Archiv der Kategorie: Wissenswertes

Aus der Rubrik „Wissenswertes”:

Trifft den Mieter eine Duldungspflicht nicht nur beim erstmaligen Einbau von Messgeräten zur Erfassung des Verbrauchs von Wärme und Warmwasser, sondern eine solche auch dann, wenn funktionsfähige Messgeräte durch ein anderes (modernes) Ablesesystem ersetzt werden sollen (hier: Funk-Heizverteiler)?
Die Antwort des Amtsgerichts Konstanz (AG Konstanz – 4 C 163/21, Urteil vom 21.10.2021) lautet: Ja!
Zur Begründung führt das Amtsgericht Konstanz in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus:
„Die Beklagten sind auch bei einer nachträglichen Änderung der Geräte zur Verbrauchserfassung nach der Heizkostenverordnung bzw. nach § 555d Abs. 1 BGB verpflichtet, dies zu dulden. Indem sie dies klar und deutlich ablehnten, befanden Sie sich im Verzug und ist die vorgerichtliche Rechtsanwaltstätigkeit als Verzugsschaden zu ersetzen, §§ 280 Abs. 1, 286288 BGB.
Hinsichtlich eines Anspruchs des Vermieters auf nachträgliche Änderung der Verbrauchserfassung nun durch ein Funksystem schließt sich der hier zuständige Richter vollumfänglich der einschlägigen BGH-Entscheidung an (BGH NJW 2011, 3514):Die Mieter trifft durch § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 HeizkostenVO eine Duldungspflicht nicht nur beim erstmaligen Einbau von Messgeräten zur Erfassung des Verbrauchs von Wärme und Warmwasser, sondern eine solche auch dann, wenn funktionsfähige Messgeräte durch ein anderes (modernes) Ablesesystem ersetzt werden sollen.Die Reichweite dieser in § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 HeizkostenVO normierten Duldungspflicht ist daher im Zusammenspiel mit den übrigen Regelungen in § 4 Abs. 1, 2 HeizkostenVO zu bestimmen.Schon nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 HeizkostenVO ist die Duldungspflicht des Mieters nicht auf die Fälle der erstmaligen Installation einer Messeinrichtung (und des Austauschs defekter Geräte) beschränkt. Insbesondere ergibt sich aus der Bezugnahme auf die in § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 HeizkostenVO geregelte Ausstattungspflicht des Gebäudeeigentümers/Vermieters (“dies zu dulden”) keine entsprechende Begrenzung der den Mieter treffenden Duldungsverpflichtung.Bestätigt wird dies durch die mit den Regelungen in § 4 HeizkostenVO verfolgte Intention des Verordnungsgebers. Mit der Einführung der “Pflicht zur Verbrauchserfassung” (so die amtliche Überschrift von § 4 HeizkostenVO) sollte im Interesse der Energieeinsparung das Verbrauchsverhalten der Nutzer nachhaltig beeinflusst werden (BR-Drucks. 632/80, S. 1 f., 13, 15 f.). Mit diesem Anliegen ist es nicht vereinbar, den Gebäudeeigentümer/Vermieter durch eine Begrenzung der Duldungspflicht des Nutzers daran zu hindern, ältere, aber noch funktionsfähige Messeinrichtungen durch moderne Geräte zu ersetzen, die regelmäßig infolge ihrer fortentwickelten Ablesetechnik eine zuverlässigere Verbrauchserfassung ermöglichen. Zudem hat der Verordnungsgeber kurze Zeit nach dem Inkrafttreten des § 4 HeizkostenVO in der erklärten Absicht, Anstöße zur Verwendung verbesserter Ausstattungen zu geben und dem technischen Fortschritt Rechnung zu tragen, die Möglichkeit zugelassen, Erfassungsgeräte durch Anmietung oder durch eine sonstige (vorübergehende) Gebrauchsüberlassung zu beschaffen (BR-Drucks. 483/83, S. 33), und hat damit eine Verkürzung der Austauschintervalle gebilligt.Die aus § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 HeizkostenVO folgende Duldungspflicht der Beklagten würde selbst dadurch nicht berührt, wenn der Kläger die für die beabsichtigte Anmietung des Funksystems vorgeschriebenen Mitteilungspflichten (§ 4 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 HeizkostenVO) nicht erfüllt hätte. Die Nichteinhaltung dieses Verfahrens führt nur dazu, dass der betroffene Mieter die hierdurch anfallenden Kosten nicht nach § 7 Abs. 2 HeizkostenVO zu tragen hat.”

Aus der Rubrik „Wissenswertes”:

Bezieht sich das Belegeinsichtsrecht auf alle Belege, die zur Überprüfung der Abrechnung erforderlich sind, insbesondere aufa. sämtliche Verträge, die die Beklagte mit Dritten abgeschlossen hat und die in die Berechnungen eingeflossen sind,b. sämtliche in die Abrechnungen eingeflossene Rechnungen einschließlich der zugehörigen Lieferscheine und Stundenzettel,c. Typenangaben und, soweit vorhanden, Eichnachweise für alle Verbrauchserfassungsgeräte undd. sämtliche Unterlagen zur Ermittlung der Umlageschlüssel einschließlich– der Erfassungsbelege (Ablese-/Verbrauchsquittungen) für sämtliche Einzel- und Gesamtverbrauchsstellen,– der Flächen- und Volumenberechnungen,– Leitungs- und Baupläne für Heizungs- und Elektroleitungen?

