Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Wird die Ausschlussfrist für die Erstellung der Betriebskostenabrechnung durch eine “lediglich fristwahrende” Abrechnung mit bewussten Falschangaben gewahrt?

Die Antwort des Landgerichts Bonn (LG Bonn – 6 S 138/14, Urteil vom 08.01.2015) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das LG Bonn in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: “Es kann dabei offen bleiben, ob die rechtsdogmatische Begründung für dieses zutreffende Ergebnis eine erweiternde Anwendung oder Auslegung von § 556 Abs. 3 S. 2 u. 3 BGB nach dessen Sinn und Zweck ist, wie das Amtsgericht meint, oder ob die Abrechnung vom 13.12.2012 als Scheinabrechnung analog § 117 BGB unwirksam ist (und damit die Abrechnung vom 19.04.2013 die erste Abrechnung darstellt, für die § 556 Abs. 3 S. 2 u. 3 BGB wegen Ablaufs der Abrechnungsfrist eine Nachforderung insgesamt ausschließt) oder ob die Klägerin sich gemäß § 242 BGB aufgrund von Rechtsmissbrauchs so behandeln lassen muss, als ob § 556 Abs. 3 S. 2 u. 3 BGB eine Nachforderung (insgesamt) ausschließen würde.

Im Kern und im Ergebnis ist jedenfalls die Rechtsauffassung des Amtsgerichts zutreffend, dass die “lediglich fristwahrende” Abrechnung vom 13.12.2012 den Versuch der Umgehung des Nachforderungsausschlusstatbestands des § 556 Abs. 3 S. 2 u. 3 BGB darstellt, insbesondere um eine nach der Abrechnungsfrist erstmals erfolgte ernsthafte Abrechnung nicht an § 556 Abs. 3 S. 3 2. HS BGB messen lassen zu müssen (Voraussetzung mangelndes Vertretenmüssen der Verspätung). Der hier vorliegende Fall einer absichtlich falschen Angabe der Gesamtkosten – durch Angabe der Gesamtkosten des Vorjahres – allein zur Wahrung der Abrechnungsfrist ist eine “Alibi- oder Scheinabrechnung”, wie dies das Amtsgericht zutreffend genannt hat, die nicht geeignet ist, zugunsten des Vermieters die Abrechnungsfrist als hierdurch gewahrt anzusehen. Es mag zwar nach dem äußeren Erscheinungsbild von einer formal wirksamen Abrechnung gesprochen werden, da es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich für die Einhaltung der Frist des § 556 Abs. 3 S. 2 BGB nicht auf die inhaltliche Richtigkeit der Abrechnung ankommt (BGH, Urteil vom 19.01.2005, VIII ZR 116/04). Aber der hier vorliegende Fall entscheidet sich von den sonstigen Fällen der inhaltlich falschen Abrechnungen dadurch, dass hier eine vorsätzlich falsche, letztlich gar nicht ernst gemeinte Abrechnung vorliegt, die allein der Wahrung der Frist des § 556 Abs. 3 S. 2 BGB und damit der Umgehung der “Hürde” des §556 Abs. 3 S. 3 2. HS BGB diente. Die Absicht der Klägerin zur reinen Fristwahrung, ohne dass ernsthaft der aus der Abrechnung sich ergebende Nachzahlungssaldo i.H.v. 256,62 Euro (Bl. ## d.A.) gefordert werden sollte, ergibt sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 13.12.2012 (Anlage K 1, Bl. ## d.A.) und wird von der Klägerin auch gar nicht in Abrede gestellt. Die bisherige – zutreffende – Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bezieht sich lediglich auf die Abgrenzung von inhaltlichen und formellen Fehlern und dessen Auswirkung auf die Anwendung von § 556 Abs. 3 BGB, nicht aber auf Fälle von vorsätzlich inhaltlich falschen Abrechnungen mit dem einzigen Ziel der Wahrung der Frist des § 556Abs. 3 S. 2 BGB zwecks Umgehung der “Hürde” des § 556 Abs. 3 S. 3 2. HS BGB, wie hier der Fall ist. Dabei ist zu beachten, dass bei konsequenter Anwendung der Rechtsauffassung der Klägerin die Vorschrift des § 556 Abs. 3 S. 3 2. HS BGB faktisch fast leer zu laufen droht. Auf Basis der Rechtsauffassung der Klägerin könnte ein Vermieter eine die Abrechnungsfrist wahrende Nebenkostenabrechnung gegenüber dem Mieter erteilen, in welcher pure, relativ hohe Fantasiezahlen bei den umgelegten Gesamtkosten genannt werden, so dass jegliche sich noch nach Ablauf der Abrechnungsfrist durch eine verspätete zutreffende Abrechnung ergebene Nachzahlungsforderung “gesichert” wäre. Man hätte dann im vorliegenden Fall z.B. auch bei jeder Gesamtkostenposition das Doppelte des Vorjahreswertes oder überall 10.000,00 Euro (so absurd dies auch wäre) einsetzen können, womit man als Vermieter “auf der sicheren Seite” gewesen wäre, dass der sich aus der später noch zu erfolgenden richtigen Abrechnung ergebende Nachzahlungsanspruch in voller Höhe gesichert wäre, ohne dass der Vermieter die verspätete Abrechnung mit den tatsächlichen Gesamtkosten daran messen lassen müsste, ob er die Verspätung zu vertreten hätte (§ 556 Abs. 3 S. 3 2. HS BGB). Dies entspricht nicht dem Sinn und Zweck von § 556 Abs. 3 S. 2 u. 3 u. 5 BGB, wonach beidseitig binnen angemessener Fristen Abrechnungssicherheit gewährleistet werden soll. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass dem Mieter – bei Unterstellung der Richtigkeit der Rechtsauffassung der Klägerin – durchaus die Möglichkeit bliebe, unmittelbar nach Ablauf der Abrechnungsfrist eine jedenfalls dann zunächst begründete (negative) Feststellungsklage zu erheben, wonach der Nachzahlungssaldo nach der “Alibi-Abrechnung” dem Vermieter nicht zusteht bzw. wonach dem Vermieter insgesamt kein Nachzahlungsanspruch für das betreffende Abrechnungsjahr zusteht, womit der Mieter den Vermieter effektiv zwingen könnte, im Prozess nun inhaltlich richtig abzurechnen (und sein bisheriges Verschulden an dem Fehlen der korrekten Abrechnung zu beseitigen). Sofern der Vermieter dem nicht nachkommt, würde der Mieter den Prozess gewinnen und damit abschließend keine Nachzahlung für das betreffende Abrechnungsjahr schulden (sofern er den Feststellungsantrag nicht nur so formuliert, dass sich aus der “Alibi-Abrechnung” keine Ansprüche ergeben, sondern allgemein Feststellung beantragt, dass dem Vermieter für das Abrechnungsjahr keine Nachzahlungsansprüche wegen Nebenkosten zustehen). Alternativ wäre auch eine Leistungsklage auf Erteilung einer Abrechnung mit den tatsächlichen Gesamtkosten des betreffenden Jahres denkbar. Sofern der Vermieter sodann im Prozess mit den tatsächlichen Gesamtkosten eine zutreffende Abrechnung erteilt, bestünden keine Kostenrisiken für den Mieter, da er dann den Prozess für erledigt erklären könnte. Letztlich würde hierdurch aber die Initiative auf den Mieter verlagert, der klagen müsste, um Abrechnungssicherheit zu erlangen. Dies entspricht nicht dem Sinn und Zweck von § 556 Abs. 3 BGB, wonach dem Vermieter obliegt, binnen der Abrechnungsfrist eine Abrechnung gemäß § 259 BGB zu erteilen, die dem Mieter zumindest eine potentielle Grundlage für die Entscheidung bietet, ob er die Abrechnung akzeptiert oder Einwände geltend machen will (bzw. vorgelagert Belegeinsicht nehmen will). Letzteres ist bei einer rein fristwahrenden “Alibi-Abrechnung” nicht der Fall, da von vornherein feststeht, dass eine solche Abrechnung nicht akzeptiert werden kann – auch aus Sicht des Vermieters. Auf Basis der Rechtsauffassung der Klägerin würde die Abrechnungsfrist nicht mehr den Zweck erfüllen können, binnen angemessener Frist für Abrechnungssicherheit zu sorgen, sondern dem schutzwürdigen Mieter würde die Klageinitiative aufgebürdet, sofern der Vermieter den von der Klägerin angewandten “Trick” der Abrechnung auf Basis von Vorjahreswerten bei den Gesamtkosten benutzen sollte. Im Extremfall könnte dies bei Passivität des Mieters (was durchaus häufig der Fall sein dürfte, gerade bei sozial schwachen Mietern) dazu führen, dass erstmals kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist Abrechnungen mit den tatsächlichen Gesamtkosten erfolgen und der Mieter sich plötzlich erheblichen Nachforderungen aus mehreren Jahren ausgesetzt sieht, während Sinn und Zweck von § 556 Abs. 3 BGB u.A. auch ist, eine solche Kulmination von Nachforderungen mehrerer Abrechnungsjahre auf einen Zeitpunkt zu vermeiden.

