Aus der Rubrik “Wissenswertes”:             

Reicht allein die abstrakte Möglichkeit von Baumaßnahmen für den Ausschluss einer Mietminderung nach § 536b BGB aus?

Die Antwort des Landgerichts München I (LG München I – 31 S 58/1, Urteil vom 27.10.2016) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das LG München I in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. bis 6. wie folgt aus:  “Das Amtsgericht hat der Klägerin zu Recht wegen Mietminderung einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete in Höhe von 3.123,04 Euro zugesprochen.

1. Der klägerische Vortrag zum Vorliegen eines zur Mietminderung berechtigenden Mangels ist auch ohne Vorlage eines Lärmprotokolls hinreichend substantiiert.

Zur Darlegung wiederkehrender Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs genügt grundsätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen es geht, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten. Der Vorlage eines Protokolls bedarf es nicht. Dies gilt erst recht, wenn die Umstände das Auftreten derartiger Beeinträchtigungen ohnehin nahelegen (BGH Urteil vom 29.02.2012, Az: VIII ZR 155/11; vgl. auch Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl. 2009, Rn. VIII 182).

Diesen Anforderungen genügt bereits der klägerische Vortrag in der Klageschrift, ergänzt und z.T. richtig gestellt durch die nachfolgenden Schriftsätze. Bereits in der Klageschrift hat die Klägerin die Lage, den Inhalt und das Ausmaß des Bauvorhabens, den Baufortgang und die damit verbundenen Arbeiten und Geräusche in dem streitgegenständlichen Zeitraum beschrieben und Fotos vorgelegt. Bei einer derart nahe am Haus der Klägerin gelegenen Baustelle liegt das Auftreten erheblicher Beeinträchtigungen sodann auf der Hand. Vor diesem Hintergrund ist im Einklang mit der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass es die Substantiierungspflicht überspannen und auch angesichts der Dauer der Baumaßnahmen zu einer unzumutbaren und unnötigen Belastung der Kläger führen würde, darüber hinaus die Anfertigung eines Lärmprotokolls oder die Durchführung von Lärmmessungen zu verlangen.

2. Auch die Auffassung der Beklagten, das Amtsgericht habe die Beweislastverteilung verkannt und die Beweisaufnahme habe eine durchgehende Beeinträchtigung über das übliche Maß hinaus nicht ergeben, weshalb keine durchgehende pauschalierte Minderungsquote angesetzt werden könne, teilt die Kammer nicht.

2.1. Dabei ist zunächst vor allem die Prämisse der Beklagten unzutreffend, Baulärm sei per se hinzunehmen, wenn er sich im Rahmen des Üblichen halte, und die Klägerin müsse nachweisen, dass und wann die Grenze des Üblichen überschritten worden ist. Richtig ist vielmehr, dass Baustellenlärm regelmäßig als Mangel der Mietsache anzusehen ist, soweit er die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch mindert. Die Üblichkeit des Lärms ist dafür nur dann ausschlaggebend, wenn die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben, aufgrund derer der Mieter den – darin näher zu definierenden – üblichen Lärm dulden muss. Hierauf wird unten noch näher eingegangen. Festzuhalten ist zunächst jedoch, dass auch üblicher Baulärm nicht per se zu dulden ist.

3. Zu Recht hat das Amtsgericht auch angenommen, dass die Beweislast für das Überschreiten von Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit des Lärms bei der Beklagten als Vermieterin liegt, wenn diese sich in Abwesenheit einer die Baumaßnahmen erfassenden Beschaffenheitsvereinbarung auf ihre eigene Duldungspflicht gegenüber dem Bauherrn auf dem Nachbargrundstück berufen will. Mit der sog. Bolzplatzentscheidung des BGH (Urteil v. 29.04.2015, VIII ZR 197/14) ist entgegen der Auffassung der Beklagten eine entsprechende Verteilung der Beweislast verbunden, obgleich sich der BGH hierzu nicht ausdrücklich geäußert hat. Nach dieser Entscheidung begründen nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarung grundsätzlich keinen zur Mietminderung berechtigenden Mangel, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Die Folge ist, dass der Mieter an der Situationsgebundenheit der gemieteten Wohnung bzw. des Grundstücks und der aus der Nachbarschaft entstammenden Einwirkungen einschließlich der damit verbundenen Veränderungsrisiken generell teilnimmt.

