Stellen Legionellen in der Wasserversorgungsanlage einer Zahnarztpraxis einen Mangel der Mietsache dar?
Die Antwort des Landgerichts Stuttgart (LG Stuttgart -26 O 286/14, Urteil vom 12.05.2015) lautet: Ja!
Zur Begründung führt das LG Stuttgart in seiner vorgenannten Entscheidung unter A. I. 2. a) bis e) wie folgt aus: “Legionellen in der Wasserversorgungsanlage einer Zahnarztpraxis stellen eine Mangel der Mietsache dar.
a) Legionellen sind eine Gattung stäbchenförmiger, im Wasser lebender Bakterien, die in erwärmtem Wasser (30 – 45°C) optimale Vermehrungsbedingungen finden und damit zum Gesundheitsrisiko für den Menschen werden. Die Infektion erfolgt durch Einatmen von zerstäubtem, legionellenhaltigen Wasser (Aerosole) oder Eindringen von erregerhaltigem Wasser in die Luftröhre oder Lunge. Eine Infektion mit Legionellen kann dabei zu einer schweren und nicht selten tödlich verlaufenden Lungenentzündung führen (vgl. Wikipedia, “Legionellen”).
b) Gerade in Zahnarztpraxen besteht bei vorhandenem Befall des Trinkwassers mit Legionellen eine besondere Gefahr. Die Ab-saug-, Mundspül- und sonstigen wasserführenden Dentaleinrichtungen können leicht als Bakterienherd fungieren. Gefahr droht neben dem ärztlichen Personal – insbesondere den Patienten, da durch das Arbeiten am Mund die Tröpfchen (Aerosolen) in die Nähe des Atemsystems geraten und zudem die Immunabwehr der Patienten bei Zahnproblemen potentiell geschwächt ist. Dabei liegt auf der Hand, dass gerade in einer Zahnarztpraxis das Wasser sauber und insbesondere frei von Krankheitserregern sein muss. Eine auch nur potentielle Gesundheitsgefahr im Sinne einer Legionelleninfektion, die im Einzelfall sogar zum Tode führen kann, muss in einer zahnärztlichen Praxis ausgeschlossen werden (die Brisanz des Vorhandenseins von Legionellen in der Wasserversorgung einer Zahnarztpraxis ergibt sich überdeutlich, wenn man die Begriffe in die Suchmaschinen des Internets eingibt).
c) Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass durch die vom Beklagten eingebauten Filter der Mangel beseitigt worden sei. Denn es bestand trotzdem die Gefahr, dass, bspw. infolge eines Defekts des Filters, die Legionellen von Patienten des Beklagten aufgenommen würden.
d) Nachdem unstreitig zunächst Legionellen in der Wasserversorgung vorhanden waren und sich aus dem Prüfbericht der ### vom 08.01.2014 (Entnahme 09.12.2013, Bl. 91-100 d.A.) ergibt, dass auch zu diesem Zeitpunkt die zulässigen Werte an drei Entnahmestellen, darunter zwei betreffend Behandlungsräume (Behandlung 2. OG, Bl. 93 d.A. und Behandlung OG tief, Bl. 100 RS d.A.) des Beklagten überschritten waren, war die Tauglichkeit der vom Beklagten als zahnärztliche Praxis angemieteten Räumlichkeiten ganz erheblich beeinträchtig. Eine – jedenfalls risikolose – Behandlung in diesen beiden Räumen war für den Beklagten gleichsam unmöglich.
e) Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, dass an den Entnahmestellen der Behandlungsstühle jedenfalls nach dem 07. 02.2014 (Prüfbericht der ### vom 19.02.2014 bzgl. Entnahme am 07.02.2014) keine erhöhten Werte mehr gemessen worden seien.
Zwar ist zutreffend, dass im Prüfbericht der ### vom 19.02. 2014 die Übereinstimmung mit den Vorgaben der Trinkwasserverordnung an allen Entnahmestellen bescheinigt wurde. Aufgrund des Gesamtablaufs (mehrfache untaugliche Versuche, die Legionellenkonzentration insgesamt zu beseitigen) bestand jedoch weiterhin die Gefahr, dass, nachdem die Leitungen als solche nicht fachgerecht waren, auch an zunächst “behobenen” Entnahmestellen erneut erhöhte bzw. überschrittene Grenzwerte auftreten. Dies zeigt sich bereits an einer Gegenüberstellung der ###-Prüfberichte vom 08.01.2014 und 19.02.2014. Während im Prüfbericht vom 08.01.2014 bei der Entnahmestelle im Gipsraum keinerlei Legionellen aufgetreten waren, ist im Bericht vom 19.02.2014 im Gipsraum erneut ein Legionellenvorkommen (wenn auch unterhalb der Höchstgrenze) festgestellt worden. Hinzu kommt, dass auch am 07.02.2014 weiterhin an drei Entnahmestellen – darunter in einem Behandlungsraum – Legionellen festgestellt wurden, auch wenn die zulässigen Werte nicht überschritten wurden. Insofern konnte und musste der Beklagte befürchten, dass eine – endgültige und sichere – Sanierung der Wasserversorgung im Haus nicht erfolgt war, sondern er jederzeit mit einem erneuten Anstieg des Legionellenaufkommens zu rechnen hatte und damit seine Patienten nicht risikolos behandeln konnte. Ein Mietobjekt ist aber auch dann mangelhaft, wenn und weil es nur in der Befürchtung einer Gefahrverwirklichung genutzt werden kann. Bereits eine latent vorhandene befürchtete Gefahr kann die Wertschätzung und insbesondere den ungestörten Gebrauch der Mietsache beeinträchtigen (OLG Hamm, Urt.v. 13.02.2002, 30 U 20/01; LG LübeckZMR 2002, 431; AG Dresden GE 2014, 396). Nicht entscheidend ist, dass ein Schaden bereits eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht (AG Hamburg, Urt.v. 18.08.1993, 40a C 1476/92 = BeckRS 2010, 08097).”