Archiv für den Monat: Juli 2016

AMV im Lichte der Presse:

Unterwegs in Spandau am 29.06.2016: Drohende Nutzungsuntersagung in der Wilhelmstadt – Sechs Wochen Zeit für Wohnungswechsel

Post von der Bau- und Wohnungsaufsicht Spandau: 
Die Mieterinnen und Mieter der Wohnungen in den Häusern Melanchthonstr. 61/62 und Weverstr. 36 in der Wilhelmstadt erhielten in der vorigen Woche Post von der Bau- und Wohnungsaufsicht Spandau. In den Bescheiden heißt es wie folgt:

„Ein Nachweis der Standsicherheit der Gebäude unter Berücksichtigung der Rissbildung und der unterschiedlichen Setzungen wurde durch ihre Hausverwaltung nicht vorgelegt. Aufgrund der massiven Schäden, die an den Gebäuden festzustellen sind, ist die Statik nicht gewährleistet und ein Versagen der Konstruktion nicht auszuschließen. Aufgrund von § 79 BauO Bln und der angeführten baurechtlichen Vorschriften wird die Nutzung sämtlicher Wohnungen in den Gebäuden Melanchthonstr. 61/62 und Weverstr. 36 nach 6 Wochen nach Zustellung der Anordnung untersagt.“

Der Kommentar des AMV

„Der AMV – Alternativer Mieter- und Verbraucherschutzbund e. V. hofft und erwartet, dass die gegebenen Zusagen eingehalten und den betroffenen Mieterinnen und Mietern schnell geholfen wird“, sagt RA Uwe Piper, 1. Vorsitzender des AMV. „Das Einzige was jetzt zählt, ist eine adäquate Ersatzwohnung; alles andere kann später geklärt werden“, so Piper. „Wenn die Mieter eine den Umständen nach angemessene neue Wohnung bezogen haben, können sie von ihrem derzeitigen Vermieter im Rahmen des Schadensersatzes nach § 536a Abs. 1 BGB die Kosten erstattet verlangen, die darauf beruhen, dass sie wegen einer nicht mehr vorhandenen Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch umziehen mussten“, meint Piper. „Wenn die Eichenpfähle, auf denen die Gebäude errichtet wurden, durch falsche bautechnische Ausführungen verrottet sind, war die Gefahrenquelle von Anfang an gegeben, so dass die Voraussetzungen der Garantiehaftung nach § 536a BGB vorlägen“, schließt Piper.

http://www.unterwegs-in-spandau.de/drohende-nutzungsuntersagung-in-der-wilhelmstadt

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:              


Ist eine mietvertragliche Vereinbarung, die einen einkommensabhängigen Anspruch des Mieters auf Absenkung der Miete begründet, wirksam?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 67 S 115/16, Beschluss vom 17.05.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das LG Berlin  in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 2. a) wie folgt aus: “2. a) Der tenorierte Rückforderungsanspruch ist infolge der mit Schreiben vom 31. März 2014 von der Klägerin begehrten Anpassung des Mietzinses unter Vorlage einer aktuellen Einkommensbescheinigung nach § 9Abs. 2 WoFG begründet.

Das Amtsgericht geht beanstandungsfrei davon aus, dass der Klägerin ein Anspruch auf Anpassung der Miete nach Maßgabe der veränderten Einkommensverhältnisse gemäß Ziffer 2 der Anlage 2 des Mietvertrags vom 5. Mai 2004 – in den die Beklagte gem. § 566 BGB eingetreten ist – zustand, die gemäß § 7 Ziff. 3 des Mietvertrags Vertragsbestandteil ist.

Die Beklagte ist während des gemäß Ziffer 2 der Anlage 2 des Mietvertrags – einkommensorientierte Zusatzförderung – geltenden 15-jährigen Grundförderungszeitraums i. V. m. dem mit der Rechtsvorgängerin geschlossenen Förderungsvertrag, bei dem es sich um einen Vertrag zugunsten des Mieters handelt (§ 7 Ziff. 5 Förderungsvertrag), an die einkommensorientierte Begrenzung der Nettokaltmiete gestaffelt nach dem Einkommen des Mieters vertraglich gebunden. Diese Bindung entfällt nicht durch die Beendigung des Förderungsvertrags mit der IBB, was sich bereits aus der ausdrücklichen Regelung in § 15 Abs. 6 des Fördervertrages ergibt.

Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht, wenn man die Anpassungsregelung in der Anlage zum Mietvertrag als auslegungsbedürftig betrachten wollte. Ginge man davon aus, dass die dortige Regelung der Vertragsanpassung nicht eindeutig oder lückenhaft wäre, so wäre sie wegen § 305c Abs. 2 BGB in dem dargelegten Sinne zulasten der Beklagten auszulegen, die als Verwenderin der insoweit vorliegenden allgemeinen Geschäftsbedingungen das Verständnisrisiko allein zu tragen hat (vgl. für den umgekehrten Fall der Erhöhung: Kammer, Beschl. v. 26. März 2015 – 67 S 77/15, ZMR 2015, 699).

Dem somit gegebenen Anpassungsanspruch steht nicht die Vorschrift des § 557 Abs. 4 BGB entgegen. Nach dieser Bestimmung ist lediglich eine von § 557 Abs. 1 – 3 BGB zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung über die Mieterhöhung unwirksam, während es sich vorliegend um einen gerade zum Schutz der Mieter vereinbarten Anspruch auf Anpassung des Mietzinses handelt. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, die Unwirksamkeit der Anpassungsklausel ergebe sich als Folge einer Anwendung der Bestimmung des § 557 Abs. 4 BGB auf die in der Anlage 2 Ziff. 2 ebenfalls enthaltene Regelung, die die formellen oder materiellen Voraussetzungen für eine Mieterhöhung durch Vereinbarung eines Rechtes des Vermieters zur einseitigen Erhöhung der Miete oder eines automatischen einkommensabhängigen Mietanstiegs abändern würde, geht sie fehl. Unabhängig davon, ob die vertraglichen Regelungen überhaupt im Sinne dieses Verständnisses ausgelegt werden können, hat die Unwirksamkeit einzelner Vereinbarungen auf die restlichen Regelungen des Mietvertrages keinen Einfluss. § 557 Abs. 4 BGB ist ein Schutzgesetz zugunsten des Mieters, dessen Sinn und Zweck es gebietet, nur nachteilige Vereinbarungen zu beseitigen, die sonstigen vertraglichen Bestimmungen aber entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen als wirksam anzusehen. Anderenfalls würde sich der Schutz des Mieters zu seinem Nachteil auswirken (vgl. Börstinghaus in: Schmidt/Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 557 Rz. 77). Es liegt unabhängig davon auch keine einheitliche Regelung in der Weise vor, dass die Anpassungsregelung ohne das Recht zur Mieterhöhung keinen Sinn behalten würde.

Vergeblich beruft sich die Klägerin schließlich auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Für eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Geschäftsgrundlagenstörung ist bereits deshalb kein Raum, da ansonsten der Zweck der gesetzlichen Nichtigkeitsregelung des § 557 BGB, die – wie erläutert – zu einer Unwirksamkeit gerade nur der von der Klägerin angenommenen automatischen Mieterhöhung führen würde, als spezielle und dem § 313 BGB vorrangige Regelung vereitelt werden würde. Denn die Nichtigkeit der getroffenen Abrede folgt gerade aus ihrem gem. § 557 Abs. 4 BGB verbotswidrigen Inhalt, unabhängig von ihrer Transparenz und den subjektiven Vorstellungen der Vertragsparteien (vgl. BGH, Urt. v. 25. März 1993 – IX ZR 192/92 NJW 1993, 1638 Tz. 21; Kammer a. a. O. Tz. 10). Zudem liegen aus den zutreffenden und von der Berufung unangegriffenen Erwägungen des Amtsgerichts, auf die die Kammer Bezug nimmt, die Voraussetzungen für die Annahme eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage wegen abweichender Vorstellungen der Parteien oder einer der Parteien nicht vor.”

Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:


Berliner Morgenpost am 28.06.2016: Spandauer Wohnanlage droht der Einsturz

Eine denkmalgeschützte Spandauer Wohnanlage ist offenbar einsturzgefährdet. 22 Mietparteien müssen das Haus verlassen.

In der Spandauer Wilhelmstadt wird den Mietern von 22 Wohnungen gerade buchstäblich der Boden unter den Füßen weggezogen. Die von ihnen bewohnten Flügel in der denkmalgeschützten 20er-Jahre-Wohnanlage an der Wever- und Melanchthonstraße sind möglicherweise nicht mehr standsicher. Die Eichenpfähle, auf denen sie ruhen, vermodern. Das Bauamt hat den Mietern Ende vergangener Woche mitgeteilt, dass sie binnen sechs Wochen ihre Wohnungen verlassen müssen. Andernfalls drohten Zwangsgelder.

http://www.morgenpost.de/bezirke/spandau/article207746147/Spandauer-Wohnanlage-droht-der-Einsturz.html

Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:


faz.net am 29.06.2016: Öl billiger als Gas
– 40 Prozent weniger Heizkosten

Im vorigen Winter war Öl billiger als Gas.

Viele Haushalte können in der Nebenkostenabrechnung für den vergangenen Winter mit niedrigeren Heizkosten rechnen. Dabei wird es allerdings erhebliche Unterschiede zwischen Haushalten mit Öl- oder Gasheizung geben. Das hat das Internetportal Verivox jetzt in einem Vergleich der Heizöl- und Erdgaspreise zwischen Oktober 2015 und Ende Mai 2016 herausgearbeitet. „Nach jahrelangen Nachzahlungsforderungen von Energieversorgern und Vermietern bei der Jahresabrechnung geht es nun in die andere Richtung“, schreibt Verivox.

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/geld-ausgeben/oel-billiger-als-gas-40-prozent-weniger-heizkosten-14311868.html

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:


Trifft einen Vermieter eine Mangelbeseitigungspflicht zur Schaffung oder Erhaltung der Möglichkeit des Mieters zu einer zeitgemäßem Wohnen entsprechenden Lebensweise in den von ihm angemieteten Räumen dergestalt, dass er während der Heizperiode zumindest in einem der Mieträume mit zumutbaren Mitteln Innentemperaturen herbeiführen kann, die ihm einen angenehmen Schlaf ermöglichen?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 67 S 357/15, Beschluss vom 31.05.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das LG Berlin  in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: “Der auch von der Kammer geteilte Grundsatz, wonach der Vermieter nicht zu fortlaufenden (baulichen) Veränderungen zwecks Modernisierung der Wohnung verpflichtet ist, betrifft allein die Veränderungspflicht aufgrund geänderter technischer Standards, nicht aber die den Vermieter treffende Mangelbeseitigungspflicht zur Schaffung oder Erhaltung der Möglichkeit des Mieters zu einer zeitgemäßem Wohnen entsprechenden Lebensweise in den von ihm angemieteten Räumen (vgl. BGH, a. a. O.; Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 536 Rz. 23). Diesem Mindeststandard wird eine – im Jahre 2009 – vermietete Wohnung unter Zugrundelegung der Auslegungsparameter der §§ 133,157 BGB indes nur gerecht, wenn von dem Mieter während der Heizperiode zumindest in einem der Mieträume mit zumutbaren Mitteln Innentemperaturen herbeigeführt werden können, die einen angenehmen Schlaf ermöglichen. Diese Auslegung der Kammer, deren Tatsachengrundlage die Anhörungsrüge – insoweit zutreffend – nicht beanstandet, hat die Beklagte als ihr ungünstig hinzunehmen, ohne dass dadurch ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt würde. Sie steht in Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, ohne dass es zusätzlich auf den von der Kammer lediglich ergänzend herangezogenen – und kammerbekannt weit fortgeschrittenen – allgemeinen Modernisierungstand der Plattenbausubstanz in Berlin ankäme (vgl. zum fortgeschrittenen Modernisierungsstand: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Stadtumbau Ost, http://www.s…berlin.de/s…html (abgerufen am 30. Mai 2016)).”