Zwar soll hierdurch dogmatisch kein neben § 536b BGB stehender Minderungsausschluss begründet werden, sondern der BGH zieht § 906 BGB zur ergänzenden Auslegung der Vertragsabrede zwischen den Parteien heran und kommt zu dem Ergebnis, dass redlicherweise nicht angenommen werden kann, dass die Parteien eines Mietvertrags bei Vertragsschluss davon ausgehen, der Vermieter solle den ursprünglich bestehenden Immissionsstandard für die Vertragsdauer ungeachtet etwa nach § 906 BGB bestehender Duldungspflichten unverändert gewährleisten. So ist auch im vorliegenden Fall, da die Parteien keine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung über den Fall des Neubaus eines Mehrfamilienhauses auf dem Nachbargrundstück getroffen haben, davon auszugehen, dass im Falle einer Duldungspflicht ohne Entschädigungsmöglichkeit im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Bauherrn auch eine Duldungspflicht der Klägerin besteht.

Trotz dieser dogmatischen Einordnung auf der Ebene der Beschaffenheitsvereinbarung ist das Bestehen einer Duldungspflicht ohne Entschädigungsmöglichkeit, auf die sich der Vermieter beruft, um zu dem für ihn positiven Ergebnis zu gelangen, ein Umstand, den der Vermieter nach den allgemeinen Beweislastregeln (vgl. Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2016, § 286 Rn.111) darzulegen und zu beweisen hat, da es sich von der Auswirkung her letztlich um eine rechtshindernde bzw. minderungsausschließende Einwendung handelt (ebenso Klimesch, NZM 2015, 855). So muss der Vermieter zum Beispiel auch eine etwaige Unerheblichkeit der Tauglichkeitsminderung beweisen (BeckOK BGB/Ehlert BGB § 536 Rn. 116).

Dem steht nicht entgegen, dass der BGH diese Frage auf der Ebene des Mangelbegriffs lösten wollte (so Selk NZM 2016, 239 – Anm. zu: LG München I, Urteil vom 14. Januar 2016 – 31 S 20691/14) und der Mieter für das Vorliegen eines Mangels grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig ist. Es handelt sich vorliegend um eine Art gespaltenen bzw. zusammengesetzen Mangel, welcher auch eine differenzierte Beweislastverteilung erfordert. Dieser enthält zum einen die eigentliche, tatsächliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch den Lärm als solche, wofür der Mieter anerkanntermaßen die Beweislast trägt. Zum anderen muss aber noch hinzukommen der rechtliche Umstand, dass auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Dies hat der BGH aber als Ausnahme insofern formuliert, als er dargestellt hat, unter welchen Umständen kein Mangel vorliegt. Bereits hieraus ergibt sich die Darlegung- und Beweislast des Vermieters für diesen, einen Mangel ausschließenden rechtlichen Umstand, welcher nichts mit der tatsächlichen Gebrauchsbeeinträchtigung der Mietsache zu tun hat.

