Gilt für Mieterhöhungsverlangen das Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge?
Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 18 S 357/15, Urteil vom 14.09.2016) lautet: Nein!
Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 2. wie folgt aus: “In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Amtsgericht die Ansprüche des Klägers und hierbei insbesondere ein Widerrufsrecht nach § 312g BGB verneint.
Zwar liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 312ff. BGB dem Wortlaut nach vor; §§ 312ff. BGB sind auf Mieterhöhungsverlangen nach §§ 558ff. BGB aber nicht anwendbar (so im Ergebnis auch das Amtsgericht unter Bezugnahme auf dort zitierte Literatur und wohl auch AG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. April 2016, Az. 202 C 3/16 (WuM 2016, 360 f.), die allerdings das Vorliegen eines Fernabsatzvertrages verneinen).
Denn schon nach Sinn und Zweck ist § 312c BGB auf Mietänderungsvereinbarungen nach §§ 558ff. BGB nicht anzuwenden (vgl. hierzu Schmidt-Futterer-Blank, Mietrecht, 12. Auflage, vor § 535 BGB, Rn. 89ff., insbesondere Rn. 92 mit ausführlicher Begründung; Beuermann, Grundeigentum 2015, 561 f.; aA u.a. Pitz-Paal, Grundeigentum 2015, 556-560).
Die Berufung zeigt nicht auf, dass diese Bewertung unzutreffend ist.
Insbesondere ergibt sich dies nicht aus der dort zitierten Begründung des Gesetzgebers. Zwar heißt es dort, dass für spätere Vertragsänderungen, z.B. Abreden über Mieterhöhungen, Satz 1 von § 312 Abs. 4 BGB gelten solle. Diese Aussage ist aber im Kontext der vorherigen Ausführungen zu sehen. Dort wird auf die detaillierte Ausgestaltung des sozialen Wohnraummietrechts hingewiesen und zum Ausdruck gebracht, dass die Richtlinienumsetzung, der die Gesetzesänderung dienen sollte, keine Verschlechterung des Mieters im Vergleich zur bis dahin geltenden Rechtslage bewirken solle. Im Hinblick darauf, dass § 558a BGB dem Vermieter – zum Schutz des Mieters – vorschreibt, das Mieterhöhungsbegehren in Textform zu erklären, und dies in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle per Brief geschieht, geht die Kammer daher davon aus, dass dem Gesetzgeber bei der Einbeziehung von Abreden über Mieterhöhungen andere als die nach §§ 558ff. BGB im einzelnen geregelten vor Augen standen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Mieterhöhungsverlangen nach § 558a BGB, sofern berechtigt, im Klagewege durchgesetzt werden kann und damit eine gänzlich andere Situation betrifft, als die ursprünglich auf den Versandhandel und vergleichbare Geschäfte ausgerichteten §§ 312ff. BGB. So käme es zu abwegigen Ergebnissen, wenn das Widerrufsrecht noch nach Ablauf der Klagefrist von § 558b Abs. 2 BGB bestehen würde bzw. in Fällen wie vorliegend, in denen der Erhöungsbetrag mehrfach gezahlt wurde und somit eine doppelte Zustimmung – oder jedenfalls eine mehrfach bestätigte Zustimmung – des Mieters vorliegt, die ausdrücklich sowie konkludent erklärt wurde. Auf konkludentes Verhalten finden die §§ 312ff. BGB nämlich keine Anwendung (vgl. Beuermann aaO m.w.N.) So ergibt sich auch aus einer Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz, dass fraglich erscheint, ob der Gesetzgeber ein Widerrufsrecht für Mieterhöhungen nach §§ 558ff. BGB mit der Gesetzesänderung einführen wollte (vgl. Grundeigentum 2015, 563).
Ob §§ 558ff. BGB den §§ 312ff. BGB damit als lex specialis vorgehen (hiergegen Mediger, NZM 2015, 185 aus systematischen Gründen) oder aber die §§ 312ff. BGB teleogisch dahingehend zu reduzieren sind, dass sie für andere Mieterhöhungen als nach §§ 558ff. BGB gelten, kann für das Ergebnis dahinstehen.
Selbst wenn ein Widerruf entgegen der hier vertretenen Ansicht nach §§ 312ff. BGB bestehen würde, stünde dessen Geltendmachung in Fallkonstellationen wie der vorliegenden in der Regel entgegen, dass die Zustimmung zur Mieterhöhung im Kontext von §§ 558ff. BGB zugleich ein deklaratorisches Anerkenntnis des vermieterseitigen Anspruchs auf Mieterhöhung darstellen würde. Ein solches wäre nur nach §§ 812ff. BGB kondizierbar. Der Mieter müßte dann vortragen und beweisen, dass der Anspruch des Vermieters nicht bestand und unterläge zudem den Beschränkungen von § 814 BGB.”