Kann einen Anleger eine Mitverantwortung treffen , wenn er sich bei einer erheblichen Investition ausschließlich auf die Empfehlung des Beraters verlässt?
Die Antwort des Bundesgerichtshofs (BGH – III ZR 90/14, Urteil vom 19.02.2015) lautet: Nein !
Zur Begründung führt der BGH in seiner vorgenannten Entscheidung auf den Seiten 7 und 8 unter den Randnummern 12 und 13 wie folgt aus: “Die Auffassung des Berufungsgerichts, dem Kläger sei ein Mitverschulden anzulasten, dessen Höhe mit 50 % anzusetzen sei, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Berufungsgericht hat bei seiner (revisionsrechtlich grundsätzlich hinzunehmenden, vgl. nur BGH, Urteile vom 5. März 2002 – VI ZR 398/00, NJW 2002, 1643, 1646 und vom 25. März 2003 – VI ZR 161/02, NJW 2003, 1929, 1931) Würdigung die Anforderungen an ein auf Seiten des Anlageinteressenten anzurechnendes Mitverschulden bei Zeichnung einer Anlage verkannt. Danach muss sich der Kläger auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ein mitwirkendes Verschulden nicht entgegenhalten lassen. Ein Verschulden im Sinne des § 254 BGB liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann vor, wenn der Geschädigte diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1987 – X ZR 36/86, NJW – RR 1988, 855 f). Allerdings verdient das Vertrauen desjenigen, der sich von einem anderen, der für sich Sachkunde in Anspruch nimmt, beraten lässt, besonderen Schutz. Deshalb kommt im Falle eines Schadensersatzanspruchs wegen der (vorsätzlichen oder fahrlässigen) Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten der Einwand des Mitverschuldens nur unter besonderen Umständen zum Tragen, weil sich der Anleger regelmäßig auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der ihm erteilten Aufklärung und Beratung verlassen darf; alles andere widerspräche dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), der in § 254 BGB lediglich eine besondere Ausprägung erhalten hat (vgl. BGH, Urteile vom 14. März 2003 – V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1814 und vom 13. Januar 2004 – X ZR 355/02, NJW 2004, 1868, 1870; Senatsurteil vom 8. Juli 2010 – III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 21 sowie BGH, Urteil vom 3. Juni 2014 – XI ZR 147/12, NZG 2014, 1061 Rn. 46 jeweils mwN).Eine Ausnahme hiervon ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Geschädigte über eigene Sachkunde oder über zusätzliche Informationen von dritter Seite verfügt (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1987 aaO).”