Archiv der Kategorie: Wohnungspolitik

Aus der Rubrik “Mietenpolitik”:

rbb24.de am 10.05.2021: Auf zum nächsten Berliner Miet-Experiment
Die Initiative “Deutsche Wohnen & Co. enteignen” hat einen Gesetzentwurf vorgestellt, um aufzuzeigen, wie Wohnungsgesellschaften vergesellschaftet werden sollen. Das Projekt könnte der nächste Mieten-Scherbenhaufen werden.
Jetzt erst recht – diese Stimmung herrscht in etwa unter vielen Mietern in Berlin, seitdem das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel mit einer ziemlich deutlichen Entscheidung kassiert hat. Beim jüngsten Berlin-Trend im Auftrag von rbb und “Berliner Morgenpost” unterstützen die Volksinitiative “Deutsche Wohnen & Co. enteignen” 47 Prozent der Berliner. Das ist ein Plus von 18 Punkten gegenüber der vorherigen Befragung zu dem Thema vom November 2019.
Initiative macht Vorhaben konkreter
Mit dem am Montag vorgelegten Gesetzesentwurf zeigt die Initiative nun etwas genauer auf, wie das Ganze funktionieren soll. Im Zentrum steht die alles entscheidende Frage der Kosten. Denn jede Enteignung wäre von vornherein verfassungswidrig, wenn die Frage der Entschädigung nicht hinreichend geregelt sein sollte. Eins vorab: Die Entschädigungssumme solle nicht auf einen Schlag gezahlt werden, sondern über 40 Jahre gestückelt, allein das schürt Bedenken.
In Paragraph 5 des Entwurfs schreiben die Initiatoren zur Höhe der Entschädigung, dass sie für die Wertberechnung die “leistbare Miete” ansetzen wollen. Also das, was sich armutsgefährdete Haushalte gerade noch leisten könnten, so Mit-Organisator Sebastian Schneider. Das sei eine Miete von 4,04 Euro pro Quadratmeter. Die durchschnittliche Miete bei der Deutschen Wohnen liegt pro Quadratmeter jedoch deutlich höher: nämlich bei 6,53 Euro laut Geschäftsbericht 2020.

Schätzungen zur Entschädigungssumme klaffen weit auseinander

Dieses sogenannte “Faire-Mieten-Modell” mag aus Sicht der Mieter ausgewogen sein. Jedoch könnte es mit den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen bereits hier schon Probleme geben. Denn das, was sich die Initiative vorstellt, liegt deutlich unterhalb des Verkehrswerts der Immobilien.
Richtig ist zwar, dass das Grundgesetz nicht zwingend eine Verkehrswertentschädigung vorsieht – also quasi einen finanziellen Ersatz, der den Marktwert widerspiegelt. Dennoch verlangt es einen Wert “unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten festzulegen”, so entschied es einmal das Bundesverfassungsgericht. Was für armutsgefährdete Mieter als noch leistbar gilt, könnte somit nicht der alleinige Maßstab sein.
Der Gesetzentwurf geht von ungefähr 240.000 Wohnungen aus. Dafür rechnet die Initiative mit einer Entschädigungssumme von 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro. Die könne sich vollständig aus den Mieten refinanzieren, sodass der Berliner Landeshaushalt nicht belastet werde, so die Meinung der Initiatoren. Das setzt aber voraus, dass die von der Initiative eben angesetzte Entschädigung verfassungsrechtlich nicht beanstandet wird.
Die amtliche Schätzung liegt indes höher: “Für eine Vergesellschaftung von 243.000 Wohnungen werden Entschädigungskosten von 28,8 bis 36 Milliarden Euro sowie Erwerbsnebenkosten von weiteren bis zu 180 Millionen Euro geschätzt”, heißt es auf der Seite der Landeswahlleiterin. Weitere Kosten für zum Beispiel der Bewirtschaftung kommen dazu.