Die Antwort des Landgerichts Leipzig (LG Berlin – 09 O 539/19, Urteil vom 11.08.2021) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Leipzig in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: „Die Klägerin hat als Mieterin gegen die Beklagte als Vermieterin einen Anspruch auf Vorlage aller Unterlagen und Belege im Original betreffend der Nebenkostenabrechnungen für 2016 und 2017 gemäß § 259 BGB. Jedenfalls war die Beklagte unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles nach Treu und Glauben verpflichtet, der Klägerin die Fertigung von Ablichtungen im Rahmen von Terminen zur Belegeinsicht zu ermöglichen (§ 242 BGB). Bislang hat die Klägerin ersichtlich ihr Recht zur Belegeinsicht nicht effektiv ausüben können. Ein rechtliches Interesse der Beklagten als Vermieter, der Klägerin als Mieter weitere Unterlagen vorzuenthalten, besteht nicht.
Grundsätzlich ergibt sich der Umfang der Abrechnungspflichten aus § 259 Abs. 1 BGB. Danach hat derjenige, der verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, dem Berechtigten eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthaltene Rechnungen mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, diese Belege vorzulegen. Aus § 259 Abs. 1 BGB leitet der BGH in ständiger Rechtsprechung ein – hier geltend gemachtes – Einsichtsrecht in die Belege ab, die zur Überprüfung der Abrechnung erforderlich sind. Daraus ergibt sich, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Belege bzw. Verträge vorzulegen, die überhaupt erst eine Überprüfung einer geschuldeten Abrechnung, insbesondere der dieser zugrundeliegenden Preise ermöglichen. Dabei sind alle die Unterlagen vorzulegen, die für die Abrechnung zu den Betriebskosten maßgeblich sein können. Diese Unterlagen hat die Klägerin entsprechend nachvollziehbar und detailliert bezeichnet und mit ihrem Belegeinsichtsantrag geltend gemacht, wobei sie auch bereits hinreichend deutlich abgegrenzt hat, welche Unterlagen ihr bereits vorgelegt und insoweit auch entsprechend abgelichtet worden sind. Dies betrifft die Anlagen im Anlagenkonvolut K6 für das Abrechnungsjahr 2016 und die Anlage K8 für das Abrechnungsjahr 2017. Es ist nicht ersichtlich, warum die Klägerin nunmehr aus reiner Schikane oder missbräuchlich nochmals oder ergänzend Auskunft in diese Belege und Unterlagen erhalten möchte. Vielmehr hat sie glaubhaft dargestellt, dass sie bislang nicht in der Lage ist, die Nebenkostenabrechnungen der Beklagten für die Jahre 2016 und 2017 ordnungsgemäß zu überprüfen. Die Beklagten demgegenüber hat schließlich nicht schlüssig und detailliert angegeben, welche Unterlagen die Klägerin zu Unrecht fordert bzw. welche Unterlagen die Klägerin im Einzelnen bereits vorgelegt bekommen hatte, inwieweit diese dort bei den zweimaligen Einsichtsterminen tatsächlich vorgelegt wurden und welche Unterlagen gar nicht benötigt werden. Insoweit bleibt der Vortrag der Beklagten im Einzelnen wenig konkret und gehaltvoll. Es ist für die Kammer kein Grund ersichtlich, warum die Beklagte der Klägerin nicht weiterhin Einsicht in die verlangten Belege und Unterlagen gewähren sollte. Durch einen weiteren Einsichtstermin können Unklarheiten und weitere Irritationen im Abrechnungsverhältnis zwischen den Parteien auf einfachem und effektiven Wege ausgeräumt werden. Eine Berechtigung der Beklagten jedenfalls, die weitere Einsichtnahme zu verweigern, ist nicht erkennbar.”

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Bedeutet eine Modernisierungsmieterhöhung für einen Grundsicherungsempfänger regelmäßig insoweit eine Härte i.S.v. § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB, wenn die Miete in Folge der Erhöhung über die – in Berlin nach der “AV-Wohnen” zu ermittelnden – angemessenen Unterkunfts- und Heizkostenaufwendungen i.S.v. § 22 SGB II / §§ 35, 36 SGB XII hinausgeht, so dass der Mieter mit der Einleitung eines Kostensenkungsverfahrens und in dessen Folge mit dem Verlust der Wohnung rechnen muss?

 

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 64 S 111/20, Urteil vom 29.09.2021) lautet: Ja!

 

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. und 2. wie folgt aus:
„II. 1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511517519520 ZPO.

2. Sie ist teils begründet, teils unbegründet, wie aus dem Tenor ersichtlich. Denn die zulässige Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin hat nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB Anspruch auf Rückzahlung der im Zeitraum September 2018 bis September 2019 überzahlten Miete von monatlich 27,12 Euro. Insoweit erlangte die Beklagte durch Leistungen der Klägerin rechtsgrundlos einen Vermögensvorteil, da die zum 1. September 2018 erklärte Mieterhöhung gemäß § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB hinsichtlich dieses Teilbetrages ausgeschlossen war; die Nettokaltmiete erhöhte sich zum 1. September 2018 von 372,64 Euro nur auf 408,91 Euro.

Die im Rahmen des § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien fällt zugunsten der Klägerin aus, soweit die Mieterhöhung einen Betrag von 36,38 Euro übersteigen sollte. Insoweit hätte die Mieterhöhung für die Klägerin eine wirtschaftliche Härte bedeutet, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Beklagten nicht zu rechtfertigen ist.

Ein Härtefall liegt vor, soweit dem Mieter nach Zahlung der erhöhten Miete kein Einkommen mehr verbleibt, das es ihm ermöglicht, im Wesentlichen an seinem bisherigen Lebenszuschnitt festzuhalten (vgl. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 14. Aufl. 2019, § 559 Rn. 104 f.). Bei der Klägerin als Grundsicherungsempfängerin ist dies der Fall, soweit das Jobcenter die geforderte Miete nicht als angemessen übernimmt. Die Behörde ist dann gehalten, ein Kostensenkungsverfahren einzuleiten, das mit hoher Wahrscheinlichkeit den Verlust der Wohnung nach sich ziehen wird.

