Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Entfällt das wohnwertmindernde Merkmal “kein Balkon”, wenn ein Balkon aufgrund von entgegenstehenden rechtlichen Gründen (hier: Denkmalschutz) oder tatsächlichen Gegebenheiten nicht gebaut werden kann?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 175/15, Urteil vom 23.09.2015) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das LG Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. b) wie folgt aus: “b) Unter Berücksichtigung der vom Bundesgerichtshof entwickelten Maßstäbe zur Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete gem. § 287 ZPO, wenn zur Einordnung der Wohnung in die Mietspiegelspannen eines – wie hier vorliegenden – qualifizierten Mietspiegels eine Orientierungshilfe als Schätzgrundlage zur Verfügung steht (vgl. BGH, Urt. v. 20.04.2005 – VIII ZR 110/04, in: NZM 2005, 498 = Grundeigentum 2005, 662; ibr-online), ist auch das Fehlen eines Balkons (Merkmalgruppe 3) nicht wohnwertmindernd zu berücksichtigen. Nach der Orientierungshilfe des Berliner Mietspiegels 2013 entfällt das (wohnwertmindernde) Merkmal des nicht vorhandenen Balkons, wenn ein solcher aus baulichen und/oder rechtlichen Gründen nicht möglich oder nicht zulässig ist. Diese Voraussetzungen sind hier als gegeben anzusehen.

Für eine etwaige Balkonanlage im Hofbereich folgt dies aus der Antwort des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg mit Schreiben vom 25. Juni 2014 auf die entsprechende Anfrage der Klägerin. Danach kann das Bezirksamt nach einer Ortsbegehung die Errichtung einer Balkonanlage aus denkmalrechtlicher Sicht “nicht in Aussicht stellen.” Die Mitteilung bezieht sich zwar – wie auch die Klägerin nunmehr einräumt – nur auf die Hoffassaden. Sie steht einer Anbringung von Balkonen jedenfalls auf der Hofseite in jedem Fall rechtlich entgegen.

Hinsichtlich der von den Beklagten geltend gemachten Balkonanlage im Bereich des Lichthofes folgt der Ausschluss des wohnwertmindernden Merkmals aus den konkreten baulichen Gegebenheiten nach dem zur Akte gereichten Grundriss sowie den Lichtbildern und aus einer Zusammenschau der Beschreibung des Merkmals in der Orientierungshilfe mit den Regelungen der §§ 555b ff., 536 BGB.

Nach den Maßstäben des für das Wohnraummietrecht zuständigen VIII. Zivilsenates des Bundesgerichtshofs dürfen die Gerichte sich nicht (fälschlich) an die Orientierungshilfe für gebunden halten, sondern sie als Schätzgrundlage im Rahmen der Einordnung der Wohnung in die im Mietspiegel ausgewiesenen Mietpreisspannen heranzuziehen und das ihnen eingeräumte Ermessen auszuüben. Wie auch sonst im Rahmen des § 287 ZPO hat der Tatrichter dabei alle wesentlichen Gesichtspunkte, die Erfahrungssätze und Denkgesetze zu beachten; um die Überprüfung zu gewährleisten, hat er die tatsächlichen Grundlagen der Schätzung und ihrer Auswertung darlegen (vgl. BGH, a.a.O., m. w. N.).

Der Anbau eines Balkons im Lichthof wäre aufgrund der hier gegebenen konkreten baulichen Situation nicht als wohnwerterhöhend im Sinne des § 555b BGB anzusehen, sondern könnte vielmehr zu einer Mietminderung nach § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB führen. Es wäre widersprüchlich und würde sich als Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze, damit als ermessensfehlerhaft darstellen, wenn die Kammer einerseits Duldungspflichten nach § 555b ff. BGB wegen einer im Einzelfall fehlenden nachhaltigen Erhöhung des Gebrauchswertes der Mietsache durch das Anbringen eines Balkons verneint (vgl. LG Berlin Urt. v. 19. Dezember 2013 – 67 S 322/13, bislang unveröff.) oder nach einer entsprechenden baulichen Maßnahme einen Mangel der Mietsache aufgrund der konkreten baulichen Gegebenheiten annimmt (vgl. etwa Hinweisbeschl. der Kammer v. 13. Juli 2015 – 65 S 121/15, bislang unveröff.), im Rahmen der Anwendung der Orientierungshilfe zum Berliner Mietspiegel 2013 dessen ungeachtet aber – zu Lasten des Vermieters, der von dem für den Mieter außerordentlich kostenintensiven, im Einzelfall tatsächlich nicht wohnwertverbessernden Anbringen eines Balkons bzw. einer Auseinandersetzung darüber absieht – von einer baulich und/oder rechtlichen Zulässigkeit einer Balkonerrichtung ausgehen würde.

In der hier gegebenen baulichen Situation wären wegen der geringen Ausmaße des Lichthofes von 11 x 7 m sowie der auf den Lichtbildern ersichtlichen sehr kurzen Abstände der dicht nebeneinander bzw. schräg gegenüber liegenden Fenster zum Lichthof mit dem Anbau einer Balkonanlage erhebliche Nachteile verbunden, wie eine weitere Verschattung des ohnehin dunklen Lichthofes und der in diese Richtung gelegenen Räume sowie die wegen der kurzen Entfernungen zu erwartende starke Einsehbarkeit der jeweils anderen Balkone und Wohnungen (vgl. Hinweisbeschl. der Kammer, a.a.O.).”