Hat ein Mieter eine Asbestsanierung seiner Wohnung bereits zu dulden, wenn die durchgeführten Proben noch keine Asbestbelastung im Liegestaub ergeben und in der Raumluftprobe auch noch keine polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) vorhanden sind?
Die Antwort des Amtsgerichts Schöneberg (AG Schöneberg – 106 C 282/15, Urteil vom 18.02.2016) lautet: Nein!
Zur Begründung führt das AG Schöneberg in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Duldung der Asbestsanierung, einschließlich des Umzugs in die angebotene Umsetzwohnung für den Sanierungszeitraum nach § 555a Abs. 1 BGB zu. Denn es handelt sich bei den von der Klägerin beantragten Maßnahmen um Instandsetzungsmaßnahmen, die zum Erhalt der Mietsache erforderlich sind, und die von den Beklagten zu dulden sind.
Bei der Einschätzung, ob die Maßnahmen zur Instandhaltung der Mietsache erforderlich sind, ist ein breiter Beurteilungsspielraum dahingehend zu beachten, der dem Eigentümer gemäß Art. 14 GG einzuräumen ist, wann und wie zumindest in naher Zukunft auftretenden Mängeln zu begegnen sind. Denn der Eigentümer schätzt ein, ob und in welchem Umfang Vorsorge- und Reparaturmaßnahmen notwendig und sinnvoll sind. Die Erforderlichkeit der Maßnahme erfordert dabei keine besondere Dringlichkeit; die bloße theoretische Möglichkeit eines zukünftigen Schadenseintritts reicht hingegen nicht aus (vgl. Schmidt/Futterer-Eisenschmid, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, zu § 555a BGB Rn. 14).
Nach diesem Ermessenspielraum der Klägerin ist diese berechtigt, die streitgegenständlichen Sanierungsmaßnahmen bereits jetzt auszuführen.
Denn mit der von der Klägerin geplanten Asbestsanierung stellt sie den vertragsgemäßen Zustand der Wohnung wieder her. Sie möchte Bauschadstoffe, die unstreitig im Fußbodenbelag der gesamten Wohnung (außer im Bad) und am Balkon vorhanden sind, endgültig beseitigen. Die Sanierung ist auch i. S. d. § 555aBGB erforderlich. Zwar haben die durchgeführten Proben noch keine Asbestbelastung im Liegestaub ergeben und in der Raumluftprobe war auch kein PAK vorhanden. Allerdings ist der Fußboden an mehreren Stellen unstreitig bereits jetzt beschädigt. Unabhängig davon, wie lange die Schadstellen möglicherweise schon vorhanden sind, bergen sie die konkrete Gefahr in sich, dass in naher Zukunft Asbestfasern ggf. auch unbemerkt austreten, etwa wenn durch Verschleißerscheinungen oder Unachtsamkeit sich die Schadstellen vergrößern. Sollte es zum Austritt von Asbestfasern kommen, ist die Gesundheitsgefährdung sehr hoch. Denn bereits eine einzelne Faser kann die Gesundheit schädigen und zu einer tödlichen Erkrankung führen (vgl. LG Berlin, Urteil vom 21.12.2012 – 65 S 200/12). Außerdem könnte die Klägerin als Vermieterin dann unter Umständen schadensersatzpflichtig werden (vgl. AG Charlottenburg, Urteil vom 10.03.2014 – 237 C 375/13).
Die geplante Maßnahme ist auch keine Modernisierungsmaßnahme i. S. d. § 555b BGB. Zwar beinhaltet die Asbestsanierung auch geringfügige gebrauchswertsteigernde Elemente, indem der PVC-Fußboden gegen Holzboden ausgewechselt wird. Der Schwerpunkt der Maßnahme liegt eindeutig auf der Beseitigung der Asbestplatten, bei der die Erneuerung des Fußbodens eine bloße Randerscheinung ist. Darüber hinaus sind die Beklagten auch nicht besonders schutzwürdig, so dass die §§ 555c, 555d BGB möglicherweise analog anzuwenden wären. Denn die Klägerin hat den Beklagten bereits schriftlich zugesichert, die Miete aufgrund des neuen Fußbodens nicht zu erhöhen. Außerdem erfolgt das Verlegen eines höherwertigeren Fußbodens auf dem ursprünglichen Wunsch der Beklagten.
Die Klägerin hat die Maßnahmen auch i. S. d. § 555a Abs. 2 BGB rechtzeitig angekündigt und sie über den zeitlichen Ablauf informiert, erstmals mit Schreiben vom 14.11.2013. Weiterreichendere, detailliertere Informationen zu den Sanierungsarbeiten hätte die Klägerin den Beklagten nicht geben müssen. Denn der Gesetzgeber hat hier bewusst darauf verzichtet, eine zu § 555c Abs. 1 BGB vergleichbare Regelung zu schaffen (vgl. AG Wedding, Urteil vom 10. Oktober 2007 – 18 C 267/07). Und mit den gelieferten Informationen (Informationsbroschüren, Zeitplan und Ablauf der Sanierung, detaillierte Materialauskünfte etc.) hat die Klägerin bereits das von § 555a Abs. 2 BGB geforderte überboten
Dem Anspruch der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass diese in anderen Wohnungen Sanierungsarbeiten ggf. mangelhaft hat ausführen lassen. Dieses betrifft nicht die streitgegenständlichen Arbeiten und die Beklagten sind für den Fall, dass ggf. die Sanierungsarbeiten in der von ihnen innegehaltenen Wohnung nicht ordnungsgemäß ausgeführt werden sollten, auf ihre dann bestehenden Gewährleistungsrechte zu verwiesen.
Den Beklagten ist es auch zumutbar, für den Zeitraum der Sanierung in die angebotene Ersatzwohnung umzuziehen, wenn der Umzug von der Klägerin organisiert und finanziert wird. Denn ohne einen zeitweisen Umzug könnten die umfangreichen Sanierungsarbeiten nicht durchgeführt werden. Außerdem widerspricht es nicht §§ 242 oder 226 BGB, dass den Beklagten eine Wohnung in die B. Straße, B. als Ersatzwohnung angeboten wurde. Die Ersatzwohnung liegt in relativer Nähe zu der von ihnen innegehaltenen Wohnung. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ersatzwohnung ggf. in einem schlechteren Wohnumfeld belegen ist und/oder stärker mit Verkehrslärm belastet ist. Denn für den Zeitraum der Sanierung, der nur etwa zwei Wochen umfasst, kann den Beklagten auch eine etwas schlechtere Wohngegend durchaus zugemutet werden. Und für eine ggf. eintretende Wohnwertminderung sind die Beklagten ggf. auf ihnen zustehende Gewährleistungsrechte zu verwiesen. Außerdem hatten die Beklagten ausreichend Zeit, sich selbst um nach ihren Vorstellungen geeigneten Ersatzwohnraum zu bemühen. Diese haben sie ungenutzt verstreichen lassen.”