Aus der Rubrik “Wissenswertes”:                 

Steht dem Vermieter ein Schadensersatzanspruch zu, wenn der Mieter einer Wohnung den Schlüssel zur Wohnung verliert und daraufhin die Schließanlage ausgetauscht werden muss?

Die Antwort des Amtsgerichts Bielefeld (AG Bielefeld – 401 C 58/15, Urteil vom 07.10.2015) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das AG Bielefeld in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: “Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.333,87 Euro aus § 280 Abs. 1 BGB.

Die Beklagte hat ihre mietvertragliche Nebenpflicht zur Obhut über die ihr übergebenden Schlüssel (§ 241Abs. 2 BGB) verletzt. Zur Obhutspflicht des Mieters gehört es, die Schlüssel zur Mietsache sorgsam aufzubewahren und darauf zu achten, dass sie nicht in Verlust geraten (vgl. LG Hamburg in NJW-RR 1999, 663). Zwar ist der Beklagten grundsätzlich nicht schon allein deshalb ein Vorwurf zu machen, weil sie die Schlüssel in einer mit einem Reißverschluss verschlossenen Innentasche ihrer Handtasche aufbewahrt hat. Angesichts der Tatsache, dass sie sich auf einer Feier aufhielt, die sich über eine gesamte Wohnung und einen dazugehörigen Garten erstreckte und auf der sich bis zu 50 Gästen befanden, die ihr teilweise nicht persönlich bekannt waren, war die Beklagte gehalten, ihre Tasche durchgehend so zu beaufsichtigen, dass ihr die Schlüssel nicht gestohlen werden oder sonst abhandenkommen können. Tatsächlich sind die Schlüssel der Beklagten jedoch auf dieser privaten Feier abhandengekommen, ohne dass sie dies bemerkt hat.

Die Beklagte hat den Verlust der Schlüssel auch zu vertreten. Ihr Verschulden wird grundsätzlich gemäß §280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Vom Verschuldensvorwurf hat sich die Beklagte nicht entlastet. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung lediglich bekundet, dass sie die Handtasche mit den Schlüsseln auf der privaten Feier zwar zunächst in einem Schlafzimmer abgestellt habe. Später habe sie die Tasche samt Schlüsseln jedoch an sich genommen und stets beaufsichtigt. Dieser Vortrag der Beklagten ist nicht ausreichend, um sich zu exkulpieren.

Die Beklagte hat nicht konkret vortragen, bei welcher Gelegenheit ihr die Schlüssel abhandengekommen sind. Sie kann dies lediglich auf den Zeitraum der Feier am 02.08.2014 eingrenzen. Die Beklagte vermutet lediglich, dass ihr die Schlüssel, Portemonnaie und Handy durch einen Trickdieb entwendet worden seien. Selbst wenn man als zutreffend unterstellt, dass der Beklagten die Schlüssel aus der Innentasche ihrer Handtaschen gestohlen wurden, während sie diese bei sich trug und nicht bereits zu der Zeit, als die Tasche unbeaufsichtigt in dem Schlafzimmer stand, vermag sie dies nicht zu entlasten. Es ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, wie ein Dieb die Schlüssel aus einer mit einem Reißverschluss verschlossenen Innentasche stehlen und zudem das Handy nebst Kopfhörern, das Portemonnaie sowie die Puderdose aus der Handtasche selbst entwenden konnte, wenn die Beklagte ihre Tasche tatsächlich durchgehend bei sich getragen und hinreichend beaufsichtigt hat, wäre dies der Fall gewesen, hätte die Beklagte den Diebstahl bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bemerken müssen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass ein Dieb nicht sämtliche Gegenstände mit einem Griff aus der Tasche nehmen konnte und er zudem, um an die Schlüssel zu gelangen, in der Tasche zunächst den Reißverschluss der Innentasche öffnen musste.

Die Klägerin kann die Kosten für den Austausch der Schließanlage in Höhe von 1.333,87 Euro als Schadensersatz verlangen. Zwar stellt das rein abstrakte Gefährdungspotenzial regelmäßig keinen erstattungsfähigen Vermögensschaden dar. Ein ersatzfähiger Schaden entsteht jedoch dann, wenn sich der Geschädigte aus objektiver Sicht unter den konkret gegebenen. Einzelfallumständen zur Beseitigung einer fortbestehenden Missbrauchsgefahr veranlasst sehen darf, die Schließanlage zu ersetzen, und diesen Austausch auch tatsächlich vornimmt (BGH NJW 2014, 1653). In einem solchen Fall hat sich das Gefährdungspotenzial in einer Vermögenseinbuße realisiert. Die gebotene Einzelfallabwägung führt vorliegend dazu, dass die Klägerin die Schließanlage auswechseln durfte. Die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung der Schlüssel begründet sich damit, dass der Beklagten die Schlüssel zusammen mit ihrem Portemonnaie mit diversen persönlichen Dokumenten wie Führerschein, Krankenversicherungskarte, Bankkarte, etc. sowie ihrem Smartphone entwendet wurden. Es steht somit zu befürchten, dass sich der Wohnort der Beklagten mit den in den Dokumenten enthaltenen persönlichen Daten ermitteln lässt. Über diesen Umstand hat die Beklagte die Klägerin informiert, die sich daraufhin zum Austausch der Schösser entschieden hat und die notwendigen Arbeiten durchführen ließ.

Die hierfür angefallenen Kosten von 1.333,87 Euro sind unstreitig. Ein nach § 287 ZPO zu schätzender Abzug “neu für alt” ist nicht vorzunehmen. Hierbei handelt es sich um eine Art der Vorteilsausgleichung, wenn der Geschädigte durch den Schadensersatz besser gestellt würde als seine Lage vorher war, z.B. weil Alt Teile durch neuwertige Teile ersetzt werden (vgl. Oetker, in MüKo, 5. Aufl. 2007, § 249 Rn. 333). Dies trifft hier nicht zu. Die Schließanlage wurde vorliegend unstreitig erst 2009 eingebaut. Jedenfalls angesichts des geringen Alters der bisherigen funktionsfähigen Schließanlage einerseits und der langwierigen Dauer eines Verschleißes andererseits bedurfte es eines Abzugs vorliegend nicht.”