Archiv für den Monat: März 2021

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:

Verwaltungsgericht Berlin – VG 8 L 201/20, Beschluss vom 30.03.2021:
 
Pressemitteilung vom 31.03.2021: „Mietendeckel“: Bezirksamt darf Mieterhöhung verbieten (Nr. 19/2021)
Die Berliner Bezirksämter dürfen Vermietern Mieterhöhungen auf Grundlage des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen (MietenWoG Bln, „Berliner Mietendeckel“) verbieten. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren entschieden.
Die Antragstellerin ist ein Wohnungsunternehmen. Im Januar 2020 forderte sie den Mieter einer ihrer Wohnungen auf, einer Mieterhöhung zustimmen. Bis zur Klärung der Verfassungsgemäßheit des Mietendeckels sei die erhöhte Miete aber nicht zu entrichten. Nachdem der Mieter dem nicht zugestimmt hatte, erhob die Antragstellerin beim Amtsgericht Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung. Hierüber ist noch nicht entschieden. Auf Hinweis des Mieters untersagte das Bezirksamt der Antragstellerin, die Zustimmung zur Mieterhöhung zu verlangen. Zur Begründung führte das Bezirksamt aus, mit dem Mietenstopp nach dem MietenWoG Bln seien Mieterhöhungen untersagt. Es komme nicht darauf an, dass die Antragstellerin die Zahlung der erhöhten Miete vorerst nicht verlange.
Dagegen hat die Antragstellerin Klage erhoben und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sie ist u.a. der Auffassung, der Mietenstopp sei verfassungswidrig. Dem Land Berlin fehle es an der Gesetzgebungskompetenz für eine solche Regelung, die außerdem unzulässigerweise in das Eigentumsgrundrecht eingreife.
Die 8. Kammer hat den Eilantrag zurückgewiesen. Das Vorgehen des Bezirksamts sei rechtmäßig. Nach dem MietenWoG Bln dürfe die zuständige Behörde von Amts wegen alle zur Umsetzung des Gesetzes erforderlichen Maßnahmen treffen. Hierzu zähle auch die hier getroffene Untersagungsentscheidung. Das Bezirksamt habe Veranlassung gehabt, ordnungsrechtlich gegen die Antragstellerin vorzugehen, weil sie die Zustimmung zur Mieterhöhung entgegen dem gesetzlichen Mietenstopp verlangt habe. Der Mietenstopp sei zwar in der Rechtsprechung der Zivilgerichte und der juristischen Literatur umstritten, aber nicht evident verfassungswidrig. Dem Land Berlin stehe die Gesetzgebungskompetenz für eine mietpreisrechtliche Regelung zu. Der Mietenstopp sei als politisch gesetzte Preisgrenze eine Ausnahmeregelung, die zeitweilig die Vorschriften des bürgerlichen Rechts überlagere. Angesichts steigender Mieten befürchte der Gesetzgeber eine Verdrängung einkommensschwacher Bevölkerungsschichten aus ihrem sozialen Umfeld. Der Mietenstopp solle ihnen eine „Atempause“ verschaffen; wegen seiner zeitlichen Befristung sei er mit dem Eigentumsgrundrecht vereinbar und daher Vermietern zumutbar.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erhoben werden.

Aus der Rubrik “Wirtschaftsinformationen”:

 
 
rbb24.de am 25.03.2021: Berliner Mietendeckel bremst Deutsche Wohnen

Der Berliner Mietendeckel hat im Jahr 2020 beim Immobilienkonzern Deutsche Wohnen Spuren hinterlassen.
Die Bestandsmiete im Gesamtportfolio ging demnach aufgrund des Berliner Mietendeckels um 4,1 Prozent auf durchschnittlich 6,70 Euro pro Quadratmeter zurück. In der Hauptstadt war es sogar ein Rückgang von sechs Prozent, wie Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn am Donnerstag bei der Präsentation der Jahresbilanz sagte. Die Vertragsmieten verharrten mit 837,6 Millionen Euro auf dem Niveau des Vorjahres, hieß es weiter.
Dem Konzern gehören in Deutschland mehr als 155.400 Wohnungen. Rund drei Viertel davon stehen in Berlin. Wie in vielen Ballungsräumen sind die Mieten dort in den vergangenen Jahren besonders stark gestiegen.

