Aus der Rubrik “Wissenswertes”:                    

Stellt die Erstattung von 13 Strafanzeigen gegen Mitarbeiter des Vermieters sowie eine weitere Strafanzeige gegen die vom Vermieter beauftragte Rechtsanwältin, die allesamt auf frei erfundenen ehrverletzenden Tatsachen ohne substantiellen Tatsachenkern beruhen und die ungerechtfertigt und mit verleumderischen Inhalt waren, einen wichtigen Grund im Sinne von § 543 BGB zur außerordentlich fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses dar ?

Die Antwort des Landgerichts Dresden (LG Dresden – 4 S 304/16, Urteil vom 21.12.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Dresden in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: “1. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts hat der Beklagte in der Zeit vom 26.09.2013 bis zum 23.01.2015 insgesamt 13 Strafanzeigen gegen Mitarbeiter der Klägerin sowie eine weitere Strafanzeige gegen die von der Klägerin beauftragte Rechtsanwältin erstattet, die auf frei erfundenen ehrverletzenden Tatsachen ohne substantiellen Tatsachenkern beruhen und die ungerechtfertigt und mit verleumderischen Inhalt waren.

2. Die Kammer teilt zunächst die Auffassung des Amtsgerichts, dass die Erstattung dieser Strafanzeigen der Klägerin einen wichtigen Grund i. S. v. § 543 BGB zur außerordentlich fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses gegeben hat.

3. Die Kammer tritt weiter dem Amtsgericht im Ausgangspunkt bei, dass es einer nach § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB grundsätzlich erforderlichen Abmahnung bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung nicht bedarf, wenn die sofortige Kündigung des Mietverhältnisses aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist.

In die Abwägung, ob es ausnahmsweise keiner Abmahnung bedarf, weil besondere Gründe eine sofortige Kündigung rechtfertigen, ist allerdings auch das Verhalten der Vertragsparteien einzubeziehen. Hier hat die Klägerin die Strafanzeigen nicht zum Anlass genommen, das Mietverhältnis sofort i. S. v. § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB unter Hinweis auf die vorliegenden besonderen Gründe ohne Abmahnung zu kündigen. Sie hat vielmehr den Beklagten nach mehr als fünf Monate nach der letzten Strafanzeige mit Schreiben vom 29.06.2015 abgemahnt und ihn zur Unterlassung künftiger ungerechtfertigter Strafanzeigen und zur Rücknahme der bereits erstatteten Strafanzeigen aufgefordert. Damit hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie die besonderen Gründe, unter denen ausnahmsweise eine sofortige Kündigung gerechtfertigt sein könnte, nicht als gegeben ansieht, sondern die Beendigung des Mietverhältnisses vielmehr vom künftigen Verhalten des Beklagten, nämlich einem Verstoß gegen die Abmahnung abhängig macht. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen datierten die letzten (sechs) Strafanzeigen des Beklagten vom 23.01.2015. Die mit Schreiben vom 22.07.2015, mehr als ein halbes Jahr nach der letzten (ungerechtfertigten) Strafanzeige, ausgesprochene Kündigung ist daher nicht mehr rechtzeitig i. S. v. § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB.

4. Der Beklagte hat den Zugang des klägerischen Abmahnschreibens am 29.06.2015 bestritten. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte das Abmahnschreiben erhalten hat. Unterstellt, das Abmahnschreiben ist dem Beklagten zugegangen, wäre er dem darin berechtigt geltend gemachten Verlangen der Klagepartei nach der künftigen Unterlassung ungerechtfertigter Strafanzeigen nachgekommen. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Beklagte nach dem Abmahnschreiben vom 29.06.2015 – wie von der Klägerin verlangt – keine weiteren Strafanzeigen gegen Verantwortliche der Klägerin erstattet hat. Eine mit der Abmahnung zu verhindernde pflichtwidrige Vertragsverletzung des Beklagten liegt daher nicht vor.

Soweit die Klägerin im Abmahnschreiben vom 29.06.2015 des Weiteren den Beklagten aufgefordert hat, die seinerzeit erstatteten Strafanzeigen zurückzunehmen und dies schriftlich zu bestätigen, bestand ein derartiger Anspruch nicht. Strafanzeigen lassen sich nicht zurücknehmen. Die Ermittlungsverfahren waren zum Zeitpunkt dieses Verlangens im Übrigen auch bereits sämtlichst eingestellt. Die von der Klägerin erstrebte Rücknahme der Strafanzeigen hätte keinen Einfluss mehr auf die abgeschlossenen Ermittlungen gehabt.

5. Auch die mit der Klageschrift vom 13.11.2015 erstattete außerordentliche fristlose Kündigung ist aus den o.g. Gründen unwirksam. Die zugleich hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung hat das Mietverhältnis ebenfalls nicht beendet.

Zwar bedarf es nach einhelliger Meinung im Falle einer ordentlichen Kündigung einer Abmahnung nicht (BGH NJW 2008, 508; Sternel, Mietrecht, IV, Rz. 119). Einer vorherigen Abmahnung kommt jedoch Bedeutung für die Frage zu, ob der Mieter eine – wie § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB voraussetzt – schuldhafte “nicht unerhebliche” Pflichtverletzung begangen hat. Eine solche liegt jedenfalls nach der Abmahnung nicht mehr vor. An Ihrer Abmahnung muss sich die Klägerin festhalten lassen, denn sie hat darin eine Kündigung des Mietverhältnisses von einem weiteren Verstoß abhängig gemacht. Auch bei der Beurteilung der Berechtigung der ordentlichen Kündigung ist zu berücksichtigen, dass die Abmahnung erst mehr als fünf Monate nach der letzten Strafanzeige erfolgte. Denn die rügelose Hinnahme einer Vertragsverletzung über einen längeren Zeitraum stellt im Regelfall einen Umstand dar, der die Erheblichkeit einer Vertragsverletzung i. S. v. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausschließt (Schmidt-Futterer, a. a. O., § 573, Rz. 22), somit hierauf eine Kündigung nicht mehr gestützt werden kann. Soweit der Beklagte die Abmahnung nicht erhalten haben sollte, ist ihm zugute zu halten, dass er aus eigener Einsicht von den beanstandeten Pflichtverletzungen Abstand genommen hat.

Insgesamt erweisen sich daher die beiden ausgesprochenen Kündigungen als unwirksam, weshalb die Klage abzuweisen war.”