Bereits 175.000 Unterschriften zusammen

Neben den noch unüberschaubaren Kosten wird hier auch wieder juristisches Neuland betreten. Das Vorhaben bezieht sich formal juristisch nicht auf eine Enteignung, die in Artikel 14 des Grundgesetzes geregelt ist; sondern auf eine Vergesellschaftung, die eine Hausnummer weiter in Artikel 15 Grundgesetz steht.
Der Unterschied: Artikel 14 zielt eher auf einzelne Vermögensteile ab, die Vergesellschaftung will das große Ganze – sprich das ganze Unternehmen – in die Gemeinwirtschaft überführen. “In der Praxis kam die Ermächtigung zur Vergesellschaftung bislang in keinem Fall zur Anwendung”, schreibt dazu etwa der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einer Analyse. Vergleichbare Fälle gibt es nicht. Ob Wohnraum überhaupt “vergesellschaftungsfähig” ist, ist unklar.

Die Initiative lässt sich von all dem nicht abschrecken. “Wir haben mit dem Gesetzentwurf heute nur einen Vorschlag gemacht”, sagt Initiator Schneider zu rbb|24. “Wenn wir im Laufe der Debatte feststellen, dass das so nicht haltbar ist, steuern wir nach.” Man sei auf einem guten Weg bis zum 25. Juni die erforderlichen 175.000 Unterschriften zusammen zu bekommen, damit dann aus dem Volksbegehren der eigentliche Volksentscheid wird, über den die Berliner dann abstimmen sollen.

Aus der Rubrik “Mietenpolitik”:

Berliner Zeitung am 06.05.2021: Ungewohnte Töne – Berliner Wirtschaft will Mieten begrenzen

Preisbremse statt Deckel: So wollen Industrie- und Handelskammer sowie der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller den Markt regulieren.
Der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) und die Industrie- und Handelskammer (IHK) haben am Mittwoch Forderungen nach einem bundesweiten Mietendeckel zurückgewiesen, zugleich aber Vorschläge für eine Verschärfung des etablierten Mietrechts gemacht.
Ein undifferenzierter Deckel für alle sei zum Scheitern verurteilt, warnen IHK und VBKI in einer gemeinsamen Stellungnahme. Zudem brauche es kein neues Gesetz, um den Anstieg der Mieten zu bremsen. Hier habe der Bund mit der Mietpreisbremse bereits das passende Instrument etabliert. „Eine Verschärfung des vorhandenen Gesetzes wäre daher der zielführendere Weg hin zu mehr Mieterschutz“, argumentieren IHK und VBKI.
In Städten und Gemeinden mit besonders angespanntem Mietwohnungsmarkt ließe sich die maximal zulässige Erhöhung der Mieten von bisher 15 Prozent in drei Jahren auf zehn Prozent innerhalb von vier Jahren begrenzen, wie es bereits von Wohnungsbauverbänden vorgeschlagen worden sei. Zudem könnten die Modernisierungsumlage enger gefasst, die Kappungsgrenze bei Neuvermietung verschärft und Ausnahmetatbestände abgeschafft werden.

Transparenz und Offenlegungspflicht der Mieten

Beide Organisationen sprechen sich zudem für mehr Transparenz bei den Mietpreisen aus, sofern der bürokratische Aufwand den Nutzen nicht übersteigt. Eine Offenlegungspflicht der Mieten im Rahmen einer schlanken, digitalisierten Lösung werde nicht nur das Vertrauen in das Mietspiegelsystem erhöhen, sondern endlich auch eine verlässliche Diskussionsbasis in der wohnungspolitischen Debatte schaffen und für Planungssicherheit im Verhältnis von Mietern und Vermietern sorgen.
VBKI und IHK greifen damit inhaltlich die Idee eines Mietenkatasters auf, das in der rot-rot-grünen Koalition diskutiert wird. Darunter ist eine Übersicht über die vereinbarten Mieten zu verstehen. Ein solches Kataster könnte künftig bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete helfen – indem auf die tatsächlich vereinbarten Mieten zurückgegriffen wird.

Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt werden

Neben der Mietenregulierung müsse aber auch der Neubau von Wohnungen endlich beschleunigt werden, fordern VBKI und IHK. Außerdem verlangen sie „ein klares Bekenntnis zu einem gemeinsamen Vorgehen aller relevanten Akteure und Kräfte“ – also eine Fortsetzung der Gespräche des runden Tischs, zu dem der Regierende Bürgermeister kurz nach dem Mietendeckel-Urteil des Bundesverfassungsgerichts eingeladen hatte.
Auch Planungs- und Genehmigungsverfahren müssten beschleunigt, ausreichend Bauland bereitgestellt und ertüchtigt werden, so VBKI und IHK. Zudem gelte es, die Bauordnung zu vereinfachen. Um der Spekulation mit Bauland vorzubeugen, könnten beispielsweise Baugenehmigungen befristet ausgestellt werden.
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/wirtschaft-will-mieten-mit-vorhandenen-gesetzen-begrenzen-li.157323

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

Wegner: Enteignungen sind ein historischer Irrtum
51 Prozent der Berlinerinnen und Berliner lehnen Enteignungen ab. Dies ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts dimap im Auftrag der CDU Berlin. Nur 36 Prozent der Befragten gaben an, Enteignungen zuzustimmen. Hierzu erklärt Kai Wegner, Vorsitzender der CDU Berlin:

„Berlin und die CDU sagen Nein zu Enteignungen. Die Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner lehnt Enteignungen ab. Das Volksbegehren ist ein frontaler Angriff auf die Mitte der Gesellschaft. Die Menschen wünschen sich nicht Ideologie und Klassenkampf, sondern faire Regelungen auf dem Boden unserer sozialen Marktwirtschaft. Für uns ein weiterer Beweis dafür, dass wir mit unserer Position richtig liegen. Enteignungen sind ein historischer Irrtum.

Die Zukunft Berlins gestalten wir nicht gegeneinander, sondern miteinander. Enteignungen lösen nicht das Problem der Wohnungskrise. Für Berlin würde sich dadurch die Situation weiter verschärfen: Mieter finden keine bezahlbaren Wohnungen und Investoren ziehen sich zurück.

In den vergangenen zwölf Jahren hat Berlin nur 12.880 Sozialwohnungen geschaffen, das nur halb so große Hamburg dagegen 28.500. Kurzum: Berlin reglementiert und deckelt, Hamburg baut. Wir verbessern nicht die Lage, indem wir den Mangel stärker aufteilen und verwalten, sondern nur, indem wir neuen Wohnraum schaffen.

Mit den 36 Milliarden Euro, die das Land Berlin an Entschädigung für die Enteignungen zahlen müsste, könnte man gut 300.000 neue Wohnungen zu sozialen Mieten von 6,50 Euro pro Quadratmeter bauen. Für diese Summe könnte der Senat allen Erzieherinnen und Erziehern eine zehnprozentige Gehaltserhöhung zahlen und trotzdem noch 7.500 neue Erzieherinnen und Erzieher einstellen. Man könnte auch 34 Jahre lang den Berliner ÖPNV kostenlos für alle machen oder die U-Bahnlinie 5 weitere 68 mal verlängern.

Enteignung, Bevormundung, Umerziehung und Ideologie – das ist rot-rot-grüne Politik im Jahre 2021. Dem setzen wir pragmatische Lösungen entgegen, die für alle funktionieren. Wir setzen auf starke soziale Leitplanken, unterstützen Menschen mit kleinem Geldbeutel genauso wie Normalverdiener. Und wir machen Mut für ein Berlin, das seine enormen Chancen endlich konsequent nutzt.“

