Aus der Rubrik “Wissenswertes”:    

Ist ein Baumhaus eine bauliche Anlage, deren Errichtung in einer Kleingartenkolonie durch den Verpächter erlaubt werden muss, wenn sich aus dem Unterpachtvertrag nicht etwas anderes ergibt?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 25 S 4/15, Urteil vom 15.09.2015) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das LG Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. bis 4. wie folgt aus: “Dem Kläger steht entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ein Beseitigungsanspruch gegen die Beklagten aus § 6 Nr. 2, Nr. 14 des streitgegenständlichen Unterpachtvertrages Nr. 1.751 (Bl. 4 ff. d. A.) i. V. m. §§ 541, 581 Abs. 2 BGB zu.

1. Nach § 6 Nr. 14 des Unterpachtvertrages sind unzulässige bauliche Anlagen von dem Unterpächter zu beseitigen. Das streitgegenständliche Baumhaus ist eine bauliche Anlage im Sinne der Erläuterungen der Fußnoten zur Anlage 1 des Unterpachtvertrages (Bl. 5 d. A.) nach der bauliche Anlagen nicht nur als “mit dem Erdboden verbundene, aus Baustoffen und Bauteilen hergestellte Anlagen” definiert werden, sondern auch dann vorliegen, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Boden ruht oder auf ortsfeste Bahnen begrenzt beweglich ist oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden. Letzteres ist bei B1. wegen deren ortsfester Verwendung in einem Baum typischerweise der Fall. Welche baulichen Anlagen im Einzelnen zulässig sind, regelt nach Nr. 1 der Anlage 1 zum Unterpachtvertrag ausschließlich und ausdrücklich § 6 des Unterpachtvertrages. Die Zulässigkeit von baulichen Anlagen steht somit unter einem Erlaubnisvorbehalt, bei dem die Beklagten und nicht der Kläger für das Vorliegen der Erlaubnis darlegungs- und beweispflichtig sind. Nach § 6 Nr. 5 des Unterpachtvertrages dürfen neben der zulässigen Laube “ein Gewächshaus mit einer Grundfläche von 7 qm und einer Höhe bis zu 2,20 errichtet sowie ein Kinderspielhaus als Spielgerät bis zu einer Größe von 2 qm Grundfläche und mit einer Höhe bis zu 1,25 qm aufgestellt werden”. Hiervon ist das streitgegenständliche Baumhaus nach der gemäß §§ 133, 157 BGB gebotenen Auslegung des Unterpachtvertrages weder in seinen Ausmaßen noch in seiner Existenz als solchen umfasst. Ein Baumhaus ist schon qualitativ und unabhängig von seinen Ausmaßen kein Spielgerät in Form eines Kinderspielhauses. Letztes ist gerade in seiner Eigenschaft als Spielgerät maßgeblich davon geprägt, dass es für Kinder, insbesondere auch Kleinkinder unmittelbar, das heißt aufgrund leichterer Erreichbarkeit in erster Linie ebenerdig und nicht erst durch eine (Strick-)Leiter zugänglich ist. Auch aus dem Wortlaut der Regelung lässt sich entnehmen, dass nur solche (Kinderspiel-)Häuser nach dem Vertrag erlaubt sind, die über eine “Grundfläche” von maximal 2 qm verfügen. Die Grundfläche eines Gebäudes ist jene Fläche, mit der ein Gebäude den Boden berührt. Ohne Bodenberührung würde die Begrenzung auf 2 qm Grundfläche in § 6 Nr. 5 des Unterpachtvertrages sinnentleert, zumal die Regelung nicht von “überbauter Fläche”, sondern gerade von “Grundfläche” spricht. Anders als bei dem ebenfalls zulässigen Gewächshaus greift die Wortwahl in § 6 Nr. 5 des Unterpachtvertrages bei der Erlaubnis des Kinderspielhauses die Formulierung auf, dass das Kinderspielhaus nur mit bestimmten Ausmaßen “aufgestellt” werden darf. Das “Aufstellen” eines Gebäudes setzt jedoch schon sprachlich voraus, dass dieses auf einem Grund errichtet wird, während ein Baumhaus gerade nicht aufgrund seiner eigenen Schwere zum Stand findet, sondern der “Errichtung” mittels Verankerung in dem Baum bedarf. Auch die systematische Einordnung der Regelung in § 6 Nr. 5 des Unterpachtvertrages ergibt keine andere Auslegung. Denn die sonstigen Erlaubnisvorbehalte des § 6 des Unterpachtvertrages lassen ebenfalls erkennen, dass für die Zulässigkeit weiterer baulicher Anlagen insbesondere die Grundfläche der Anlagen Beschränkungen unterliegen soll, So stellt etwa § 6 Nr. 3.1. und 6 auf die Grundfläche der Laube, § 6 Nr. 5 auf die Grundfläche eines Gewächshauses und § 6 Nr. 7 auf die Fläche eines Wasserbeckens und den Durchmesser eines Beckens ab.