Zu Unrecht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, der Klägerin drohe kein Kostensenkungsverfahren und eine Härte liege nicht vor, da das Jobcenter die Mieterhöhung in voller Höhe übernommen habe. Die vollständige Übernahme der Mieterhöhung erfolgte lediglich vorläufig, damit die Klägerin bis zum Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits nicht mit Mietzahlungen in Verzug gerät, sodass sie mit einer Kündigung des Mietvertrags rechnen müsste; dies ergibt sich aus dem von der Klägerin eingeführten Schreiben des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf vom 14. September 2018, und zwischen den Parteien ist auch unstreitig, dass das Jobcenter sich die Änderung seiner vorläufigen Entscheidung vorbehielt.

Die Klägerin hat substantiiert dargelegt, dass das Jobcenter Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf die Mieterhöhung auf Dauer voraussichtlich nur teilweise als angemessen akzeptieren wird, sodass sie im Falle der Vollwirksamkeit der Mieterhöhung mit der Einleitung eines Kostensenkungsverfahrens und dem Verlust der Wohnung rechnen müsste. Im Rahmen der Grundsicherung muss das zuständige Jobcenter die angemessenen Unterkunfts- und Heizkostenaufwendungen gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II übernehmen. Die Berechnung der Höhe dieser angemessenen Aufwendungen wird durch die Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 35, 36 SGB XII (AV-Wohnen) vom 2. Februar 2021 (ABl. S. 3727 ff.) der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Berlin konkretisiert. Dabei handelt es sich um Verwaltungsvorschriften, die zwar keine unmittelbare Außenwirkung entfalten, aber über Art. 3 Abs. 1 GG und den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung das Jobcenter rechtlich binden. Wie aus dem von der Klägerin im Berufungsrechtszug eingeführten Berechnungsbogen ersichtlich, wird ein sogenannter Wirtschaftlichkeitsvergleich vorgenommen, indem zunächst die angemessene Bruttokaltmiete (Nettokaltmiete nebst Betriebskostenvorauszahlung) mit den angemessenen Heizkosten addiert wird. Dabei ist vorliegend im Rahmen der Berechnung der angemessenen Kaltmiete bereits – als “Härtefall” – ein Modernisierungszuschlag berücksichtigt. Zudem ist ein weiterer Härteaufschlag “Umzugsvermeidung” eingerechnet, der sich nach dem angemessenen Bruttokaltmietrichtwert berechnet und bei einem Einpersonenhaushalt – unabhängig von sonstigen Zuschlägen wie etwa dem Modernisierungszuschlag – 42,15 Euro beträgt (vgl. 6.1.1 Abs. 2, 3.2 Abs. 2 AV-Wohnen). Es wird dann geprüft, ob die tatsächlich bestehenden Aufwendungen die angemessenen Aufwendungen übersteigen. Ist dies der Fall, wird ein Kostensenkungsverfahren eingeleitet, durch das der Leistungsempfängerin mit hoher Wahrscheinlichkeit der Verlust der Wohnung droht. Liegen die tatsächlichen Aufwendungen hingegen im Rahmen der angemessenen Aufwendungen, wird nicht nur kein Kostensenkungsverfahren eingeleitet, sondern die konkreten Gesamtaufwendungen werden auch vollumfänglich durch das Jobcenter übernommen (vgl. 6.1.1 a. E. AV-Wohnen).

Ausweislich des eingeführten Berechnungsbogens ergeben sich im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsvergleiches vorliegend angemessene Gesamtaufwendungen in Höhe von 582,30 Euro. Das Jobcenter müsste unter Zugrundelegung der vollumfänglich erhöhten Miete ein Kostensenkungsverfahren einleiten, weil die tatsächlichen Aufwendungen in diesem Fall 609,42 Euro betrügen; der zu einer Überschreitung der angemessenen Gesamtaufwendungen führende Teilbetrag der Mieterhöhung von 27,12 Euro ist abzusetzen, weil der Klägerin das Risiko der Einleitung eines Kostensenkungsverfahrens mit der wahrscheinlichen Folge des Wohnungsverlustes nicht zuzumuten ist.

Weitere staatliche Unterstützung ist für die Klägerin nicht zu erlangen, die Klägerin hat namentlich keinen Anspruch auf Wohngeldzahlung. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 WoGG hat sie als Empfängerin von Leistungen nach SGB II keinen Anspruch auf Wohngeld. Die Rückausnahme in § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WoGG findet hier keine Anwendung. Sie gilt nur, wenn eine Person fähig ist, ihren Bedarf durch eigenes Einkommen zusammen mit Wohngeld zu decken. Die Klägerin verfügt aber nicht über eigenes Einkommen.

Ein Klimabonus im Rahmen der Grundsicherung nach § 22 SGB II wird erst gewährt, wenn der Endenergiewert der Wohnung unter 100 kWh/m²a liegt. Die Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, dass durch die Dämmung dieser Zustand erreicht worden wäre. Zudem ist kein weiterer Zuschlag wegen des Gesundheitszustands der Klägerin zu erwarten. Aus dem Anschreiben des Bezirksamtes C.-W. vom 16. April 2020 an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin geht hervor, dass ein Kostensenkungsverfahren tatsächlich droht, obwohl die gesundheitlichen Probleme der Klägerin bekannt sind.