https://cdu.berlin/news/lokal/617/Umfrage-Berliner-lehnen-Enteignungen-ab.html

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

 
DER TAGESSPIEGEL am 24.02.2021: Berliner SPD uneins über Volksbegehren – Franziska Giffey erteilt Enteignungen eine Absage
Am Freitag startet zweite Phase des Enteignungs-Volksbegehrens. Giffey gibt die Linie vor, hat aber nicht die gesamte Partei hinter sich. Der DGB wird kein Unterstützer, CDU und FDP warnen.
Wenige Tage vor der am Freitag in Berlin startenden zweiten Unterschriftensammlung für das Volksbegehren “Deutsche Wohnen und Co enteignen” hat Bundesfamilienministerin und SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey Enteignungen eine klare Absage erteilt.
“Ich finde es richtig, dass wir den Wohnungsbestand der öffentlichen Hand deutlich erhöhen. Aber ich halte Enteignung nicht für das richtige Mittel”, sagte Giffey am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. “Diejenigen, die enteignet werden, müssen auch entschädigt werden. Jeden Euro kann man nur einmal ausgeben. Und es entsteht keine einzige neue Wohnung dadurch”, kritisierte Giffey weiter.
Sie sei deshalb dafür, in einen Dialog mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften sowie privaten Unternehmen einzutreten, um den Wohnungsbau voranzubringen, sagte Giffey und erklärte: “Unser Ziel, mehr Wohnungen in der Stadt zu bauen und die vorhandenen bezahlbar zu halten, werden wir nur gemeinsam erreichen.”
Darüber hinaus sprach sie sich dafür aus, geltende Mieterschutzrechte durchzusetzen und zu stärken sowie Verstöße “noch strikter” zu sanktionieren. Enteignungen wiederum seien keine Lösung.
In der eigenen Partei dürfte Giffey mit diesen Aussagen nicht nur auf Zustimmung stoßen – im Gegenteil. Zuletzt hieß es von Seiten der Initiatoren des Volksbegehrens wie auch aus der SPD heraus, dass sich nicht wenige Sozialdemokraten aktiv an der Unterschriftensammlung beteiligen und für diese werben wollen. Ganze Abteilungen könnten vom Kurs der Gesamtpartei abweichen, erfuhr der Tagesspiegel aus Parteikreisen.
https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-spd-uneins-ueber-volksbegehren-franziska-giffey-erteilt-enteignungen-eine-absage/26946162.html

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

Berliner Morgenpost am 17.09.2020: Wohnungsmarkt – Wohnungs-Enteignung würde 28 Milliarden Euro kosten
Das Volksbegehren wurde für rechtlich zulässig erklärt. Koalition einigt sich auf gemeinsame Position, die auch mehr Neubau vorsieht.
Nach dem Mietendeckel folgt in Berlin der nächste mietenpolitische Aufreger. Denn das bundesweit erste Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen rückt einen Schritt näher. Die Senatsinnenverwaltung hat ein geplantes Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungskonzerne für zulässig erklärt. Das teilte die Verwaltung am Donnerstag mit.
Demnach handelt es sich nicht um ein konkretes Gesetz, sondern ähnlich wie beim Volksbegehren zur Offenhaltung des Flughafens Tegel um eine Handlungsaufforderung an den Senat. Es sei auf einen „sonstigen Beschluss im Rahmen der Entscheidungszuständigkeit des Abgeordnetenhauses“ gerichtet und wäre im Erfolgsfall für den Senat formal unverbindlich.
Ziel: Mindestens 400.000 kommunale Wohnungen
Eine Arbeitsgruppe aus Senats- und Fraktionsvertretern hat nun einen Text formuliert, mit dem der Senat trotz dieser Uneinigkeit offiziell auf die Initiative antworten soll. Der Text, der am Dienstag im Senat beschlossen werden soll, liegt der Berliner Morgenpost vor. Darin unterstützt die Koalition ausdrücklich wesentliche Anliegen des Volksbegehrens. Man verfolge bereits das Ziel des Volksbegehrens, das „gemeinwirtschaftliche Angebot an Wohnraum zu erhöhen“, also den Wohnungsbesitz von landeseigenen Gesellschaften, Genossenschaften oder nicht profitorientierten Vermietern. Auch das Mietendeckel-Gesetz, das Miethöhen einfriert oder auch absenkt, wird als Akt der Unterstützung für die Wünsche des Volksbegehrens angeführt. Der Senat sehe sich dem Ziel verpflichtet, den Bestand kommunaler Wohnungen durch Neubau und Ankauf auf mindestens 400.000 zu erhöhen, heißt es in dem Text.
Sollte das so durchgehen, hätten alle Koalitionspartner zugesagt, die Aktivitäten im Neubau noch einmal hochzufahren. Die Pläne der Initiative würden bedeuten, dass 240.000 Wohnungen großer privater Eigentümer in gemeinnützigen Besitz zu überführen wären. Mit einem dafür nötigen Vergesellschaftungsgesetz beträte Berlins Senat abermals – wie schon im Falle des Mietendeckels – juristisches Neuland. Es bedürfe in den Details ausführlicher Debatten und umfangreicher Recherchen.
Volksbegehren: 28 Millarden Euro Kosten für die Umsetzung
Die Kosten der Umsetzung des Volksbegehrens werden vom Senat auf 28 Milliarden Euro geschätzt. Um eine solche Summe auch über Kredite aufbringen zu können, müsste Berlin sechs Milliarden Euro aus dem Landeshaushalt aufbringen. Zum Vergleich: Das wäre etwa ein Fünftel der jährlichen Ausgaben des Landes.
Ob die „Deutsche Wohnen-Enteignen“-Initiatoren auf Grundlage dieser Senatsposition zu Verhandlungen bereit sind und darauf verzichten, ihre Volksbegehren in die zweite Stufe zu tragen, ist offen. Noch, so heißt es in der Koalition, wäre es für sie terminlich möglich, eine Volksabstimmung parallel zum Tag der Bundestags- und Abgeordnetenhauswahlen im Herbst nächsten Jahres zu erreichen.
Auch das Parlament muss noch zustimmen
Durch ist das Thema aber noch nicht. Denn nach der inhaltlichen Stellungnahme des Senats muss sich anschließend das Abgeordnetenhaus mit dem Thema beschäftigen. Die Parlamentarier haben dafür vier Monate Zeit. Gibt es eine Mehrheit für das Anliegen der Enteignungsinitiative, dann würde das Landesparlament den Senat unverbindlich auffordern, „alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung […] erforderlich sind“, wie es im Text der Initiative heißt, den die Verwaltung geprüft hat.
Gibt es keine Mehrheit im Abgeordnetenhaus, steht nach Angaben der Innenverwaltung die zweite Stufe des Volksbegehrens an: Dann müsste die Initiative wieder Unterschriften sammeln. Diesmal müssen es mindestens sieben Prozent der Wahlberechtigten sein, rund 175.000. Nur wenn die erreicht werden, kommt es zu einem Volksentscheid. Nach einer Ablehnung durch das Parlament hat die Initiative laut Paragraf 18 im Abstimmungsgesetz ebenfalls vier Monate dafür Zeit. Sollte der Volksentscheid parallel zur Abgeordnetenhauswahl stattfinden, würde das der Initiative erleichtern, auf mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten zu kommen, die dafür vorgeschrieben sind. Beim Volksentscheid selbst ist eine einfache Mehrheit erforderlich.
Wie geht es weiter, wenn das geklappt hat? „Das hängt vom zukünftigen Senat ab“, sagte Taheri. „Das wird ein starker politischer Auftrag sein und sicherlich in den Koalitionsverhandlungen eine wichtige Rolle spielen.“

