Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Geht der Rückzahlungsanspruch für eine vom Mieter vor Insolvenzeröffnung geleistete Kaution mit Wirksamwerden der Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO auf den Mieter über und verbleibt damit nicht bei der Insolvenzmasse?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 19 T 27/16, Beschluss vom 21.04.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das LG Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter wie folgt aus: “Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, da das Insolvenzgericht zu Recht den Vorbehalt der Nachtragsverteilung hinsichtlich der Mietkaution für das bestehende Mietverhältnis in der ##4 A, ## Berlin abgelehnt hat.

Der Beschwerdeführer ist Insolvenzverwalter bezüglich des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn ## (künftig: Schuldner).

Der Schuldner ist Mieter einer Wohnung in der ## Straße 4 A in ## Berlin; das Mietverhältnis bestand bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und ist aktuell ungekündigt.

Unter dem 26.08.2014 gab der Beschwerdeführer gegenüber dem Vermieter des Schuldners die Erklärung gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO ab.

Diese Enthaftungserklärung erlangte gem. § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO mit Ablauf des Monats November 2014 ihre Wirksamkeit.

Der Schuldner hatte im Rahmen seines Mietverhältnisses eine Mietsicherheit in Höhe von 499,50 Euro als Kaution geleistet.

In seinem Schlussbericht vom 12. Mai 2015 beantragte der Beschwerdeführer hinsichtlich dieser Mietkaution, den Vorbehalt der Nachtragsverteilung auszusprechen.

Nach Ansicht des Beschwerdeführers ist diese Mietkaution nicht von seiner Enthaftungserklärung gegenüber dem Vermieter umfasst, da ein etwaiger Rückzahlungsanspruch des Schuldners zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Enthaftungserklärung zwar noch nicht fällig, aber bereits aufschiebend bedingt entstanden war.

Solcherlei bereits vor Verfahrenseröffnung wirksam entstandene Ansprüche fielen sodann in die Insolvenzmasse, können jedoch erst nach Beendigung des Mietverhältnisses geltend gemacht werden, weshalb insoweit die Nachtragsverteilung vorzubehalten sei.

Das Insolvenzgericht hat mit Beschluss vom 05. Januar 2016 nach Abhalten des Schlusstermins das Insolvenzverfahren aufgehoben und in diesem Beschluss den Antrag des Beschwerdeführers auf Vorbehalt der Nachtragsverteilung hinsichtlich der Mietkaution abgelehnt.

Das Insolvenzgericht begründet diese Ablehnung insbesondere mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.05.2014, Aktenzeichen IX ZR 136/13.

Hiergegen wendet sich nunmehr der Beschwerdeführer mit der vorliegenden sofortigen Beschwerde.

Die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters ist nicht begründet.

Es ist zwar zutreffend, dass der etwaige Rückzahlungsanspruch bezüglich der Mietkaution grundsätzlich in die Insolvenzmasse fällt, da dieser Anspruch bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn auch aufschiebend bedingt, entstanden ist.

Die Frage ist jedoch, ob aufgrund der Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters gegenüber dem Vermieter diese Forderung enthaftet worden ist und ebenfalls wieder in die Verfügungsbefugnis des Schuldners gefallen ist.

Dem könnte, der Ansicht des Beschwerdeführers folgend, entgegenstehen, dass der Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der Mietkaution bereits vor Ablauf der Frist des § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO jedenfalls entstanden ist und daher nicht von den Wirkungen der Enthaftungserklärung umfasst sein könnte.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 22.05.2014 diese Frage ausdrücklich offen gelassen.

Nach Auffassung der Kammer ist aus dieser Entscheidung jedoch die Intention des Bundesgerichtshofs zu lesen, dass im Falle einer Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters oder Treuhänders sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem bestehenden Mietverhältnis der Insolvenzmasse entzogen sein sollen.

Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung erstmals dahingehend entschieden, dass mit dem Wirksamwerden der Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters oder Treuhänders hinsichtlich der Wohnung des Schuldners der Mieter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Mietvertragsverhältnis in vollem Umfang zurückerlangt.

Der Bundesgerichtshof hat hierbei die Vorschrift des § 109 Abs. 1 InsO erweiternd ausgelegt, da in dieser Vorschrift ausdrücklich nur von etwaigen Forderungen des Vermieters die Rede ist, nicht jedoch von etwaigen Forderungen des Mieters.

Der Bundesgerichtshof begründet diese erweiternde Auslegung damit, dass es für alle Beteiligten sinnvoll und angemessen ist, eine willkürliche Aufteilung von Forderungen aus dem Mietverhältnis zu vermeiden.

Denn bliebe die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters im Übrigen für das Mietverhältnis bestehen, hätte dies für die Masse erhebliche Nachteile, etwa da Ansprüche des Mieters gegen den Vermieter auf Mängelbeseitigung, Schadensersatz oder Minderung des Mietzinses vom Verwalter oder Treuhänder auf Kosten der Masse geltend gemacht werden müssten.

Auch für den Schuldner wäre es äußerst unpraktikabel, wenn er Erklärungen gegenüber dem Vermieter nicht selbst, sondern nur durch den Verwalter mit dessen Einverständnis abgeben könnte.