Der Härteeinwand der Klägerin ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil sie eine mit 71 qm für eine Einzelperson großzügige Wohnung bewohnt und ihr deshalb ein Umzug in eine kleinere Wohnung zuzumuten wäre. Im Rahmen des § 559 Abs. 4 Abs. 1 BGB gilt es im Einzelfall abzuwägen, ob eine Mieterin trotz des Refinanzierungsinteresses der Vermieterin ihren bisherigen Lebensmittelpunkt beibehalten darf, wenn sie sich einer von ihr nicht beeinflussbaren Entscheidung der Vermieterin ausgesetzt sieht, Modernisierungsmaßnahmen an der angemieteten Wohnung durchzuführen. Dabei werden das Eigentumsrecht der Vermieterin aus Art. 14 Abs. 1 GG, das gemäß Art. 14 Abs. 2 GG der Sozialbindung unterliegt, und das ebenfalls durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Bestandsinteresse der Mieterin an ihrer Besitzposition durch das Gericht in einen angemessenen Ausgleich gebracht. Der Umstand, dass eine Mieterin gemessen an ihren wirtschaftlichen Verhältnissen und ihren Bedürfnissen eine viel zu große Wohnung nutzt, kann zu ihren Lasten in die Abwägung der beiderseitigen Interessen einbezogen werden (vgl. BGH – VIII ZR 21/19 -, Urt. v. 09.10.2019, GE 2019, 1497 ff.). Dabei fließen auch die Länge der Wohndauer und die Umstände des derzeitigen Mietverhältnisses in die Entscheidung ein. Denn eine lange Wohndauer indiziert, dass die Mieterin jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Modernisierung nicht über ihren eigenen Verhältnissen lebte; zudem erlangt der Schutz der Besitzposition nach Art. 14 Abs. 1 GG bei einer langen Wohndauer zusätzliches Gewicht. Die Klägerin war in der derzeit bewohnten Wohnung bereits als Kind aufgewachsen und wohnt erneut seit 1995 in der Wohnung. Zum Zeitpunkt der Modernisierungsankündigung lebte die Klägerin also bereits über einen Zeitraum von 21 Jahren ununterbrochen in der Wohnung. Unter diesen Umständen ist der Vorwurf der Beklagten haltlos, die Klägerin lebe offensichtlich “über ihren Verhältnissen” und könne sich deswegen nicht auf den Schutz des § 559 Abs. 4 BGB berufen; ebenso wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ist jedenfalls nicht festzustellen, dass die Klägerin schon seit Beginn des Mietverhältnisses über ihren wirtschaftlichen Verhältnissen wohne. Wie sich aus den obigen Ausführungen und dem Berechnungsbogen des Bezirksamts ergibt, würde die Klägerin vielmehr erst dann “über ihren Verhältnissen wohnen“, wenn die Modernisierungsmieterhöhung vollwirksam wäre; eben davor soll § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB die Klägerin schützen.

Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung überwiegen die schutzwürdigen Interessen der Klägerin das Refinanzierungsinteresse der Beklagten. Dabei fließt in die Abwägung ein, dass die Vermieterin auch ohne sofortige Mieterhöhung nach § 559 BGB mit einer Amortisierung ihrer Modernisierungsinvestition rechnen darf, da der verbesserte Zustand der Mietsache im Rahmen zukünftiger Mieterhöhungen nach § 558 Abs. 1 S. 1 BGB zu berücksichtigen ist und zu einer entsprechend erhöhten ortsüblichen Vergleichsmiete führen wird. Von einem (endgültigen) Entzug einer Eigentumsposition im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG, wie ihn die Beklagte rügt, kann mithin keine Rede sein. Ein über das gewöhnliche Maß hinausgehendes Interesse der Beklagten an einer sofortigen Refinanzierung der Modernisierungsmaßnahme hat sie nicht dargetan.”

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Stellt eine Verringerung der Glasfläche des Küchenfensters nach Austausch des vorhandenen Doppelkastenfensters durch ein Holzisolierglasfenster mit Dreischeibenverglasung um mehr als 45% einen Mietmangel dar?
Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 250/19, Urteil vom 01.07.2019) lautet: Ja!
Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 2. wie folgt aus:

„Frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht die zugesprochene Mietminderung wegen der um 45,22 % verringerten Glasfläche des ausgetauschten Küchenfensters gemäß § 536 Abs. 1 BGB festgestellt.

Hinsichtlich des fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnisses für die Feststellungsklage und der damit begründeten Zulässigkeit der Klage nach § 256 Abs. 1 ZPO wird auf die Ausführungen oben unter 1. a) verwiesen.

Die Klage ist auch begründet.

Nach § 536 Abs. 1 BGB führt ein Mangel, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert, zu einer Herabsetzung der Miete, es sei denn, die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch ist nur unerheblich gemindert, § 536 Abs. 1 BGB.

Die Verringerung der Glasfläche des Küchenfensters nach Austausch des vorhandenen Doppelkastenfensters durch ein Holzisolierglasfenster mit Dreischeibenverglasung um mehr als 45 % führt zu einer Abweichung des tatsächlichen vom vertraglich geschuldeten Zustand und beeinträchtigt die Tauglichkeit der Mietsache – hier der Küche – zum vertragsgemäßen Gebrauch nicht nur unerheblich.

Die Kläger sind mit ihren Beanstandungen nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil sie die sich aus der Verringerung der Glasfläche um fast 50 % ergebende Härte wegen der baulichen Folgen der Modernisierung nicht innerhalb der Frist des § 555d Abs. 3 BGB mitgeteilt hätten.

Ein solcher Ausschluss käme allenfalls dann in Betracht, wenn die erhebliche Abweichung des künftigen vom vertraglich vorausgesetzten Zustand angekündigt worden wäre. Angekündigt war jedoch, dass die Größe der Fenster unter Berücksichtigung der Laibungsdämmung der bisherigen entspricht. Mit einer Verkleinerung der Glasfläche um 45,44 % mussten die Kläger auf dieser Grundlage nicht rechnen.