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

rbb24.de am 17.09.2020: Entscheidung der Innenverwaltung – Volksbegehren “Deutsche Wohnen & Co. enteignen” ist zulässig

Schon lange haben die Initiatoren des Volksbegehrens “Deutsche Wohnen & Co. enteignen” darauf gewartet, dass ihre Unterlagen auf Zulässigkeit geprüft werden – und fühlte sich vom Senat hingehalten. Nun steht fest: Das Volksbegehren ist zulässig.
Das umstrittene Volksbegehren “Deutsche Wohnen & Co. enteignen!” ist zulässig. Das hat die für die Prüfung zuständige Senatsverwaltung für Inneres am Donnerstag bekanntgegeben.
Die 77.000 gesammelten Unterschriften reichen aus, so die Verwaltung. Zudem ziele das Begehren auf einen Beschluss des Abgeordnetenhauses ab und sei damit für den Senat unverbindlich. Den Text hatten die Initiatoren zuvor nach Rücksprache mit dem Senat geändert. Nach Angaben der Senatsinnenverwaltung strebt die Trägerin des Volksbegehrens nun an, dass der Senat Maßnahmen einleitet, “die zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung” erforderlich seien.

Initiative strebt Abstimmung am Wahltag 2021 an

Rouzbeh Taheri, Mit-Begründer und Sprecher der Initiative “Deutsche Wohnen & Co. enteignen” zeigte sich auf Nachfrage von rbb|24 sehr zufrieden mit der Entscheidung. “Es hat lange genug gedauert.” Nun würden offiziell die Fristen laufen, als nächstes müsse sich erst der Senat und dann das Abgeordnetenhaus zum Volksbegehren verhalten, so Taheri. Sollten die Forderungen nicht übernommen werden, werde die nächste Stue eingeleitet: Er rechne damit, so Taheri, dass man ab Ende Februar, Anfang März 2021 mit der Sammlung von Unterschriften für das eigentliche Volksbegehren starten werde. Ziel sei weiterhin eine Volksabstimmung im Herbst 2021, wenn auch die Wahlen zum Bundestag und zum Abgeordnetenhaus stattfinden.