Gewinn geht leicht zurück

Im zweiten Quartal 2021 werde mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des Mietendeckels gerechnet, hieß es.
Der operative Gewinn ging leicht um 1,6 Prozent auf gut 544 Millionen Euro zurück. Die Dividende soll dennoch auf 1,03 Euro je Aktie erhöht werden. Ein Jahr zuvor hatte Deutsche Wohnen 90 Cent je Aktie ausgeschüttet. Das Periodenergebnis betrug 1,54 Milliarden Euro. Das waren 3,5 Prozent weniger als im Vorjahr. Für das laufende Jahr erwartet das Unternehmen einen operativen Gewinn etwa auf dem Niveau des Vorjahres.
https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2021/03/mietendeckel-deutsche-wohnen-berlin-immobilien-mieten.html

Pressemitteilung 03/2021 

Neuer Beratungsstandort Hakenfelde

Ab 13.04.2021 findet die kostenfreie bezirkliche Mieterberatung Spandau in Hakenfelde

nicht mehr am Standort „Seniorentreff Hohenzollernring“, Hohenzollernring 105,      13585 Berlin, sondern am neuen Standort

„Stadtteiltreff Hakenfelde“ (ehemaliges Wahlkreisbüro Bettina Domer), Streitstraße 60, 13587 Berlin,

immer dienstags von 11:00 Uhr bis 13:00 Uhr durch den AMV – Alternativer Mieter- und Verbraucherschutzbund e.V. statt (Beratung der Reihe nach ohne Voranmeldung).

Die Mieterberatung umfasst zivilrechtliche Fragestellungen der Mieterinnen und Mieter, insbesondere zu Mietverträgen, Mieterhöhungen, Betriebskosten und Kündigungsschutz und gibt Hilfe zum praktischen Vorgehen bei Problemen.

Berlin, den 23.03.2021

Ass. Marcel Eupen, Pressesprecher des AMV

Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:

Berliner Zeitung am 18.03.2021: Wie Vermieter in Berlin versuchen, den Mietendeckel zu umgehen
Extra-Verträge für Keller und Garage: Vorsitzender des Verbandes Haus & Grund macht Vorschläge, wie Vermieter trotz Regulierung die Einnahmen steigern können.
Berlins Vermieter zeigen sich kreativ, wenn es darum geht, trotz Mietendeckel