Es ergibt sich auch nicht, dass der Fensteraustausch unter Verringerung der Glasfläche um fast 50 % zwingend war. Zuzugeben ist der Beklagten, dass dreifach verglaste Fenster dickere Rahmen erfordern als einfach verglaste Fenster. Dass diese erhebliche Verringerung technisch alternativlos war, ergibt sich jedoch nicht. Zudem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Fenster in den darunter oder darüber liegenden Etagen durchaus nicht einheitlich sind und denen in der klägerischen Wohnung entsprechen.

Bei der Verringerung der Glasfläche um einen so großen Anteil liegt eine erhebliche Verschlechterung der Belichtungsverhältnisse des betreffenden Raums auf der Hand; einer Messung bedarf es nicht. Die Küche ist mit der um fast die Hälfte verringerten Glasfensterfläche erheblich geringer belichtet und in ihrem Gebrauch beeinträchtigt, weil für längere Zeiten künstliche Beleuchtung benötigt wird, was der Kläger persönlich angegebene hat, aber auch jedermann (§ 291 ZPO) ohne Weiteres unter Berücksichtigung der durch die vorgelegten Fotos der Küche mit dem “alten” und dem “neuen” Fenster belegten Situation eingängig ist. Entscheidend für die Mietminderung ist das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung. Diese ist nicht unerheblich, wenn in einem Raum über längere Zeiten eine künstliche Beleuchtung notwendig ist als zuvor.

Gegen die Erheblichkeit der Gebrauchsbeeinträchtigung spricht hier nicht, dass die Kläger selbst nur von einer Mietminderung von 3 % ausgehen und die Feststellung dieser Mietminderung ihrem Antrag folgt.”

Stellt eine Verringerung der Glasfläche des Küchenfensters nach Austausch des vorhandenen Doppelkastenfensters durch ein Holzisolierglasfenster mit Dreischeibenverglasung um mehr als 45% einen Mietmangel dar?
Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 250/19, Urteil vom 01.07.2019) lautet: Ja!
Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 2. wie folgt aus:

„Frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht die zugesprochene Mietminderung wegen der um 45,22 % verringerten Glasfläche des ausgetauschten Küchenfensters gemäß § 536 Abs. 1 BGB festgestellt.

Hinsichtlich des fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnisses für die Feststellungsklage und der damit begründeten Zulässigkeit der Klage nach § 256 Abs. 1 ZPO wird auf die Ausführungen oben unter 1. a) verwiesen.

Die Klage ist auch begründet.

Nach § 536 Abs. 1 BGB führt ein Mangel, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert, zu einer Herabsetzung der Miete, es sei denn, die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch ist nur unerheblich gemindert, § 536 Abs. 1 BGB.

Die Verringerung der Glasfläche des Küchenfensters nach Austausch des vorhandenen Doppelkastenfensters durch ein Holzisolierglasfenster mit Dreischeibenverglasung um mehr als 45 % führt zu einer Abweichung des tatsächlichen vom vertraglich geschuldeten Zustand und beeinträchtigt die Tauglichkeit der Mietsache – hier der Küche – zum vertragsgemäßen Gebrauch nicht nur unerheblich.

Die Kläger sind mit ihren Beanstandungen nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil sie die sich aus der Verringerung der Glasfläche um fast 50 % ergebende Härte wegen der baulichen Folgen der Modernisierung nicht innerhalb der Frist des § 555d Abs. 3 BGB mitgeteilt hätten.

Ein solcher Ausschluss käme allenfalls dann in Betracht, wenn die erhebliche Abweichung des künftigen vom vertraglich vorausgesetzten Zustand angekündigt worden wäre. Angekündigt war jedoch, dass die Größe der Fenster unter Berücksichtigung der Laibungsdämmung der bisherigen entspricht. Mit einer Verkleinerung der Glasfläche um 45,44 % mussten die Kläger auf dieser Grundlage nicht rechnen.

Es ergibt sich auch nicht, dass der Fensteraustausch unter Verringerung der Glasfläche um fast 50 % zwingend war. Zuzugeben ist der Beklagten, dass dreifach verglaste Fenster dickere Rahmen erfordern als einfach verglaste Fenster. Dass diese erhebliche Verringerung technisch alternativlos war, ergibt sich jedoch nicht. Zudem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Fenster in den darunter oder darüber liegenden Etagen durchaus nicht einheitlich sind und denen in der klägerischen Wohnung entsprechen.

Bei der Verringerung der Glasfläche um einen so großen Anteil liegt eine erhebliche Verschlechterung der Belichtungsverhältnisse des betreffenden Raums auf der Hand; einer Messung bedarf es nicht. Die Küche ist mit der um fast die Hälfte verringerten Glasfensterfläche erheblich geringer belichtet und in ihrem Gebrauch beeinträchtigt, weil für längere Zeiten künstliche Beleuchtung benötigt wird, was der Kläger persönlich angegebene hat, aber auch jedermann (§ 291 ZPO) ohne Weiteres unter Berücksichtigung der durch die vorgelegten Fotos der Küche mit dem “alten” und dem “neuen” Fenster belegten Situation eingängig ist. Entscheidend für die Mietminderung ist das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung. Diese ist nicht unerheblich, wenn in einem Raum über längere Zeiten eine künstliche Beleuchtung notwendig ist als zuvor.

Gegen die Erheblichkeit der Gebrauchsbeeinträchtigung spricht hier nicht, dass die Kläger selbst nur von einer Mietminderung von 3 % ausgehen und die Feststellung dieser Mietminderung ihrem Antrag folgt.”