Schließlich gingen auch die Beklagten selbst nach eigener Darstellung ihrer mit Schriftsatz vom 01.09.2015 beigebrachten Erklärung vom 31.08.2015 nicht davon aus, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Baumhaus um ein im Unterpachtvertrag genanntes Kinderspielhaus handelt (“Wir sind damals davon ausgegangen, dass es sich nicht um ein im Pachtvertrag genanntes “Spielhaus” handelt. Darunter stellten wir uns die Fertigprodukte aus dem Baumarkt vor, wie sie in einigen Kleingärten auf dem Rasen stehen.”).

2. Die Erlaubnis zur Errichtung des Baumhauses wurde im Verhältnis der Parteien untereinander auch nicht durch eine Änderung der Maßbegrenzung für Kinderspieleinrichtungen in der Verwaltungsvorschrift über Dauerkleingärten und Kleingärten auf landeseigenen Grundstücken in der Fassung vom 15.12.2009 erteilt. Wie der Kläger zu Recht ausführt, kann diese öffentlich-rechtliche Norm im privatrechtlichen Vertragsverhältnis inter partes keine Wirkung entfalten; zumal die Parteien in dem streitgegenständlichen Unterpachtvertrag weder durch eine dynamische noch durch eine statische Verweisung auf die genannte Verwaltungsvorschrift Bezug genommen haben, sondern in § 6 des Unterpachtvertrages eine eigenständige Regelung zur Zulässigkeit von baulichen Anlagen getroffen haben.

Entsprechendes gilt für die Vorgabe in III. Ziffer 16 der genannten Verwaltungsvorschrift, nach der Bestandsverträge wie der streitgegenständliche an die neuen Vorgaben der Verwaltungsvorschrift anzupassen sind.

3. Die Klägerin hat den Beklagten die Erlaubnis zur Duldung des Baumhauses auch nicht konkludent oder durch mündliche Abrede erteilt. Soweit die Beklagten auch noch einmal in der mündlichen Verhandlung vortrugen, dass der Vorsitzende der Klägerin noch im Jahr 2014 selbst eine Zeichnung anfertigte, wie mit dem streitgegenständlichen Baumhaus verfahren werden könnte, begründet auch dies keine Duldung durch den Kläger. Denn angesichts des zu diesem Zeitpunkt schon rechtshängigen Rechtsstreits vor dem Amtsgericht Schöneberg kann den diesbezüglichen Erklärungen des Vorsitzenden auch nicht konkludent der erforderliche Rechtsbindungswille beigemessen werden, dass nun entgegen der gerichtlichen Rechtsverfolgung durch den Kläger eine Duldung des Baumhauses erfolgen sollte.