die Einnahmen zu erhöhen. Der Rechtsanwalt Carsten Brückner, Vorsitzender des Eigentümerverbandes Haus & Grund in Berlin, schlägt in einem Text auf dem Onlineportal anwalt.de unter der Überschrift „Mietendeckel und Mietpreisbremse entgehen“ vor, gesonderte Verträge über Nebenflächen abzuschließen.
Brückner führt aus, dass Vermieter „mit einer gesonderten Vermietung des Kellers, der Garage, des Kfz-Stellplatzes, der Waschküche, des Bodenraums, des Hobbyraums, der Grün- und Gartenflächen“ einen „nicht unerheblichen Teil Ihrer Immobilie dem Anwendungsbereich der Miethöhevorschriften für Wohnraum entziehen“ können. Bei diesen Mietverträgen handele es sich dann „nicht um Wohnraummietverträge, sodass die miethöheregelnden Vorschriften für Wohnraum keine Anwendung“ fänden, argumentiert er. Auch den Auslegungsregeln des Mietspiegels unterlägen diesen Vereinbarungen nicht.
„Im Rahmen der Wohnraummietvertragsverhältnisse werden dem Mieter oftmals Leistungen miterbracht, die nicht ausreichend gewürdigt werden und keinen angemessenen wirtschaftlichen Gegenwert erfahren“, erläutert Brückner seinen Vorstoß auf Anfrage. Zum Beispiel bei der Schaffung von Fahrradabstellplätzen. Die Vermieter seien „in der Vergangenheit nicht aufmerksam genug bei der Vermietung mit ihrem Eigentum umgegangen“, meint Brückner. „Vieles ist viel zu selbstverständlich geworden. Zugegeben – es gab vielleicht auch nicht die Veranlassung dazu, spätestens seit dem Mietendeckel hat sich die Situation aber grundlegend geändert“, sagt Brückner.
Mieterverein hält Vorstoß für sehr bedenklich
Bei seinem Vorschlag stützt sich Brückner auf die Ausführungsvorschriften zum Mietendeckel. Darin wird festgestellt, dass unter der Miete im Sinne des Gesetzes „die Nettokaltmiete einschließlich aller etwaigen Zuschläge“ verstanden wird. Dann folgt eine einschränkende Ergänzung, in der es heißt: „Falls nicht zusätzlich außerhalb des Mietvertrages Nutzungsvereinbarungen über vom Vermieter bereitgestellte Gegenstände“ getroffen wurden. In einer Beispielrechnung für einen Fahrradabstellplatz kommt Brückner zu dem Ergebnis, dass dieser entsprechend dem Berliner Mietspiegel bei einer 85 Quadratmeter großen Wohnung für 62,39 Euro vermietet werden könnte. Alles Theorie? Nein. „Solche Verträge sind entsprechend meiner Empfehlung auch bereits abgeschlossen worden“, erklärt Brückner.
Der Berliner Mieterverein (BMV) kritisiert den Vorstoß. „Herr Brückner, der ja Vorsitzender von Haus & Grund Berlin ist, sucht alle erdenklichen Schlupflöcher beim Mietendeckel und empfiehlt sie den Vermietern zur Anwendung“, sagt Geschäftsführer Reiner Wild. Die dahinterliegende Geisteshaltung sei doch sehr bedenklich. „Ein Gesetz passt mir nicht, dann versuchen wir, es eben zu umgehen. So etwas schadet der Demokratie“, kritisiert Wild. In der Sache habe Brückner nach Auffassung des Mietervereins nicht Recht. Gemäß der Ausführungsvorschriften liege eine unwirksame Umgehung des Mietendeckels immer dann vor, wenn Flächen „bei faktischer Betrachtung überwiegend in die Wohnnutzung eingebunden sind“. Insoweit dürfte die Umsetzung des Vorschlages von Brückner fast immer eine Umgehung des Mietendeckels darstellen und unwirksam sein. Wild: „Denn ein Keller oder eine gebäudebezogene Grünfläche dürften wohl Bestandteil der Wohnnutzung sein, was sonst?“
Senatsverwaltung: Definition der Miete wird konkretisiert
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung weist darauf hin, dass zur Miete auch das in einem gesondert geschlossenen Mietvertrag vereinbarte Entgelt zählt. Jedenfalls, „wenn diese Vermietung rechtlich oder auch nur faktisch und zudem wirtschaftlich mit einer Neuvermietung von Wohnraum verknüpft ist“. Wenn beispielsweise Möbel gesondert zur Wohnung vermietet werden. Sollte eine solche Vereinbarung nicht mit der Wohnungsvermietung verknüpft sein, wären diese Zahlungen aus Sicht der Behörde „dagegen nicht als Miete zu betrachten“. Offenbar sieht die Behörde aber Nachbesserungsbedarf. Die Ausführungsvorschriften zum Mietendeckel würden, so die Senatsverwaltung, gerade zusammen mit den Bezirken angepasst. Es sei geplant, die Definition der Miete „zu konkretisieren“.
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/extra-vertraege-fuer-keller-und-garage-wie-man-den-mietendeckel-umgeht-li.146810