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Rechtfertigt ein nicht nutzbarer Backofen eine Mietminderung i.H.v. 3,5% der Gesamtmiete?
Die Antwort des Amtsgerichts Mitte (AG Mitte – 123 C 165/20, Urteil vom 30.06.2021) lautet: Ja!
Zur Begründung führt das Amtsgericht Mitte in seiner vorgenannten Entscheidung unter A. wie folgt aus:
„In Bezug auf den defekten Herd bzw. den minderwertigen Austausch-Herd war die Tauglichkeit der Mietsache in den Mietzins mindernden Maße eingeschränkt. Denn die Küche und dort der Herd stellen einen zentralen Ort der Mietsache dar. Durch die eingeschränkte Funktionalität des Herdes im Vergleich zu dem geschuldeten Zustand war die Nutzbarkeit eingeschränkt. Gleichwohl war sie – was die Beklagte zu Recht eingewandt hat – auch nicht aufgehoben, denn es stand gleichwohl ein – wenngleich eingeschränkt nutzbarer – Herd zur Verfügung. Die hiermit eingetretenen Lästigkeiten im täglichen Gebrauch, der eingeschränkten Einsatzmöglichkeiten und ein etwaig erhöhter Stromverbrauch sind mit 3,5 % Mietminderung angemessen, aber auch hinreichend abgegolten. Bezugspunkt der Minderung muss dabei die Gesamtmiete und nicht nur der Küchenzuschlag sein, denn es kommt darauf an, in welchem Maße der Gebrauchswert der Wohnung insgesamt durch den Mangel beeinträchtigt ist.

Für den Zeitraum Juli/August 2018 ist die Minderung der Tauglichkeit der Mietsache aufgrund des nicht nutzbaren Backofens gleichfalls mit 3,5 % zu beziffern, sodass sich insoweit ein Betrag von 21,49 EUR für den Monat Juli 2018 und von 17,91 EUR für August 2018 ergibt.”

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Ist eine Formularklausel, die den Mieter einer mit Einbaumöbeln versehenen Wohnung im Rahmen der auf ihn abgewälzten Schönheitsreparaturlast auch zum Anstrich der Einbaumöbel verpflichtet, wirksam?

Die Antwort des Amtsgerichts Mitte (AG Mitte – 123 C 165/20, Urteil vom 30.06.2021) lautet: Nein!
Zur Begründung führt das Amtsgericht Mitte in seiner vorgenannten Entscheidung unter A. wie folgt aus:

„Der Tenor zu 4. des Versäumnisurteils war gleichfalls aufrechtzuerhalten. Das Bestehen der Instandsetzungsansprüche für die fälligen Schönheitsreparaturen hat auch die Beklagte nicht in Abrede gestellt. Die Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen ist hier – was zwischen den Parteien gleichfalls nicht im Streit steht – nicht wirksam auf den Kläger übertragen worden. Eine Formularklausel, die den Mieter einer mit Einbaumöbeln versehenen Wohnung im Rahmen der auf ihn abgewälzten Schönheitsreparaturlast auch zum Anstrich der Einbaumöbel verpflichtet, ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 17.11.2015 ó.67 S 359/15, Leitsatz; Ran. 3). So liegt es auch bei der verwendeten, im Tatbestand zitierten Klausel und die Wohnung verfügt in der Einbauküche auch über Einbaumöbel.”

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Hat der Mieter bei mitvermieteter Einbauküche mit Markenherd bei irreperabelem Defekt des Herdes einen Anspruch auf Einbau eines gleichwertigen Markenherds?

Die Antwort des Amtsgerichts Mitte (AG Mitte – 123 C 165/20, Urteil vom 30.06.2021) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Mitte in seiner vorgenannten Entscheidung unter A. wie folgt aus:
„Der Kläger hat in Bezug auf den mitvermieteten Herd aus § 535 Abs. 1 Satz 2. Var. 2 BGB den geltend, gemachten Instandsetzungsanspruch. indem die damalige Vermieterin dem Kläger auf seinen ausdrücklichen Wunsch (und einer entsprechenden Zuzahlung) das hochwertige ###-Gerät zur Verfügung stellte, hat sich auch die geschuldete Soll-Beschaffenheit des mietvertraglich Geschuldeten auf ein hochwertiges, im Wesentlichen vergleichbares Gerät konkretisiert. Das von der Beklagten eingebaute Gerät entspricht den sich hieraus ergebenden Anforderungen nicht. Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, dass der Amica-Herd nicht über eine doppelte Glastür verfügt und somit bei Benutzung des Ofens außen heiß wird. Auch der geringere Durchmesser der größten Platte stellt einen Mangel dar, weil dementsprechend größere Töpfe und Pfannen nicht im selben Maße genutzt werden können wie bei dem alten Herd. Der Kläger muss auch die minderwertige Kunststoff-Optik nicht hinnehmen, da der alte Herd im Edelstahl-Design ausgeführt war. Schließlich hat die Beklagte auch nicht (hinreichend konkret) in Abrede gestellt, dass das Gebläse des neuen Herdes deutlich geräuschintensiver ist. Dementsprechend hat der Kläger einen Anspruch auf den Einbau eines gleichwertigen Markenherdes wie er im Klageantrag bzw. Tenor des Versäumnisurteils beschrieben ist.”

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Ist bei Legionellenbefall eine Mietminderung von 15% angemessen?

 

Die Antwort des Amtsgerichts Mitte (AG Mitte – 123 C 165/20, Urteil vom 30.06.2021) lautet: Ja!

