Aus der Rubrik “Wissenswertes”:   

Bleiben ein Abmahnen und eine darauf folgende Kündigung wegen verspäteter Mietzahlungen weiter möglich, auch wenn der Vermieter zuvor jahrelang die Zahlung der Miete zur Mitte des Monats hingenommen hat?

Die Antwort des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg (AG Tempelhof-Kreuzberg – 9 C 79/15, Urteil vom 08.09.2015) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das AG Tempelhof-Kreuzberg in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: “Der Klägerin steht ein Räumungsanspruch gegen die Beklagten gemäß § 546 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Mietvertrag zu.

Die fristlose Kündigung vom 09.03.2015 hat das Mietverhältnis beendet.

Die Kündigung ist wirksam gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 3 BGB, da der Klägerin die Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen der ständigen verspäteten Zahlungen der Beklagten und nach Ausspruch einer Abmahnung unzumutbar gewesen ist.

Die Miete war nach dem Mietvertrag jeweils im Voraus bis zum 3. Werktage eines Monats zu zahlen.

Eine ausdrückliche Vereinbarung mit der Vermieterseite auf Änderung der Fälligkeit zur Mitte eines Monats wird von den Beklagten nicht mehr behauptet, zumindest nicht konkret vorgetragen.

Eine konkludente Vertragsänderung allein durch Hinnahme von verspäteten Zahlungen, wobei der Vortrag der Beklagten, dass sie diese Zahlungen zum 16. bis 18. eines Monats seit Mietvertragsbeginn so vornehmen, unterstellt wird, kann nicht angenommen werden.

Schweigen ist in der Regel keine Willenserklärung, sondern das Gegenteil einer Erklärung. Wer schweigt, setzt keinen Erklärungstatbestand, er bringt weder Zustimmung noch Ablehnung zum Ausdruck (Palandt/Ellenberger, BGB Kommentar, 74.Auflage, Rn. 7 vor § 116).

Besondere Umstände, wonach die Beklagten nach objektiven Empfängerhorizont davon ausgehen durften, dass die Zahlung des Mietzinses auch zu einem späteren als dem ursprünglich im Mietvertrag vereinbarten Zeitpunkt erfolgen konnten, liegen hier nicht vor. Nur ausnahmsweise kann in einem Schweigen eine Erklärung, insbesondere ein Einverständnis oder eine Duldung, gesehen werden.

Eine Billigung des vertragswidrigen Zahlungsverhaltens kann aus der Duldung allein nicht hergeleitet werden, auch liegt darin keine stillschweigende Vertragsänderung (Schmidt/Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Auflage, Rn. 172 zu § 543 BGB).

Hierzu sind über das Schweigen, auch über einen längeren Zeitraum hinweg, weitere Umstände erforderlich. Diese wurden nicht vorgetragen. Insbesondere ist ein der Entscheidung des Landgerichts Berlin, Urteil vom 08.01.2014 – 65 S 213/13 – (GE 14, 324) vergleichbarer Sachverhalt, bei dem der Vermieter zunächst eine Abmahnung ausgesprochen hatte, hiervon aber Abstand genommen und die Zahlungsweise nachfolgend bewusst hingenommen hatte, nicht vor. Nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont macht es einen Unterschied, ob der Vermieter bzw. die zuständige Hausverwaltung zu anhaltenden verspäteten Mietzinszahlungen eines Mieters durchgängig schweigt oder sich hiergegen zunächst mit Abmahnungen aktiv zur Wehr setzt, hiervon dann jedoch ersichtlich Abstand nimmt und diese sodann über mehrere Jahre hinweg konsequent hinnimmt. (LG Berlin a.a.O.).

Da vorliegend allein eine jahrelange Hinnahme vorliegt, kann in dem Verhalten bis zur ersten Abmahnung am August 2013 keine Veränderung der Fälligkeitsvereinbarung gesehen werden.

Abmahnungen erfolgten dann zunächst, noch durch die Vorvermieter, mit den Schreiben vom 14.08.2013 und 22.04.2014.

Entgegen der Ansicht der Beklagten stellte das Schreiben vom 14.08.2013 durchaus in einem gesonderten Absatz eine Erinnerung an die monatliche Mietzahlung bis zum dritten des laufenden Monats dar. Aus welchem Grund diese Mahnung als Formularschreiben unbeachtlich sein sollte, ist nicht zu erkennen; zumindest hätten die Beklagten daraufhin Anlass gehabt, mit der Hausverwaltung wegen des Mietzahlungszeitpunkts Rücksprache zu halten.

Auch das Schreiben vom 22.04.2014, das einen Mietrückstand per 14.04.2014 unter Einschluss der Aprilmiete aufweist, zeigt eindeutig, dass mit der Miete nicht erst ab dem 16. eines Monats gerechnet wird.

Letztendlich hätten die Beklagten jedoch nach Erhalt des Abmahnschreibens vom 22.01.2015, in dem die pünktliche Mietzahlung konkret angemahnt und Konsequenzen angedroht wurden, ihr Zahlungsverhalten ändern müssen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass dieses Abmahnschreiben den Beklagten durch Einwurf in ihren Briefkasten zugegangen ist. Die Zeugen G. gab nachvollziehbar und mit vielen Einzelheiten an, wie und warum es zu der Abfassung des Schreibens kam, wie sie dieses gefertigt und nach Erhalt der Unterschrift des Geschäftsführers anschließend in den Briefkasten eingeworfen hat. Die Zeugin hatte eine konkrete Erinnerung an das Geschehen, konnte ihre Aussage nachvollziehbar begründen und wirkte durchaus glaubwürdig. Das Gericht hat keinen Anlass, trotz des Beschäftigungsverhältnisses der Zeugin bei der Klägerin, an deren Angaben zu zweifeln.

Mit dem Einwurf des Schreibens in den Briefkasten ist das Schreiben den Beklagten gemäß § 130 BGB zugegangen.

Selbst wenn, wie die Zeugin angibt, die Beklagten ihr gegenüber angegeben haben, das Abmahnschreiben nicht erhalten zu haben und vortragen, es sei möglich, dass die Kinder dieses aus dem Briefkasten genommen hätten, würde dies an dem Zugang des Schreibens nichts ändern. Nachdem das Schreiben durch Einwurf in den Briefkasten in den Herrschaftsbereich der Beklagten gelangt war, sind weitere Umstände, insbesondere, ob den Beklagten das Schreiben zur Kenntnis gelangt ist, unbeachtlich, da die Beklagten für die Kenntniserlangung in ihrem Herrschaftsbereich allein verantwortlich sind.

Die Vertragsverletzungen durch das wiederholte verspätete Zahlen der Miete führten dazu, dass das Vertrauen der Klägerin in die ordnungsgemäße Fortsetzung des Mietverhältnisses erschüttert und das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört ist.

Trotz Abmahnung wurde in den folgenden zwei Monaten – Februar und März 2015 – die Miete wiederum nicht bis zum dritten Werktag des Monats gezahlt. Die Klägerin konnte danach nicht davon ausgehen, dass mit einem vertragsgemäßen Verhalten der Beklagten noch zu rechnen war.

Bereits eine einmalige Zahlungsunpünktlichkeit nach Abmahnung kann als Grund für eine fristlose Kündigung ausreichen (BGH NJW 2006,1585 m.w.N.).”