Letztlich kommt somit dem Vermieter dieselbe Darlegungs- und Bewelslast zu wie einem Emittenten im Rahmen des § 906 BGB. So hat der BGH diese Beweislastverteilung auch dann angenommen, wenn der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs geltend macht, er sei durch Staubauswürfe einer Schmelzanlage geschädigt worden ( BGH, Urteil vom 18. September 1984 – VI ZR 223/82). Danach sei es u.a. in Anlehnung an die Beweisgrundsätze zu § 906 BGH Sache des Emittenten darzutun und zu beweisen, dass die von seinem Grundstück ausgehenden Emissionen sich im Rahmen einer ortsüblichen Benutzung seines Grundstücks gehalten haben. Nun ist zwar der Vermieter nicht selbst der Emittent, allerdings sind ihm bzw. seiner Sphäre die Emissionen deshalb insofern zuzurechnen, da ihm im Rahmen seiner Verpflichtung zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands der Mietsache grundsätzlich auch die Pflicht trifft, von Dritten ausgehende Störungen vom Mieter fernzuhalten. Ebensowenig ist der Mieter Eigentümer eines Grundstücks – wie auch der Eigentümer eines Kraftfahrzeuges es nicht ist, jedoch kann man sich auch hier an die Beweisgrundsätze des § 906 BGB anlehnen. Schließlich besteht eine “größere Nähe” bzw. Kenntnis des vermietenden Eigentümers sowohl zu den Umständen des Nachbargrundstücks als auch zu der Frage, ob eine zu duldende Einwirkung eine “ortsübliche Benutzung des Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt” (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB). Denn nach der Entscheidung des BGH könnten nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen durch Dritte grundsätzlich dann keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung führenden Mangel der Mietwohnung begründen, wenn auch der Vermieter sie u.a ohne eigene Entschädigungsmöglichkeit hinnehmen muss. Andernfalls müsse dann nämlich der Mieter u.a. darlegen und beweisen, dass die Einwirkung den Ertrag des Vermieters unzumutbar beeinträchtigt, was nicht sachgerecht erscheint.

Auch hat der BGH in der Entscheidung vom 29.04.2015 festgestellt, dass die Tatsache, dass § 906BGB im Verhältnis der Mietvertragsparteien untereinander keine Anwendung findet, eine Beachtung der nachbarrechtlichen Ausstrahlungswirkungen dieser Norm zur näheren Bestimmung der mietvertraglichen Rechte und Pflichten der Parteien nicht ausschließt. Es somit auch naheliegend und es spricht auch nichts dagegen, die dortige Beweislastverteilung hier entsprechend anzuwenden. Von daher kann die Ansicht von Selk (aaO.) nicht geteilt werden, dass die Ansicht der Kammer nicht im Einklang mit der Entscheidung des BGH steht (kritisch zu Selk ebenfalls Klimesch aaO.). Die Kammer hält somit an ihrer bisherigen Rechtsprechung (vgl. LG München I, Urteil vom 14. Januar 2016 – 31 S 20691/14) fest.

3.1. Soweit das Amtsgericht aufgrund seiner Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen ist, es habe im gesamten Zeitraum keine längere lärmfreie Zeit gegeben, ist dies nicht zu beanstanden. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts in Bezug auf die durchgehende Lärmbelästigung wurde ohne Rechtsfehler vorgenommen, so dass die Kammer daran nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden ist. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche (vgl. etwa BGH VersR 2005, 945; OLG München in st.Rspr., Urt. v. 09.10.2009 – 10 U 2965/09 und zuletzt Urt. v. 20.05.2011 – 10 U 3958/10). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGHZ 159, 254[258]; NJW 2006, 152 [153]); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (OLG München vom 06.07.2012 – 10 U 3111/11).

Das Amtsgericht hat eine eingehende Beweiswürdigung vorgenommen und eine Vielzahl an Zeugen vernommen, außerdem lagen Fotos und eine DVD vor. Soweit die Beklagte bemängelt, dass den Zeugenaussagen nicht zu entnehmen ist, dass eine unzumutbare Lärmbelästigung vorgelegen habe, ist dies nach dem oben Gesagten unerheblich, da Seitens der Mieterin lediglich eine Beeinträchtigung der Mietsache nachzuweisen war, ohne dass es zunächst auf Zumutbarkeit und Ortsüblichkeit ankam. Soweit die Beklagte ferner meint, der Zeuge Csallner habe von einer längeren Pause der Bauarbeiten berichtet, weshalb eine durchgehende Minderungsquote nicht zu begründen ist, stützen die Angaben der übrigen Zeugen dies nicht. Die Beklagte setzt mit diesem Einwand offensichtlich ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des dazu berufenen Gerichts. Durchgreifende Mängel der Beweiswürdigung nach den oben aufgeführten Maßstäben kann die Kammer indes nicht erkennen.