 

Zur Begründung führt das Amtsgericht Mitte in seiner vorgenannten Entscheidung unter B. wie folgt aus:

„Der Kläger hat wegen des Legionellenbefalls für den insoweit allein noch streitigen Zeitraum vom 16.02.2020 bis zum 26.08.2020 Anspruch auf Rückzahlung von wegen Mietminderung zu viel gezahlter Mieten in der geltend gemachten Höhe von 15 % aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, 536 Abs. 1 BGB, mithin einen Anspruch in Höhe von 747,34 EUR.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat hierbei zwar worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat – das Landgericht Berlin nicht entschieden, dass die Vermieterseite bei einer Legionellenkontamination zu beweisen hätte, dass keine Gesundheitsgefährdung vorliege. Es hat vielmehr in der vom Kläger zitierten Entscheidung lediglich ausgeführt, wenn ein Mieter eine vom Vermieter bestrittene Gesundheitsgefahr behaupte, sei über die Frage, ob die Kontamination für den Mieter eine Gesundheitsgefahr begründe, (Sachverständigen-)Beweis zu erheben und die Gesundheitsgefährdung könne nicht ohne ein solches unter bloßer Orientierung an aus der Instanzrechtsprechung abgeleitete Grenzwerte abgelehnt werden (vgl. LG Berlin, Urteil vom 04.05.2017 – 67 S 59/17 -, Leitsätze; Rn. 5; 7 ff.).

Auf die Frage, ob eine Konzentration in gesundheitsgefährdende Höhe vorlag, kommt es hier aber nicht an. Ein Mietobjekt ist auch dann mangelhaft, wenn es nur in der Befürchtung der Gefahrverwirklichung genutzt werden kann. Schon die latent befürchtete Gefahr kann die Wertschätzung und den ungestörten Gebrauch der Sache beeinträchtigen, sofern es sich um eine begründete Gefahrbesorgnis handelt (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 13.02.2002 – 30 U 20/01 -). So liegt es hier. Die Beklagte hat dem Kläger in ihrem Schreiben vom 12.05.2020 selbst mitgeteilt, in dem von ihm genutzten Warmwasserstrang sei eine Kontamination mit Legionellen festgestellt worden. Dabei führte sie unter anderem aus, die Gefahr gehe “weniger von dem Verzehr legionellenbefallenen Wassers aus”, was impliziert, dass auch von dem Verzehr (wenn auch geringere) Gefahren ausgehen. Zudem wurde der Kläger “zur Risikovermeidung” das Abschrauben des Duschkopfes nahegelegt. Diese beiden Umstände schränkten den Mietgebrauch bereits für sich genommen ein, da nicht mehr davon ausgegangen werden konnte, dass eine gefahrlose Nutzung von Trinkwasser und Dusche möglich waren. Diese begründete Besorgnis wird auch nicht durch den abschließenden Absatz des Schreibens ausgeschlossen, da dort lediglich ausgeführt ist, es handele sich nicht um einen zur Mietminderung berechtigten Mangel, was jedoch- nur unter knappem Verweis auf ein amtsgerichtliches Urteil und den dort genannten – nicht näher erläuterten (höheren) Grenzwert begründet wird und im erkennbaren – nicht aufgelösten – Widerspruch zu den in dem Schreiben benannten Gefahren bzw. Vorsichtsmaßnahmen steht.

Der Anspruch besteht auch bereits ab dem Tag der Probeentnahme, damit diesem Zeitpunkt objektiv die in den späteren Schreiben der Beklagten benannten Vorsichtsmaßnahmen erforderlich waren und den Gebrauchswert der Wohnung einschränkten: Es kann hier nicht auf den Zeitpunkt der Information durch die Vermieterseite ankommen, da diese es sonst in der Hand hätte, wann das Mietminderungsrecht des Mieters entsteht (vgl. Herlitz; WuM 2014, 536/537).

Auch der Höhe nach ist der angesetzte Minderungsbetrag von 15 % nicht zu beanstanden. Denn durch die nicht abschließend zu bewertende Gefahr, die von dem Warmwasser ausging, war insbesondere der Gebrauch der Dusche erheblich eingeschränkt, der im Gesamtzusammenhang der Wohnraumnutzung eine ganz wesentliche Bedeutung zukommt.”

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Ist bei Legionellenbefall eine Mietminderung von 10% angemessen?

 

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 67 S 17/21, Urteil vom 17.06.2021) lautet: Ja!

 

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. wie folgt aus:

„Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Mietzins war in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 5. März 2014 bis 17. Juni 2021 gemäß § 536 Abs. 1 BGB um 10% gemindert.

Für die Feststellung des Mangels der Mietsache, der eine lediglich 10%ige Minderung rechtfertigt, kommt es nicht darauf an, ob die Nutzung der Wasserversorgung tatsächlich mit Sicherheit zu einer Gesundheitsgefährdung geführt hat, wie etwa bei der Überschreitung eines durch Richtlinien oder Verordnungen aufgestellten – für den Legionellenbefall nicht festgelegten – Grenzwertes. Vielmehr genügt, dass eine solche Gefährdung in dem nunmehr streitgegenständlichen Zeitraum nicht ausgeschlossen werden kann. Bereits die aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen in dieser Zeit begründete Besorgnis einer nicht nur unerheblichen Gesundheitsgefahr führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wohngebrauchs, wenn und weil sie nur in der Befürchtung der durch eine mit ihr in einer konkreten Beziehung stehenden Gefahrenquelle begründete Gefahrverwirklichung benutzt werden kann. Damit ist der ungestörte Gebrauch der Mietsache so lange beeinträchtigt, bis die Gesundheitsgefahr sicher behoben ist, ohne dass es aufgrund der bereits minderungsrelevanten latenten Gesundheitsgefahr eines tatsächlichen Schadenseintritts oder der Feststellung unmittelbar bevorstehender Schädigungen bedarf (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 13. Februar 2002 – 30 U 20/01, NZM 2003,395; Beschluss vom 25. März 1987 – 30 REMiet 1/86, WuM 1987,248; BGH, Urt. v. 15. März 2006 – VIII ZR 74/05, NZM 2006,504,Tz. 12; Kammer, Urt. v. 21. Dezember 2015 – 67 S 65/14, WuM 2016, 168; LG Stuttgart, Urt. v. 12. Mai 2015 – 26 O 286/14, ZMR 2015, 720).

