Aus der Rubrik “Wissenswertes”:   

Folgt aus dem Mietverhältnis eine Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter Hilfestellung bei der Bewältigung persönlicher, insbesondere (auch) finanzieller Notlagen zu leisten?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 442/15, Beschluss vom 22.01.2016) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das LG Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: “Frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht den Beklagten zur Räumung der von ihm inne gehaltenen Wohnung verurteilt. Die Kündigung der Klägerin vom 6. Januar 2015 hat das Mietverhältnis der Parteien fristlos beendet, § 543 Abs. 2 Nr. 3a BGB; der Beklagte ist daher zur Herausgabe der Wohnung verpflichtet, § 546 Abs. 1 BGB.

Der Mietrückstand ist unstreitig; der Beklagte hat den Mietrückstand nicht vollständig innerhalb der am 20. April 2015 ablaufenden Schonfrist ausgeglichen. Dies aber ist nach dem klaren Wortlaut des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB Voraussetzung für das Eintreten der in der Vorschrift vorgesehenen Rechtsfolge. Ohne Erfolg verweist der Beklagte auf das Guthaben, das die Nebenkostenabrechnung vom 7. Dezember 2015 für das Abrechnungsjahr 2014 zu seinen Gunsten ergab. Die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs kann nicht eintreten, bevor die Abrechnung überhaupt geschuldet und erstellt war; im Zeitpunkt der Abrechnung war die Schonfrist indes längst abgelaufen.

Wenngleich sich der Beklagte – wie das Amtsgericht nicht verkennt, sondern sorgfältig in Betracht zieht – seit Sommer 2014 in einer besonderen persönlichen Belastungssituation befand, so vermag dies nicht die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB herbeizuführen (vgl. BGH Urt. v. 04.02.2015 – VIII ZR 175/14, ibr-online). Auf die zutreffenden, ausgewogenen Feststellungen nimmt die Kammer nach eigener rechtlicher Prüfung Bezug.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist auch ein Sachverhalt, der dem vergleichbar wäre, der dem Bundesgerichtshof in der vom Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung vorlag, hier nicht gegeben (vgl. BGH Beschl. v. 17.02.2015 – VIII ZR 236/14, ibr-online). Angesichts des klaren Wortlautes der Regelung in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB können nur außergewöhnliche Umstände über den in § 242 BGB verankerten Gesichtspunkt von Treu und Glauben die Annahme einer Ausnahme rechtfertigen. Hier handelte es sich – anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall – schon nicht um einen geringen Mietrückstand aus einem lange zurückliegenden Zeitraum, sondern um den Rückstand aus seit Sommer 2014 vollständig unterbliebenen Zahlungen des Beklagten an die Klägerin, die der Beklagte – was das Amtsgericht aber auch berücksichtigt – abzubauen versucht hat. Hinzu kommt, dass der Sachverhalt in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall sich insoweit ganz entscheidend von dem hier gegebenen unterschied, als der Mieter sich dort in einem vom Jobcenter verursachten, für ihn nicht erkennbaren Irrtum über die Vornahme der Zahlungen an den Vermieter befand: aufgrund eines Bescheides des JobCenters und vereinbarter Direktzahlungen an den Vermieter musste er davon ausgehen, dass die Zahlungen – wie im Bescheid angekündigt – geleistet werden. Für das Ausbleiben der Zahlungen hatte er keinen Anhaltspunkt. Hier hat der Beklagte auf der Grundlage einer eigenen Entscheidung bewusst von der Erfüllung seiner Hauptleistungspflicht aus dem Mietvertrag – der Zahlung der vereinbarten Miete an die Klägerin – über einen längeren Zeitraum abgesehen. Aus dem Mietverhältnis folgt jedoch keine Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter – zudem ungefragt und ohne Mitteilung – Hilfestellung bei der Bewältigung persönlicher, insbesondere (auch) finanzieller Notlagen zu leisten, die der Beklagte nunmehr in der Berufung ergänzend geltend macht. Diese Aufgabe liegt beim (Sozial-)Staat, deren Stellen in Anspruch zu nehmen, dem Mieter gegebenenfalls obliegt. Über die Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wird – wegen der im allgemeinen Interesse liegenden Vermeidung von Obdachlosigkeit (vgl. BT.Ds. 14/4553, S. 64) – im Rahmen und in den Grenzen der Vorschrift der Vermieter von Wohnraum an dem Risiko von Zahlungsschwierigkeiten des Mieters beteiligt. Die hier gegebene persönliche und wirtschaftliche Situation des Beklagten ändert – so schwer wiegend und bedrückend sie sich für ihn auch darstellt – nichts daran, dass sie im Rahmen der Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung nach geltendem Recht keine Berücksichtigung finden kann. Hinzu kommt, dass der Beklagte sich nach seinem eigenen Vortrag immer wieder nur zeitweise in Erfurt aufhielt, er daher tatsächlich nicht gehindert war, seine Zahlungspflichten zu erfüllen bzw. sich um Hilfen zu bemühen.”