Schließlich, und dies ist für die Kammer von entscheidender Bedeutung, hätte eine solche Konstellation auch nachteilige Folgen für den Vermieter, weshalb auch dessen Schutz den Gesamtübergang sämtlicher gegenseitiger Ansprüche aus dem Mietverhältnis verlangt.

Denn dem Vermieter würden bestehende Aufrechnungsmöglichkeiten dadurch entzogen werden, dass die nach § 387 BGB erforderliche Gegenseitigkeit der Ansprüche durch die Enthaftungserklärung aufgelöst würde. Könnte der Vermieter danach entstehende Ansprüche nur gegen den Schuldner geltend machen, während gegen ihn gerichtete neue Ansprüche aus dem Mietvertrag der Masse zustünden, hätte er wegen der Unzulässigkeit der Aufrechnung Nachteile hinzunehmen, die mit dem Wesen des an sich unverändert fortgesetzten Mietvertrages nicht vereinbar wären. Selbst wenn man § 404 BGB entsprechend anwenden würde, stünde eine Aufrechnung § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO entgegen.

Gerade dieser vom Bundesgerichtshof angesprochene Schutz des Vermieters gebietet es nach Auffassung der Kammer zwingend, gerade auch den Rückforderungsanspruch des Mieters bezüglich der Mietkaution beim Schuldner zu belassen.

Denn ansonsten könnte der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses und bestehender Forderungen gegenüber dem Mieter nicht mit diesem Rückforderungsanspruch aus der Mietkaution aufrechnen, was letztlich zur Folge hätte, dass Sinn und Zweck gerade einer solchen Mietkaution beseitigt würde.

Der Vermieter müsste also auf jeden Fall die erhaltene Mietkaution nach Beendigung des Mietverhältnisses an die Insolvenzmasse auskehren, selbst wenn er berechtigte Ansprüche gegenüber dem Schuldner als Mieter besäße, sei es aus rückständigen Mieten oder Schadensersatzansprüche wegen nicht ordnungsgemäß zurückgegebener Mietsache.

Zwar sprechen die Erläuterungen des Gesetzgebers zur Neuregelung des § 109 InsO dem Wortlaut nach dafür, dass dieser davon ausgegangen ist, dass die Mietkaution in der Insolvenzmasse verbleibt (vgl. Bundestagsdrucksache 14/5680, Seite 27 zu Nr. 11).

Aber bereits der Bundesgerichtshof hat in der zitierten Entscheidung angemerkt, dass diese konkrete Folge dem Gesetzgeber u. U. nicht bewusst gewesen ist.

Allerdings hat auch der 8. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 09.04.2014 (Aktenzeichen VIII ZR 107/13) bereits darauf hingewiesen, dass es dem Gesetzgeber bei der Änderung des §109 InsO nicht vorrangig darum gegangen sei, dass die Kaution der Masse zur Verfügung stehe, sondern vielmehr der Mieter davor bewahrt werden sollte, dass der Treuhänder den Mietvertrag kündigt, um die Kaution verwerten zu können.

Auch hieraus wird deutlich, dass der Bundesgerichtshof davon ausgeht, dass eine Auslegung des § 109 InsO dahingehend, dass auch ein etwaiger Rückzahlungsanspruch bezüglich einer Mietkaution beim Schuldner verbleiben soll, nicht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers widerspräche.

Es ist daher für sämtliche Beteiligte angemessen und sinnvoll, dass nach Enthaftungserklärung durch den Insolvenzverwalter oder Treuhänder ein etwaiger Rückzahlungsanspruch bezüglich einer Mietkaution als nicht mehr zur Masse angehörig angesehen wird, wobei davon auszugehen ist, dass der Wille des Gesetzgebers einer solchen Lösung nicht entgegensteht.

Das “Dilemma”, dass Ansprüche des Schuldners auf Rückzahlung der Mietkaution bereits vor Verfahrenseröffnung entstanden sind und daher grundsätzlich in die Masse fallen, kann nach Auffassung der Kammer dahingehend gelöst werden, dass im Hinblick auf die Regelung des § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO, welche ausdrücklich nicht auf das Entstehen eines Anspruchs sondern auf dessen Fälligkeit abstellt, Gleiches auch für etwaige Ansprüche des Mieters gelten sollte.

Der Wortlaut des § 109 InsO betrifft lediglich Ansprüche des Vermieters, nicht jedoch solche des Mieters.

Nachdem der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass über diesen Wortlaut hinaus auch etwaige Ansprüche des Mieters durch die Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters oder Treuhänders umfasst sein sollen und daher die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bezüglich des Mietverhältnisses in vollem Umfang wieder auf den Mieter und Schuldner übergeht, ist es nach Auffassung der Kammer gerechtfertigt, auch die in § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO getroffene Fälligkeitsregelung auf die etwaigen Ansprüche des Mieters zu übertragen.

Es erscheint daher im Sinne einer Gleichbehandlung als sachgerecht, dass auch hinsichtlich solcher Mieteransprüche nicht auf deren Entstehung, sondern auf deren Fälligkeit abgestellt wird und somit Rückzahlungsansprüche bezüglich einer Mietkaution, welche erst nach Wirksamwerden der Enthaftungserklärung des Treuhänders fällig werden, ebenfalls dem Schuldner als Mieter zustehen.”