Nach dieser Maßgabe steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Wohnung der Klägerin jedenfalls im fraglichen Zeitraum mit einem Mangel behaftet war. Für eine begründete Gefahr durch Legionellenbelastung sprechen bereits die gemäß § 16 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 TrinkwV im Jahr 2016 durchgeführten Gefährdungsanalysen der X GmbH mit dem Ergebnis von Zuordnungen von Leitungen des Objekts, die auch die Wasserversorgung der Beklagten und nicht nur einzelne Wohnungen betreffen, zu den Risikoklassen 4 (signifikant) bis 6 (hoch) sowie die im Rahmen nachfolgender Untersuchungen wiederholt festgestellten und den Maßnahmewert um ein Vielfaches überschreitenden Werte mit einer mindestens mittleren Kontamination von bis zuletzt 3.700 KbE/100 ml. Die Annahme einer begründeten Gesundheitsgefahr findet ihre Bestätigung in der allgemeinen Aussage des Sachverständigen im Rahmen seiner mündlichen Anhörungen, wonach es zwar keinen durch wissenschaftliche Erkenntnisse belegten Grenzwert für die Unbedenklichkeit von Legionellenkonzentrationen gebe, die vorliegend festgestellten, den Maßnahmewert deutlich überschreitenden Werte jedoch bereits eine maßgebliche Gesundheitsgefährdung bewirken können, die weitergehend sogar bei einer den Maßnahmewert unterschreitenden Kontamination nicht ausgeschlossen sei, da auch eine geringe Konzentration eine vermeidbare Gesundheitsgefährdung begründen könne.

Davon ausgehend ist aufgrund der wiederholt festgestellten und nicht als gering einzustufenden Legionellenkonzentration unabhängig von der Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Erkrankung der Klägerin von einer hinreichend begründeten und den Mietgebrauch beeinträchtigenden Gesundheitsgefährdung auszugehen, dem die Beklagte als Vermieterin durch Tätigwerden im Sinne der in der Gefährdungsanalyse benannten Maßnahmen zu begegnen hatte. Dass sie dem nachgekommen und die nach Maßgabe der obigen Ausführungen maßgebliche Gesundheitsgefahr innerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums sicher behoben war, ist von der hierfür darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten weder konkret dargetan noch ersichtlich. Soweit die Beklagte auf von ihr im Jahr 2016 ergriffene technische Maßnahmen verweist, wird eine dadurch bewirkte endgültige und als sicher erscheinende Mangelbeseitigung bereits durch die ausweislich ihres Schreibens vom 15. März 2017 erneut festgestellte Legionellenbelastung in einer die vorherigen Messwerte sogar überschreitenden Konzentration widerlegt.

Eine andauernde Minderung von 10% erscheint vorliegend als angemessen. Dafür reichte es aus, dass seit dem 3. März 2014 wiederholt an verschiedenen Messstellen der Warmwasserversorgung eine den technischen Maßnahmewert bei weitem überschreitende Legionellenbelastung festgestellt worden ist. Die zur Begründung des Mangels hinreichende Gefahrbesorgnis wäre allenfalls dann entfallen, wenn die Beklagte die Klägerin ausdrücklich und durch signifikant von den Voruntersuchungen abweichenden Testergebnisse im Rahmen der angekündigten Folgeuntersuchungen des Trinkwassers entwarnt hätte (vgl. Emmerich, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2021, § 536 Rz. 29 m.w.N.). An einer solchen Entwarnung fehlte es jedoch bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung. Soweit die Beklagte darauf verweist, die Klägerin würde nicht mehr in der streitbefangenen Wohnung wohnhaft sein, verfängt dies nicht. Denn für die Beurteilung eines Mangels i.S.d. § 536 BGB kommt es nicht darauf an, ob der Mieter in der Mietsache aufhältlich ist oder nicht (vgl. KG, Urt. v. 10. März 2011 – 8 U 187/10, WuM 2012,142). Davon unabhängig ist der zuerkannte Minderungssatz selbst bei einem nicht in der Wohnung aufhältlichen und gesundheitlich nicht vorbelasteten Mieter gerechtfertigt.”

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Bleiben behebbare Mängel im Rahmen der Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete außer Ansatz?
Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 69/20, Urteil vom 30.07.2020) lautet: Ja!
Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 2. wie folgt aus:

„Ohne Erfolg wenden die Kläger sich gegen die Bewertung des Amtsgerichts, das Treppenhaus befinde sich nicht in einem schlechten Instandsetzungszustand. Die Kammer folgt den zutreffenden Feststellungen des Amtsgerichts nach eigener rechtlicher Prüfung. Da es sich um gebäudebezogenes Merkmal handelt und behebbare Mängel im Rahmen der Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete außer Ansatz bleiben, sind typische Gebrauchsspuren eines Treppenhaues – wie abgestoßene Stellen am Treppengeländer oder an Wohnungstüren – nicht ausreichend, wenn sie – wie hier – noch nicht einen Grad erreicht haben, der das Gebäude prägt und als ihm für eine gewisse Dauer anhaftender Zustand anzusehen ist. Zuzugeben ist der Klägerseite, dass das Kriterium “Treppenhaus/Eingangsbereich überwiegend in schlechtem Zustand” – für beide Parteien – schwer zu handhaben bzw. darzulegen ist.”