3.2. Dass das Amtsgericht das Bauvorhaben nach Bauphasen unterteilt und innerhalb dieser Bauphasen jeweils pauschalierte Minderungsquoten angesetzt hat, ist nicht zu beanstanden. Bei jeder Baustelle – nicht nur bei besonders großen – unterscheiden sich die Geräusch- und sonstigen Emissionen von Tag zu Tag, da naturgemäß im Bauverlauf jeden Tag unterschiedliche und an manchen Tagen auch gar keine Arbeiten durchgeführt werden. Das kann jedoch nicht dazu führen, dass der Mieter zur Berechnung der ihm zustehenden Minderung gegebenenfalls über Jahre hinweg täglich Messungen durchführen muss, um eine taggenaue Minderungsquote darlegen zu können. Dies würde die Durchsetzung eines Minderungsanspruchs gerade bei länger andauernden und damit für den Mieter besonders gravierenden Beeinträchtigungen nahezu ausschließen. Mit einer pauschalierten Minderungsquote können indes belästigungsfreie Tage ebenso wie Spitzen der Geräuschbelastung angemessen aufgefangen werden. Eine pauschalierte Minderungsquote erscheint dabei auch vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass der Mieter – anders als etwa bei periodisch auftretenden Mängeln – eine geringere Baustellenaktivität nur bedingt vorhersehen kann und seinen Alltag daher ungeachtet gelegentlicher Verringerung oder Pausen auf eine übliche oder durchschnittliche Beeinträchtigung ausrichten muss. Die Festsetzung hält sich daher letztlich im Rahmen des § 287 ZPO, zumal es gesetzliche Minderungstabellen nicht gibt (vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Januar 2016 – I ZR 90/14,0 wonach hierbei auch in Kauf genommen werden muss, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt).

4. Zu Recht hat das Amtsgericht im Ergebnis auch angenommen, dass die Mietminderung nicht wegen Vorhersehbarkeit der Baumaßnahmen nach § 536b BGB ausgeschlossen ist. Es kann daher dahinstehen, inwieweit die Erkennbarkeitsrechtsprechung, auf die sich die Beklagte bezieht, durch die Bolzplatzentscheidung des BGH überholt ist, wie die Klägerin meint. Der Auffassung der Beklagten, es reiche, dass mit einer baulichen Veränderung der Umgebung dem Grunde nach gerechnet werden müsse, ohne dass konkrete Anhaltspunkte dafür notwendig seien, kann die Kammer jedenfalls nicht zustimmen. Nur konkrete Anhaltspunkte können dazu führen, dass mit baulichen Veränderungen gerechnet werden muss. Allein die abstrakte Möglichkeit von Baumaßnahmen, die nahezu immer und überall besteht, reicht für den Ausschluss der Mietminderung keinesfalls aus. Etwas Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der von Beklagtenseite in Bezug genommenen Rechtsprechung. Auch dort wird aufgrund konkreter Anhaltpunkte wie Baulücken oder baufälliger Gebäude bei Vertragsschluss davon ausgegangen, dass der Mieter mit Baulärm rechnen musste (OLG München Urteil v. 26.03.1993 – 21 U 6002/92; KG Urteil v. 03.06.2002 – 8 U 74/01), bzw. bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für bevorstehende Bauarbeiten bei Vertragsschluss von einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung ausgegangen (LG Berlin, Hinweisbeschluss vom 04.09.2012 – 65 S 201/12).