Innenverwaltung meldet verfassungsrechtliche Bedenken an

Die Innenverwaltung gibt jedoch zu bedenken, dass die Enteignung von Unternehmen verfassungsrechtlich schwierig sei und keinen Vorschlag liefert “für die Regelung der Entschädigungshöhe, der den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 14 Abs. 3 GG) genügt”. Die Prüfung habe sich auch nur auf die Frage bezogen, ob der von den Initiatoren des Volksbegehrens angestrebte Beschluss mit höherrangigem Recht vereinbar wäre. “Eine inhaltliche Bewertung des Anliegens des Volksbegehrens ist damit nicht verbunden”, hieß es.
Gleichwohl sei nicht “nach jeder denkbaren Betrachtungsweise” ausgeschlossen, dass ein verfassungsmäßiger Entwurf für ein Vergesellschaftungsgesetz vorgelegt werden könnte.

Senat in der Sache gespalten

Die Senatsinnenverwaltung hatte sich in den vergangenen Monaten viel Kritik anhören müssen. Ihr wurde vorgeworfen untätig zu sein, weil es lange dauerte bis nun ein Ergebnis verkündet wurde. Zuletzt hatte der neue Bausenator Sebastian Schell allerdings angekündigt, dass das Prüfverfahren zeitnah abgeschlossen sein würde.
Die rot-rot-grüne Koalition ist sich in ihrer Haltung gegenüber dem Volksbegehren nicht einig. Nur die Linken sind klar dafür, Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in der Stadt zu enteignen, die Grünen sehen es höchstens als “letztes Mittel” an, die SPD ist dagegen.

Die Initiative selbst möchte keine Verstaatlichung, sondern den Bestand in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführen. Sie richtet sich dabei primär gegen große Wohnungskonzerne wie die Deutsche Wohnen. Das Unternehmen besitzt in der Hauptstadt mehr als 110.000 Wohnungen. Hintergrund sind zunehmende Diskussionen um steigenden Mieten und Wohnungsknappheit vor allem in Metropolen.

https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2020/09/volksbegehren-deutsche-wohnen-enteignen-zulaessig-berlin.html

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

Pressemitteilung Senatsverwaltung für Inneres und Sport vom 17.09.2020: Zulässigkeitsprüfung für Volksbegehren abgeschlossen
Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport hat die Prüfung der Zulässigkeit des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“ abgeschlossen und im Ergebnis dessen Zulässigkeit festgestellt. Die Prüfung bezog sich ausschließlich auf die Frage, ob der vom Volksbegehren angestrebte Beschluss mit höherrangigem Recht vereinbar wäre.

Eine inhaltliche Bewertung des Anliegens des Volksbegehrens ist damit nicht verbunden. Die entsprechende Stellungnahme wird der Senat innerhalb der nächsten 15 Tage beschließen.
Die Trägerin des Volksbegehrens strebt nach zwischenzeitlicher Änderung ihres Antrags einen Beschluss an, mit dem der Senat unverbindlich aufgefordert werden soll, „alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung […] erforderlich sind“.
Konkret hat die Zulässigkeitsprüfung Folgendes ergeben:
1. Das Volksbegehren ist formal zulässig; es liegt eine ausreichende Zahl von Unterstützungsunterschriften vor.
2. Das Volksbegehren ist auf einen „sonstigen Beschluss im Rahmen der Entscheidungszuständigkeit des Abgeordnetenhauses“ gerichtet und wäre daher im Erfolgsfall für den Senat formal unverbindlich.
3. Volksbegehren, die dem Senat aufgeben, einen bestimmten, inhaltlich weitgehend konkretisierten Gesetzentwurf vorzulegen und einzubringen (Gesetzgebungsauftrag), sind unstatthaft, weil sie nicht in die „Entscheidungszuständigkeit des Abgeordnetenhauses“ fallen, so wie es Art. 62 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung von Berlin vorsieht. Diese Volksbegehen sind mit dem Gesetzesinitiativrecht des Senats unvereinbar. Das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“ fordert aber – nach klarstellender Modifizierung durch die Trägerin – den Senat nicht mehr ausdrücklich dazu auf, ein Gesetzgebungsverfahren mit einem inhaltlich spezifizierten Gesetzentwurf einzuleiten. Unter dieser Prämisse kann das Volksbegehren noch als statthaft angesehen werden.
4. Materiell-rechtlich bestehen gegen die vom Volksbegehren angestrebte Vergesellschaftung von Wohnungen verfassungsrechtliche Bedenken mit Blick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, da in dem Beschlussentwurf eine tragfähige Begründung u.a. für die Auswahl der in Anspruch zu nehmenden Wohnungen sowie Ausnahme- und Härtefallregelungen zur Gewährleistung der Verhältnismäßigkeit einer Vergesellschaftung fehlt.
Der Beschlussentwurf enthält zudem keinen Vorschlag für die Regelung der Entschädigungshöhe, der den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 14 Abs. 3 GG) genügt. Gleichwohl ist es nicht nach jeder denkbaren Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass innerhalb des von dem Beschlussentwurf gesetzten Rahmens ein verfassungsmäßiger Entwurf für ein Vergesellschaftungsgesetz vorgelegt werden könnte.
Nach den Prüfungsmaßstäben, die für ein Beschlussvolksbegehren anzuwenden sind, ist das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“ als zulässig zu bewerten.
https://www.berlin.de/sen/inneres/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.993149.php