4. Schließlich ist der Beseitigungsanspruch des Klägers entgegen der Ansicht des Amtsgerichts auch nicht verwirkt. Für die Annahme des Verwirkungstatbestandes gemäß § 242 BGB ist zum einen erforderlich, dass der Berechtigte das Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre (sog. Zeitmoment) und zum anderen, dass der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde (sog. Umstandsmoment). Es kann dahin gestellt bleiben, ob das Zeitmoment vorliegend erfüllt ist, nachdem der Kläger seinen Beseitigungsanspruch seit Errichtung des Baumhauses im Jahre 2009 jedenfalls bis zum Schreiben vom 09.07.2013 nicht verfolgt hatte. Denn jedenfalls fehlt es an dem Umstandsmoment. Dieses ist gegeben, wenn neben dem Zeitmoment besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, NJW 2003, 824; BGH, NJW-RR 2003, 727; BGH, WuM 2004, 198). Wegen des geschaffenen Vertrauenstatbestandes muss die spätere Geltendmachung des Rechts als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen (vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 95; Roth, in: MünchKomm, BGB, 6. Aufl., 3. § 242 Rn. 332, 356, 359). Der Verstoß gegen Treu und Glauben besteht nämlich in der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs, die darin zu sehen ist, dass eine Forderung verfolgt wird, obwohl der Vertragspartner bereits darauf vertrauen durfte, dass keine Forderungen mehr geltend gemacht werden, und er sich hierauf auch bereits eingerichtet hat (BGH, NJW-RR 2003, 727 Tz. 15; KG, GE 2012, 545; KG, Urteil vom 18.11.2013 – 8 U 71/13). Hier hat allenfalls der Örtliche Kleingartenverein, der Samoa e.V., durch seinen damaligen Vorsitzenden Herrn B., die Errichtung des streitgegenständlichen Baumhauses gestattet oder jedenfalls positiv davon Kenntnis gehabt, nachdem er insbesondere im Jahr 2010 die Beklagten bat, das Baumhaus in Festlichkeiten des Kleingartenvereins einzubinden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, aus welchem Grunde das Wissen des örtlichen Kleingartenvereins dem Kläger zugerechnet werden muss. Insbesondere ist auch keine Wissenszurechnung nach § 166 BGB analog anzunehmen, da sich der Kläger nicht des Kleingartenvereins zur Erledigung seine Aufgaben bediente. Auch das von den Beklagten angeführte Schreiben des Kleingartenvereins vom 04.06.2012 (Anlage B 2, Bl. 61 d. A.) erfolgte nicht im Namen des Klägers. Soweit die Beklagten behaupten, für den Kläger habe seit 2009 dessen Vorsitzender Herr B1. an den jährlichen Begehungen teilgenommen, beinhaltet dieser Vortrag schon nicht, dass anlässlich dieser Begehungen auch das streitgegenständliche Baumhaus zur Kenntnis des Herrn B1. gelangte. Allein aus dem Umstand, dass keine Baumhäuser als Resultat dieser Begehungen moniert wurden, kann gerade nicht geschlossen werden, dass der unterlassenen Monierung eine Kenntnisnahme des streitgegenständlichen Baumhauses durch den Herrn B1. vorausgegangen ist. Soweit sich die Beklagten die Erklärung des Herrn B. vom 27.01.2015 (Anlage B 4, Bl. 130 d. A.) zu Eigen machen, ist aus dieser schon nicht ersichtlich, dass die dort beschriebene Kenntnis der Vorstandsmitglieder des Klägers bereits seit dem Errichten des streitgegenständlichen Baumhauses besteht. Vielmehr nennt der Herr B. die Zeitangabe “Ende 2008/Anfang 2009” einzig im Zusammenhang mit seiner ausdrücklich subjektiven Würdigung des Sachverhaltes als Duldung, Selbst bei Annahme der positiven Kenntnis des streitgegenständlichen Baumhauses durch den Kläger bliebe den Beklagten die Einwendung der Verwirkung jedoch gleichwohl versagt. Denn sie haben sich jedenfalls nicht auf die von ihnen behauptete Duldung des Klägers tatsächlich eingerichtet. Dies behaupten die Beklagten schon nicht. Vielmehr sind sie einzig der Ansicht, dass sie “gutgläubig” von der Zulässigkeit ihres Baumhauses ausgingen, ohne auch nur im Ansatz vorzutragen, inwieweit sie sich auf diese von ihnen angenommene Rechtslage eingerichtet hätten, indem sie etwa in den Ausbau oder in eine Renovierung des Baumhauses investiert, den Pachtvertrag nicht gekündigt oder ähnliche Dispositionen vorgenommen oder unterlassen hätten.”