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Ist ein Mieterhöhungsverlangen formell unwirksam, wenn wohnwerterhöhende Merkmale angegeben, aber nicht erläutert sind?
Die Antwort des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg (AG Tempelhof-Kreuzberg – 15 C 158/20, Urteil vom 22.09.2020) lautet: Ja!
Zur Begründung führt das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: „Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung mit Wirkung zum 1.10.2019. Denn die Klägerin hat das Mieterhöhungsverlangen nicht – wie von § 558a Abs. 1 BGB vorgeschrieben – ausreichend begründet Die Regelung des § 558a Abs. 1 BGB verfolgt den Zweck, dem Mieter die Möglichkeit zu verschaffen, die sachliche Berechtigung der Mieterhöhung nachprüfen zu können und innerhalb der gesetzlichen Überlegungsfrist informiert darüber zu entscheiden, ob er die Zustimmung erteilt (Artz, Münchener Kommentar zum BGB, § 558a Rn 14 f). Hierdurch soll der Mieter in die Möglichkeit versetzt werden, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen, um auf diese Weise überflüssige Prozesse zu vermeiden (Artz, a.a.O.).

Für Mieterhöhungsverlangen unter qualifizierten Mietspiegel hat der 8. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 12. Dezember 2007, VIII ZR 11/07, zwar entschieden, dass es ausreicht, im Erhöhungsverlangen das einschlägige Mietspiegelfeld und die sich daraus ergebende Spanne anzugeben. Einer darüber hinausgehende ausdrückliche Mitteilung der Spanne bedürfe es nicht. Es sei ausreichend, wenn dem Mieter die Möglichkeit verschafft werde, die sachliche Berechtigung der Mieterhöhung nach dem Vergleichsmietensystem jedenfalls “ansatzweise” nachprüfen zu können.

Diesen Vorgaben entspricht das Mieterhöhungsverlangen zumindest insoweit, als das einschlägige Mietspiegelfeld und sogar die im Mietspiegel vorgesehene Spanne angegeben ist. Die Klägerin hat darüber hinaus aber eine Bewertung der Merkmalgruppen vorgenommen, ohne diese zu erläutern; die Merkmalgruppen 1, 3 und 4 hat sie als wohnwerterhöhend angesehen. Für die Beklagten war indes nicht ersichtlich, worauf sich diese Einordnung gründet. Dies widerspricht dem Schutzzweck des § 558a Abs. 1 BGB. Denn die in der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung des Berliner Mietspiegels genannten Merkmale, auf die die Klägerin das Erhöhungsverlangen stützt, sind den Mietern teilweise nicht bekannt. Sie sind daher auch nicht in der Lage zu überprüfen, ob die von der Klägerin vorgenommene Einordnung gerechtfertigt ist. Dies gilt beispielsweise für die Merkmalgruppe 4. Der Mieter wird in der Regel keine Kenntnis vom Wirkungsgrad der Heizungsanlage oder einer etwaigen Wärmedämmung haben. Er kann daher nur mutmaßen, worauf sich die Spanneneinordnung stützt. Damit ist es ihm nicht möglich, die Berechtigung des Erhöhungsverlangens konkret zu überprüfen.

Im Ergebnis kann es aber dahinstehen, ob die Klägerin grundsätzlich gehalten war, ihr Mieterhöhungsverlangen zu erläutern und zu erklären, wieso sie die Merkmalgruppen der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung des Berliner Mietspiegels teilweise als erfüllt ansieht. Denn die Klägerin hat im hiesigen Rechtsstreit – wie auch in zwei weiteren vor der Abteilung 15 geführten Rechtsstreiten, die dasselbe Objekt betreffen – gezeigt, dass sie mit den Gegebenheiten ihrer Wohnungen nicht vertraut ist. Auch in dem hiesigen Rechtsstreit hat sie unberücksichtigt gelassen, dass das Badezimmer eine Größe von nur 3,34 qm hat und dass sich in der Wohnung ein sogenanntes gefangenes Zimmer befindet. Es wird Bezug genommen auf das von den Beklagten als Anlage B2 eingereichte Aufmaß des Planungsbüros G.. Zumindest von einer Vermieterin, die – wie die Klägerin – bedingt durch ständigen Wechsel der Hausverwaltung eine Mieterhöhung fordert, ohne detaillierte Kenntnis von Wohnungen und Gebäude zu haben, können die Mieter erwarten, das im Mieterhöhungsverlangen die vorgenommene Spanneneinordnung erläutert wird.”