Können die Vertragserklärungen der Mietvertragsparteien in einen beiderseitigen befristeten Ausschluss des Rechts der ordentlichen Kündigung umgedeutet werden, wenn eine Befristung eines Wohnraummietvertrags nach § 575 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen unzureichender Darlegung des Eigenbedarfs unwirksam ist und der Mieter bei Vertragsschluss sein Interesse am längerfristigen Bestand des Mietverhältnisses zum Ausdruck gebracht hat?
Die Antwort des Landgerichts Fulda (LG Fulda – 1 S 106/15, Urteil vom 20.11.2015) lautet: Ja!
Zur Begründung führt das LG Fulda in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: “Zu Recht ist das Amtsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kündigung der Kläger vom 25.08.2014 das mit dem Beklagten bestehende Mietverhältnis nicht beendet hat. Dies gilt, auch wenn man mit den Klägern davon ausgeht, dass grundsätzlich die Voraussetzungen für eine erleichterte ordentliche Kündigung des Mieters gem. § 573 a Abs. 1 BGB vorliegen würden, da es sich um ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen handelt. Diese zwischen den Parteien streitige tatsächliche Frage bedarf keiner Klärung und ist nicht entscheidungserheblich.
Dem Ausspruch einer ordentlichen Kündigung steht zwar nicht eine wirksam vereinbarte Befristung des Mietverhältnisses entgegen. Die in § 3 des Mietvertrages vorgesehene Befristung auf 5 Jahre ist nämlich unwirksam. Der sogenannte einfache Zeitmietvertrag ist mit den Neuregelungen des Mietrechts entfallen. Nach neuer Rechtslage können nur qualifizierte Zeitmietverträge geschlossen werden. Ein Zeitmietvertrag ist gem. § 575 Abs.1 S. 1 Nr. 1 BGB zulässig, wenn der Vermieter nach Ablauf der Mietzeit die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts nutzen will. Zwar kommt vorliegend in § 3 des Mietvertrages ein Eigenbedarfswunsch der Kläger zum Ausdruck, dieser ist aber nicht ausreichend konkret formuliert worden. Der Vermieter muss für eine wirksame Befristung einen konkreten Lebenssachverhalt darlegen, der eine Unterscheidung von anderen Interessen und dem Mieter die Prüfung ermöglicht, ob eine Befristung gerechtfertigt ist (Palandt-Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 575, Rdnr. 9, m. w. N.; BGH in NJW 2007, 2177 [BGH 18.04.2007 – VIII ZR 182/06]). Diesem Erfordernis genügt die alleinige Angabe anschließenden Eigenbedarfs nicht, da nicht konkretisiert ist, für wen Eigenbedarf geltend gemacht werden soll. Von daher handelt es sich nicht um einen wirksamen Zeitmietvertrag, der die Zulässigkeit einer ordentlichen Kündigung ausschließen würde.
Gleichwohl hat die von den Klägern erklärte Kündigung das Mietverhältnis nicht zu beenden vermocht.
Durch die Unwirksamkeit der vereinbarten Befristung des Mietvertrages ist nämlich eine ausfüllungsbedürftige Lücke im Vertrag entstanden. Diese Lücke ist in derartigen Fällen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) unter Berücksichtigung dessen zu schließen, was die Parteien redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der vereinbarten Vertragsbestimmung bekannt gewesen wäre (BGH in NJW-RR 2014, 397 [BGH 11.12.2013 – VIII ZR 235/12] f und NJW 2013, 2820 [BGH 10.07.2013 – VIII ZR 388/12] f).
Dies bedeutet für den Streitfall:
Schon aus der Aufnahme der zeitlichen Befristung von 5 Jahren in den Mietvertrag wird der bei Vertragsschluss beiderseits bestehende Wille der Vertragsschließenden deutlich, dass das Mietverhältnis jedenfalls für diese Zeit Bestand haben sollte. Diesem Parteiwillen wird die an sich infolge der Unzulässigkeit der Befristung eintretende gesetzliche Rechtsfolge des § 575 Abs. 1 S. 2 BGB nicht gerecht; denn die Parteien wollten ersichtlich, dass das Mietverhältnis nicht vor Ablauf der Befristung durch Kündigung nach § 573 BGB beendet werden kann. Hätten die Parteien die Unwirksamkeit der von ihnen gewollten Befristung erkannt, hätten sie die dadurch entstandene Vertragslücke daher redlicherweise dahin geschlossen, dass an die Stelle der unwirksamen Befristung ein beiderseitiger Kündigungsverzicht in der Weise tritt, dass eine Kündigung frühestens zum Ablauf der vereinbarten Mietzeit möglich ist. Auf diese Weise wird das von beiden Vertragsparteien erstrebte Ziel einer Bindung für die im Vertrag bestimmte Zeit erreicht.
Soweit die Kläger die Auffassung vertreten, dass eine solche ergänzende Vertragsauslegung (oder Umdeutung) dann nicht statthaft sei, wenn die Parteien aufgrund konkreter Interessen des Vermieters einen Zeitvertrag nach § 575 Abs.1 S. 1 BGB schließen wollten und dies nicht gelungen ist (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl., § 575 BGB, Rdnr. 29), kann dem jedenfalls nicht für den Streitfall gefolgt werden. Es ist nämlich nicht davon auszugehen, dass die Befristungsabrede allein im Interesse der Kläger wegen anschließenden Eigenbedarfs erfolgt wäre. Die Anhörung beider Parteien im Kammertermin hat nämlich ergeben, dass seinerzeit ein beiderseitiges Interesse an einer längerfristigen Bindung vorgelegen hat. Der Beklagte hat ausgeführt, dass er sogar an einem auf 6 Jahre befristeten Mietvertrag interessiert gewesen sei und dass man sich dann auf einen Vertrag auf 5 Jahre geeinigt habe. Diese Angaben hat die Klägerin ausdrücklich als richtig bestätigt. Danach hat man sich auf einen auf 5 Jahre befristeten Mietvertrag geeinigt. Auf Klägerseite bestand das Interesse, danach einen möglichen Eigenbedarf für Enkel geltend machen zu können. Aber auch der Beklagte war an einer langfristigen Bindung interessiert. Die beabsichtigte Befristung auf 5 Jahre geschah daher nicht allein aufgrund konkreter Interessen der Kläger. Nach den Bekundungen beider Parteien im Rahmen der Parteianhörung kommt vielmehr in der vereinbarten Vertragsbestimmung der seinerzeit beiderseits bestehende Wille der Vertragsschließenden zum Ausdruck, dass das Mietverhältnis jedenfalls für die Zeit der gewollten Befristung Bestand haben sollte. Bei dieser Sachlage ist es gerechtfertigt, die durch die Unwirksamkeit der von ihnen gewollten Befristung entstandene Vertragslücke dahin zu schließen, dass an die Stelle der unwirksamen Befristung ein beiderseitiger Kündigungsverzicht in der Weise tritt, dass eine Kündigung frühestens zum Ablauf der vereinbarten Mietzeit möglich ist.
Nach alledem ist das Mietverhältnis durch die ausgesprochene Kündigung nicht wirksam beendet worden, ohne dass es noch eines Eingehens darauf bedarf, ob das Berufen der Kläger auf die Unwirksamkeit der Befristungsabrede den Geboten von Treu und Glauben (§ 242 BGB) widerspricht und rechtsmissbräuchlich ist (vgl. hierzu auch Urteil des LG Freiburg vom 21.03.2013, Az. 3 S 368/12).”