Aus diesem Grund reicht es für den Minderungsausschluss im vorliegenden Fall auch nicht aus, dass es unstreitig in Solln seit einigen Jahren vermehrte Bautätigkeit gibt, die zum Abriss einzeln stehender Einfamilienhäuser und zum Neubau von Mehrfamilienhäusern führt, und dass auf dem Nachbargrundstück der Klägerin ein Einfamilienhaus gestanden hat. Zum einen erfasst der Zeitraum “seit einigen Jahren” wohl eher nicht den allein maßgeblichen Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses im Jahr 1998. Dass die entsprechende bauliche Entwicklung von Solln bereits zu diesem Zeitpunkt in einem Maße vorhersehbar war, dass der Klägerin vorgeworfen werden kann, dass sie positive Kenntnis von der nunmehr eingetretenen Entwicklung hatte bzw. ihr diese hätte ins Auge springen müssen, ist in keiner Weise erkennbar. Auch die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass es hierfür bereits 1998 konkrete Anhaltspunkte gab, wie etwa eine weitgehende Abwesenheit von Einfamilienhäusern in Solln bereits zu diesem Zeitpunkt, eine Baufälligkeit des Nachbarhauses oder Anzeichen für konkrete Planungen.

Auch musste die Klägerin nicht gerade wegen der langen Dauer des Mietverhältnisses mit dieser Art von Baumaßnahmen rechnen. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass bei einer langen Mietvertragsdauer die Wahrscheinlichkeit steigt, dass in der Nachbarschaft bauliche Maßnahmen ergriffen werden. Von einer Erkennbarkeit ist jedoch, wie das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat, erst dann auszugehen, wenn für den Mieter bei Vertragsschluss bereits Art und Umfang sowie Intensität und zeitliche Perspektive der bevorstehenden Baumaßnahmen abschätzbar sind (Münchener Kommentar zum BGB, 12. Aufl. 2015, § 536 Rn.138). Während mit einer Renovierung von älteren Nachbarhäusern oder kleineren sonstigen Arbeiten oder Anbauten über kurz oder lang möglicherweise gerechnet werden muss, weil Häuser sich bekanntlich abnutzen und Schäden entstehen oder sich die Bedürfnisse der Bewohner ändern, gilt dies für den Abriss eines bewohnten Einfamilienhaus zugunsten eines neuen Mehrfamilienhauses auch bei längerer Vertragsdauer nur bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte, da bloßer Zeitablauf nicht per se zu einem Strukturwandel eines Wohngebiets führt (dementsprechend differenziert auch das KG in dem Urteil v. 03.06.2002 – 8 U 74/01 – bei der Vorhersehbarkeit prinzipiell zwischen der Entkernung eines renovierungsbedürftigen Nachbargebäudes und einer bloßen Fassadenerneuerung).

5. Ein Verstoß gegen § 308 ZPO liegt nicht vor. Wie die Klägerin zu Recht ausführt, hat sie mit dem Hilfsantrag keine bestimmte Minderungsquote sondern eine Zahlung beantragt. Hinter diesem Antrag ist das Amtsgericht mit seinem Urteil zurückgeblieben.

6. Schließlich ist auch die Berechnung der Minderung ohne weiteres nachvollziehbar. Die auf S. 5 des erstinstanzlichen Urteils errechneten Minderungsbeträge von 1.302,32 Euro, 140,49 Euro und 1.109,16 Euro betreffen lediglich die vom Gericht identifizierten speziellen Bauphasen, in denen Minderungsquoten von 10%, 20% und 60% anzusetzen waren. Lediglich in dem übrigen Zeitraum (also vom 01.03.2013 bis zum 02.11.2014) hat das Gericht eine Minderung von 5% berechnet und diese mit 2,34 Euro pro Tag auch korrekt beziffert. Es wurden also keineswegs im Gesamtzeitraum zusätzlich zu den erhöhten Minderungsquoten weitere 5% angesetzt.”