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

Berliner Zeitung am 09.09.2020: Volksbegehren zur Enteignung – Rot-Rot-Grün setzt Arbeitsgruppe ein
Die Regierungsparteien ringen um eine gemeinsame Stellungnahme des Senats zur Initiative für eine Vergesellschaftung von Wohnungen großer Immobilienunternehmen.
Den Initiatoren des Volksbegehrens Deutsche Wohnen & Co enteignen läuft langsam die Zeit weg. Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat sich noch immer nicht offiziell zu der Frage geäußert, ob das Volksbegehren zulässig ist. Deswegen wird es mittlerweile eng, wenn die Initiative gleichzeitig mit den Wahlen zum Bundestag und zum Abgeordnetenhaus im Herbst nächsten Jahres einen Volksentscheid über die Vergesellschaftung von Wohnungen großer Immobilienunternehmen abhalten will.
Hintergrund der  Verzögerung: Die rot-rot-grüne Koalition hat sich bisher nicht auf eine gemeinsame Stellungnahme zu den Zielen der Enteignungsinitiative verständigt, die die Bestände von Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen gegen eine Entschädigung vergesellschaften will. Die Linke unterstützt die Initiative, die Grünen sympathisieren damit, die SPD lehnt sie ab. Beim Koalitionsausschuss, der am Mittwoch über das Volksbegehren beriet, wurde vereinbart, eine interfraktionelle Arbeitsgruppe einzusetzen, die eine Stellungnahme der Landesregierung zum Volksbegehren vorbereitet. Laut Abstimmungsgesetz ist vorgesehen, dass der Senat spätestens 15 Tage nachdem er die Zulässigkeit des Volksbegehrens festgestellt hat, seinen Standpunkt zum Volksbegehren formuliert. Ist die Zulässigkeit erst festgestellt, tickt also die Uhr – und der Druck auf eine Verständigung über das umstrittene Thema wächst.
Im Abstimmungsgesetz ist das Verfahren bis zur Stellungnahme des Senats noch etwas anders beschrieben als jetzt von Rot-Rot-Grün vereinbart wurde. Im Abstimmungsgesetz heißt es, dass die Innenverwaltung das Ergebnis ihrer Prüfung der „für das Volksbegehren fachlich zuständigen Senatsverwaltung“ mitteilt, also der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Die Stadtentwicklungsverwaltung wiederum unterbreite dann „dem Senat einen Beschlussvorschlag über dessen Standpunkt gegenüber dem Abgeordnetenhaus“. Nun wird also nach Lage der Dinge der Formulierungsvorschlag der interfraktionellen Arbeitsgruppe von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung aufgegriffen werden müssen, um diesen an den Senat weiterzuleiten.

