Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Steht einem Mieter im laufenden Mietverhältnis bei einer inhaltlich falschen Betriebskostenabrechnung bis zur ordnungsgemäßen Abrechnung ein Zurückbehaltungsrecht an den Betriebskostenvorauszahlungen zu?

Die Antwort des Landgerichts Lübeck (LG Lübeck – 14 S 178/15, Urteil vom 22.12.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Lübeck in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. A) 1. wie folgt aus: “Ein Anspruch auf Rückzahlung der für die Abrechnungszeiträume 2011 und 2012 geleisteten Vorauszahlungen und des geleisteten Nachforderungsbetrages aus der Abrechnung 2011 steht dem Kläger nicht zu. Auf die einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage für einen Rückzahlungsanspruch, nämlich aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1, Satz 1 BGB kann sich der Kläger nicht berufen.

Der Kläger wendet sich gegen die materielle Richtigkeit der Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2011 und 2012. Im Fall der materiellen Unrichtigkeit einer Nebenkostenabrechnung steht dem Mieter für geleistete Vorauszahlungen kein Rückzahlungsanspruch zu.

Im Falle einer unterlassenen bzw. unbrauchbaren Abrechnung hat der Mieter bei fortbestehendem Mietverhältnis zwei Möglichkeiten (Blank in Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Auflage 2014, § 556, Rn. 244). Zum einen steht dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der laufenden Betriebskostenvorauszahlung zu. Zum anderen kann er auf Erteilung der Abrechnung klagen. Auch der BGH hat in seiner Entscheidung vom 29.03.2006 (NJW 2006, 2552) bei unwirksamer Abrechnung einen Rückzahlungsanspruch verneint, da dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht an den Vorauszahlungen bis zur ordnungsgemäßen Abrechnung als Druckmittel zur Verfügung stünde.

An diesen Grundsätzen ist auch dann festzuhalten, wenn der Mieter steh nicht auf eine nicht vorhandene oder formell unwirksame Abrechnung beruft, sondern auf die inhaltliche Unrichtigkeit. In untergerichtlicher Rechtsprechung und teilweise in der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass einem Mieter bei fehlerhafter Abrechnung ein Rückzahlungsanspruch zu viel geleisteter Vorschüsse zustünde. Nach einer Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 20.11.2006 (AZ: 62 S 95/06) bestehe kein Grund, den Mieter im laufenden Mietverhältnis auf ein Zurückbehaltungsrecht an den laufenden Vorschüssen zu verweisen. Vielmehr sei ihm eine eigenständige Berechnung auf der Grundlage der ihm vorliegenden Unterlagen zu ermöglichen und entsprechend der tatsächlich entstandenen Nebenkosten zu schätzen und annäherungsweise dazu vorzutragen. Auch in der Literatur wird bei inhaltlich falscher Abrechnung ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Vorauszahlungen bejaht (Emmerich/Sonnenschein, 11, A 2014, § 556 BGB, Rn. 93). Trage der Mieter substantiiert vor, dass er mehr an Nebenkosten gezahlt hat, als er zu bezahlen verpflichtet gewesen wäre, ist der Vermieter beweispflichtig dafür, dass er nichts zurückzahlen müsse (Emmerich a. a. O.).

Diesen Erwägungen ist jedoch nicht zu folgen. Auch bei einer materiell unrichtigen Abrechnung steht dem Mieter uneingeschränkt das Druckmittel des Zurückbehaltungsrechtes an den laufenden Betriebskosten bis zur Erstellung einer materiell richtigen Abrechnung zu. Zudem streiten die Parteien vorliegend nicht nur um leicht begrenzbare Einzelpositionen einer Abrechnung, für die der Mieter eine Alternativberechnung anstellen und so den Rückzahlungsbetrag leicht ermitteln kann. Vorliegend macht der Kläger insbesondere geltend, dass Wärmecontractingkosten überhaupt nicht umlagefähig seien und stellt diesbezüglich Alternativberechnungen mit durchschnittlichen Gaspreisen im Versorgungsgebiet an. Dem Mieter ermangelt es jedoch tatsächlich an einer ausreichenden Schätzgrundlage für die Ermittlung zugrunde zu legender Heizkosten. Dies gilt insbesondere für eine Wohnanlage in der Große wie sie vorliegend als Wirtschaftseinheit abgerechnet wird. Der Kläger selbst hat in der Berufungsverhandlung darauf hingewiesen, dass etwa 4.500 Menschen in der Anlage wohnen. Aufgrund der privatautonomen Vertragsmöglichkeiten einer Vermieterin in der Größe der Beklagten muss ihr die Aufgabe überlassen werden, in nachvollziehbarer Weise eine Abrechnung unter Berücksichtigung eines alternativen, nicht durch Wärmecontracting erfolgenden Gasbezugs zu erstellen. Der Beklagten ist hierbei in ihrer Entscheidung, welches Versorgungsunternehmen zu welchen Lieferpreisen sie ihrer Berechnung zugrunde legt, ein billiges Ermessen einzuräumen. Sie ist insoweit aber den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit unterworfen, wonach sie lediglich angemessene und erforderliche Kosten der Wärmelieferung zugrunde legen darf, die bei gewissenhafter Abwägung aller Umstände und bei ordentlicher Geschäftsführung gerechtfertigt sind (arg. ex § 556 Abs. 3 BGB, § 20 Abs. 1 S. 2 NMV, § 24 Abs. 2 II. BV).

Auch aus der von Klägerseite zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 06. Februar 2013 – VIII ZR 184/12) ergibt sich nichts anderes. Mit dieser Entscheidung hat der BGH einem Mieter die Möglichkeit zuerkannt, das von ihm ermittelte Abrechnungsergebnis, das ein Guthaben aufwies, gegen die Miete aufzurechnen. Dieser Fall ist jedoch nicht vergleichbar mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt. In dem vom BGH entschiedenen Fall stand dem Mieter nicht mehr das Druckmittel des Zurückbehaltungsrechtes zu, da die Vermieterin die Nebenkostenabrechnung ihrerseits korrigiert hatte. Ob die von dem Kläger angestellte Alternativberechnung zutreffend ist. ist zudem, entgegen dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt, nicht geklärt. Auch hat vorliegend die Beklagte, im Gegensatz zu dem vorgenannten Sachverhalt, überhaupt keine Alternativabrechnung erstellt, zu der sie jedoch, wie die folgenden Ausführungen zeigen, verpflichtet ist. Dem Kläger steht daher nach wie vor das Druckmittel des Zurückbehaltungsrechtes hinsichtlich der Vorauszahlungen zu, um die Beklagte zu einer ordnungsgemäßen Abrechnung zu bewegen.”