“, lägen ihm ursprünglich erhobene Mietpreise zugrunde, argumentierte das Gericht. So stelle der Mietspiegel 2021 ein Zahlenwerk dar, welches eine „sachliche Grundlage für die Bewertung der ortsüblichen Vergleichsmiete bietet“.
Als solche sei der Mietspiegel 2021 „weiterhin wesentlich aussagekräftiger“ als etwa die Benennung von Vergleichswohnungen, auf die sich Vermieter bei der Begründung einer Mieterhöhung laut Gesetz ebenfalls stützen können.

Gericht ließ Mieterhöhung nur teilweise zu

Im vorliegenden Fall wollte der Vermieter die Miete für eine 96 Quadratmeter große Wohnung um rund 71 Euro erhöhen. Das Gericht erlaubte aber nur eine Erhöhung um gut 46 Euro – weil wohnwerterhöhende Ausstattungsmerkmale vom Mieter geschaffen worden waren.
Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV) beurteilt die Entscheidung des Amtsgerichts mit gemischten Gefühlen. „Es ist zwar bedauerlich, dass die Mieterin den Rechtsstreit um die Mieterhöhung teilweise verloren hat“, sagt AMV-Chef Marcel Eupen. Die Entscheidung sei aber trotzdem „ein Sieg für die Berliner Mieter“. Denn das Gericht habe ausgeführt, dass der Mietspiegel 2021 trotz erheblicher methodischer Mängel bei der Erstellung als Instrument zur Begründung einer Mieterhöhung sowie zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete noch immer wesentlich aussagekräftiger sei als etwa die Benennung von Vergleichswohnungen.
„Es bleibt abzuwarten, ob sich die Rechtsauffassung des Amtsgerichts Spandau oder die des Amtsgerichts Wedding in der Praxis durchsetzen wird“, sagt Eupen. „Solange keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, herrscht Rechtsunsicherheit, und zwar sowohl für Vermieter als auch für Mieter“, so der AMV-Chef. „Es ist zu hoffen, dass zumindest bald erste Urteile des Landgerichts Berlin vorliegen, an denen sich die Amtsgerichte orientieren können.“ Bisher gibt es mehr Urteile, die den Mietspiegel stützen. Die Amtsgerichte in Neukölln und Lichtenberg hatten mit Entscheidungen vom 7. Juli 2021 (Az. 13 C 43/21) und vom 5. November 2021 (AZ. 10 C 553/21) festgestellt, dass der Mietspiegel 2021 anwendbar sei.

Ein Vorschlag für den Fall, dass der Mietspiegel gekippt wird

Für den Fall, dass sich die Rechtsauffassung des Amtsgerichts Spandau durchsetzen sollte und Berlin damit keinen gültigen Mietspiegel hat, hat Eupen eine Empfehlung parat: Unter Verweis auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, der im Jahr 2019 geurteilt hat, dass ein 20 Jahre alter Mietspiegel für die Begründung eines Mieterhöhungsverlangens nicht mehr ausreicht, rät er dazu, einfach den Berliner Mietspiegel 2019 anzuwenden – und zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete zu den Werten einen Stichtagszuschlag hinzuzurechnen. Dies könnte zumindest solange gemacht werden, bis Berlin wieder einen gültigen aktuellen Mietspiegel habe.