Es hat bei dem durch § 556 Abs. 3 S. 3 2. HS BGB normierten Grundsatz zu verbleiben, dass sich ein Vermieter rechtzeitig darum bemühen muss, insbesondere die nach dem Leistungsprinzip umzulegenden Gesamtkosten des betreffenden Abrechnungsjahrs zu ermitteln und eine entsprechende Abrechnung zu erteilen. Diese Pflicht gilt gerade auch in der vorliegenden Konstellation einer vermieteten WEG-Wohnung, bei der der Vermieter auf die Hausgeldabrechnung des WEG-Verwalters angewiesen ist, aus welcher sich die umlagefähigen Gesamtkosten ergeben. Der Vermieter ist in einem solchen Fall gehalten, frühzeitig beim WEG-Verwalter die Abrechnung anzumahnen und ggf. weitere geeignete, zumutbare Schritte zu unternehmen. Sofern er solche geeigneten, zumutbaren Schritte unternommen hat und dennoch die Hausgeldabrechnung erst nach Ablauf der Abrechnungsfrist erhalten hat, vermag er sich gemäß § 556 Abs. 3 S. 3 2. HS BGB darauf zu berufen, dass er die Verspätung nicht zu vertreten hat. Hierzu müsste der Vermieter aber im Prozess konkret vortragen (und ggf. den Beweis führen), woran es hier mangelt.”