Reichen bloße Befürchtungen oder Angst für eine Räumung von Wohnraum durch einstweilige Leistungsverfügung nach § 940a Abs. 1 ZPO aus?
Die Antwort des Amtsgerichts Bremen (AG Bremen – 5 C 135/15, Urteil vom 30.04.2015) lautet: Nein!
Zur Begründung führt das AG Bremen in seiner vorgenannten Entscheidung unter 2) wie folgt aus: “Aber auch hinsichtlich des Verfügungsbeklagten zu 2) mangelt es an einem Verfügungsgrund. Verfügungsgrund ist die konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Verfügungsgläubigers bzw. von ihm zu schützender Personen.
Es müssen insoweit konkrete Anhaltspunkte für eine bevorstehende nicht unerhebliche Verletzung der körperlichen Integrität der Verfügungsklägerin oder Dritter gegeben sein (BeckOK ZPO/Mayer ZPO § 940a Rn. 5). Angesichts der besonderen Bedeutung der Wohnung und der bei einer Räumung im einstweiligen Verfügungsverfahren systembedingt eintretenden Vorwegnahme der Hauptsache kommen nur solche Gefährdungen in Betracht, die eine Entziehung des Besitzes an dem Wohnraum des Störers zwingend verlangen (Dr. Ulf Börstinghaus, Die neue “Räumungsverfügung” im Wohnraummietprozess, NJW 2014, 2225). Bloße Befürchtungen oder Angst reichen nicht aus (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 940a ZPO, RN 14).
Eine derart konkrete, nicht unerhebliche Gefahr für Leib oder Leben der Verfügungsklägerin und/oder ihrer Eltern kann vorliegend selbst bei Wahrunterstellung des Vortrags der Verfügungsklägerin nicht festgestellt werden. Die Verfügungsklägerin hat insoweit vorgetragen, der Verfügungsbeklagte zu 2) sei mit geballter Faust und mit zum Schlag erhobenem Arm fuchsteufelswild auf sie mit den Worten: “Ich schlage dir gleich ins Gesicht und zertrümmere deine Brille…” zugestürmt. Tatsächlich hat sich eine Tätlichkeit aber nicht ereignet. Soweit die Verfügungsklägerin vorträgt, hierzu sei es nur deswegen nicht gekommen, weil ihr Vater anwesend gewesen sei, bleibt völlig offen, wie ihr 80jähriger Vater eine wirklich drohende Tätlichkeit verhindert haben soll. Auch in dessen Brief vom 20.04.2015 findet sich nichts dazu, dass er durch irgendein Verhalten einen Angriff auf die Verfügungsklägerin verhindert hätte. Vielmehr war es allem Anschein nach so, dass der 74jährige Verfügungsbeklagte zu 2) eine ihm mögliche Verletzung der Verfügungsklägerin nicht wirklich in die Tat umzusetzen trachtete. Die Verfügungsklägerin hat auch nicht vorgetragen, dass sich in der Vergangenheit während des seit vielen Jahren schwelenden Konflikts der Parten je ein körperlicher Übergriff ereignet hätte. Eine bevorstehende nicht unerhebliche Verletzung der körperlichen Integrität der Verfügungsklägerin und/oder ihrer Eltern ist demzufolge nicht mit der für eine Räumungsverfügung erforderlichen hinreichenden Sicherheit zu befürchten, zumal die Parteien bereits seit ca. 30 Jahren in demselben Haus wohnen.
Hinzu kommt, dass dem Vorfall in der Nacht von Ostersonntag auf Ostermontag eine nicht unerhebliche Provokation durch die Verfügungsklägerin und ihrem Vater vorausgegangen ist. Denn unabhängig davon, ob es sich bei der über der Kellerraumtür angebrachten Kamera um eine Attrappe handelt oder nicht, sind die Verfügungsklägerin und ihr Vater gehalten, keine Selbstjustiz zu verüben und an der Kamera etwas eigenmächtig zu verändern, sondern gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, zumal nicht unumstritten ist, ob die Verfügungsklägerin eine Attrappe dulden müsste (vgl. zum Problemkreis MMR-Aktuell 2015, 366749). An der Kellerraumtür des ausschließlich von den Verfügungsbeklagten gemieteten Kellerraums dürfen sich die Verfügungsklägerin und ihre Eltern jedenfalls nicht eigenmächtig zu schaffen machen.”