Innensenator Andreas Geisel hat den Termin verstreichen lassen

Innerhalb der Koalition soll vereinbart gewesen sein, dass der Innensenator bis zum 31. August die Zulässigkeitserklärung über das Volksbegehren an die fachlich zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verschickt. Dann hätte die Landesregierung ihre Stellungnahme zum Volksbegehren bei der Senatssitzung am 15. September abgeben können – und der Zeitplan für einen Volksentscheid zusammen mit der Bundestags- und der Abgeordnetenhauswahl wäre sicher einzuhalten gewesen. Geisel hat den Termin am 31. August aber verstreichen lassen, was in der Koalition für Verstimmung sorgt. Nach der Sitzung des Koalitionsausschusses am Mittwoch ist nicht mehr klar, ob eine Beschlussfassung des Senats am 15. September noch möglich ist. Das würde nur dann gelingen, wenn sich die interfraktionelle Arbeitsgruppe auf eine gemeinsame Formulierung verständigt.
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/berlin-volksbegehren-zur-enteignung-rot-rot-gruen-setzt-arbeitsgruppe-ein-li.104081

Aus der Rubrik “Mietenpolitik”:

rbb24.de am 04.09.2020: Kontrolle der Miethöhe – Senat will bis Herbst 150 Stellen für Mietendeckel besetzen
Die Berliner Senatsverwaltung für Wohnen will bis zum Spätherbst gut 150 Stellen besetzen, die für die Umsetzung des Mietendeckels vorgesehen sind. Wie eine Sprecherin mitteilte, ist davon auszugehen, dass das zuständige Referat bis zum 23. November arbeitsfähig ist.
Ab diesem Zeitpunkt sind laut dem Mietendeckelgesetz überhöhte Mieten verboten. Die Mitarbeiter werden benötigt, um das Verbot zu überwachen. Es gilt, wenn eine Miete mehr als 20 Prozent über der entsprechenden Obergrenze liegt.
Die Stellen sind befristet bis zum Auslaufen des Gesetzes nach fünf Jahren. Falls der Mietendeckel schon zuvor juristisch scheitert, droht den Mitarbeitern laut Senatsverwaltung aber nicht die Entlassung. Sie sollen dann für andere Aufgaben eingesetzt werden.
Weitere 48 befristete Stellen gibt es in den Bezirken, wo die Ausschreibung bereits im Mai endete.

Ab 2022 dürfen die Bestandsmieten höchstens um 1,3 Prozent jährlich steigen. Wird eine Wohnung wieder vermietet, muss sich der Vermieter an vom Staat festgelegte Obergrenzen und die zuletzt verlangte Miete halten. Das Gesetz soll zunächst für fünf Jahre gelten.

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

 

rbb24.de am 20.08.2020: Sebastian Scheel als neuer Stadtentwicklungssenator vereidigt

Der bisherige Baustaatssekretär Sebastian Scheel ist als Senator für Stadtentwicklung und Wohnen vereidigt worden. Er hatte das Amt bereits kommissarisch inne. An dem Kurs seiner Vorgängerin Katrin Lompscher will Scheel nichts ändern.

Der Linke-Politiker Sebastian Scheel ist in Berlin neuer Senator für Stadtentwicklung und Wohnen. Er wurde am Donnerstagvormittag während der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses von Parlamentspräsident Ralf Wieland vereidigt. Zuvor hatte er vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) seine Ernennungsurkunde erhalten.

Scheel will bisherigen Kurs fortsetzen

Der Linke-Landesvorstand hatte den bisherigen Staatssekretär für Wohnen am Montag als neuen Senator vorgeschlagen. Er wird Nachfolger von Katrin Lompscher (Linke), die Anfang August als Senatorin zurückgetreten war. Sie hatte den Schritt mit Fehlern bei der Abrechnung und Versteuerung ihrer Bezüge aus Tätigkeiten als Verwaltungs- und Aufsichtsrätin landeseigener Unternehmen begründet.

Scheel hat als Staatssekretär eng mit Lompscher zusammengearbeitet. Am Dienstag erklärte er, den bisherigen Kurs fortsetzen zu wollen. Das gilt etwa mit Blick auf das umstrittene Mietendeckel-Gesetz, das in Berlin seit Februar in Kraft ist und maßgeblich von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erarbeitet wurde. Scheel hat angekündigt, das Thema Neubau müsse in Zukunft einen noch stärkeren Fokus haben.

https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2020/08/berlin-sebastian-scheel-neuer-stadtentwicklungssenator-vereidigt.html