Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Kann ein einfacher Mietspiegel nach § 558c Abs. 1 BGB eine taugliche Erkenntnisquelle für die richterliche Überzeugungsbildung hinsichtlich der ortsüblichen Mietentgelte sein?

Die Antwort des Amtsgerichts Lichtenberg (AG Lichtenberg – 15 C 10/16, Urteil vom 04.11.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Lichtenberg in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 2) b) wie folgt aus: “Zur Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete hat das Gericht von seinem Schätzermessen gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 ZPO unter Anwendung des Berliner Mietspiegels 2015 Gebrauch gemacht, ohne ein Sachverständigengutachten einzuholen.

(i) Der Mietspiegel war als Grundlage für eine Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 287 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 ZPO als einfacher Mietspiegel anzuwenden, unabhängig von der Entscheidung der Frage, ob es sich bei dem Mietspiegel 2015 um einen qualifizierten Mietspiegel im Sinne von § 558 d BGB handelt. Dieser stellt ein Indiz dafür dar, dass die dort angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben (vgl. LG Berlin, Hinweisbeschluss vom 23.07.2015 – 67 S 219/15 – zum Berliner Mietspiegel 2013).

(aa) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der Berliner Mietspiegel 2015 die Voraussetzungen eines qualifizierten Mietspiegels erfüllt oder nicht, weil auch ein einfacher Mietspiegel nach § 558c Abs. 1 BGB eine taugliche Erkenntnisquelle für die richterliche Überzeugungsbildung hinsichtlich der ortsüblichen Mietentgelte sein kann (BGH NJW 2010, 2946, 2947; LG Berlin, Urteil vom 07.07.2016, 67 S 72/16). Ihm kommt dabei zwar nicht die Vermutungswirkung aus § 558d Abs. 3 BGB zu. Er stellt aber ein Indiz dafür dar, dass die dort angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben und kann Grundlage einer Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO sein (vgl. BGH GE 2013, 197; LG Berlin GE 2014, 1338; AG Charlottenburg GE 2015, 457 ff; LG Berlin, Urteil vom 07.07.2016, 67 S 120/15).

Im Rahmen der freien tatrichterlichen Überzeugungsbildung ist dabei auch zu berücksichtigen, dass als weitere Erkenntnisquelle die Einholung eines Sachverständigengutachtens in Betracht käme, und zwar regelmäßig unter Verwendung des Vergleichswertverfahrens auf der als ausreichend erachteten Basis von 5-10 Fällen, die per se naturgemäß wiederum Merkmalsunterschiede aufweisen (vgl. AG Charlottenburg, Urteil vom 05.02.2016, 233 C 467/15). Insofern ist jedoch nicht ersichtlich, dass einem Sachverständigen eine größere Menge relevanter Daten zur Verfügung stünde. Dass die mit Hilfe des einfachen Mietspiegels vorgenommene Schätzung mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht vollständig übereinstimmt, hat der Gesetzgeber durch die der Beweis- und Verfahrenserleichterung dienende Vorschrift des § 287 ZPO ausdrücklich in Kauf genommen und ist deshalb hinzunehmen (vgl. BGH NJW 1964, 589; Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 287 Rz. 2;. AG Charlottenburg, Urteil vom 05.02.2016, 233 C 467/15).

(bb) Der Berliner Mietspiegel 2015 erfüllt auch die Anforderungen an einen einfachen Mietspiegel gemäß § 558c Abs. 1 BGB. Demnach ist ein einfacher Mietspiegel eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete, soweit die Übersicht von der Gemeinde oder von Interessenverbänden der Vermieter und der Mieter erstellt oder anerkannt worden ist. Der Berliner Mietspiegel 2015 ist durch das Land Berlin – Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt – in Zusammenarbeit mit den Vertretern der verschiedenen Interessenverbände erstellt und anerkannt worden, was nach allgemeiner Erfahrung für die objektiv zutreffende Abbildung der örtlichen Mietsituation spricht (vgl. BGH NJW 2010, 2946, 2947; im Einzelnen LG Berlin, Urteil vom 07.07.2016, 67 S 72/16; AG Charlottenburg, Urteil vom 05.02.2016, 233 C 467/15). Eine Mindestanzahl der zu erfassenden Wohnungen ist nicht vorgeschrieben.

(cc) Der Vortrag der Klägerin ist nicht geeignet, die Indizwirkung des einfachen Mietspiegels gemäß § 558c BGB zu erschüttern (vgl. BGH NJW 2010, 2946, 2947; LG Berlin, Urteil vom 07.07.2016, 67 S 72/16).

Die Klägerin hat nicht hinreichend dargelegt, dass den Verfassern des Berliner Mietspiegels 2015 die erforderliche Sachkunde gefehlt habe oder sie sich von sachfremden Erwägungen hätten leiten lassen. Der Berliner Mietspiegel 2015 beruht auch nicht auf unrichtigem oder nicht repräsentativem Datenmaterial (vgl. LG Berlin, Urteil vom 07.07.2016, 67 S 72/16).

Auch wenn überdurchschnittlich viele Daten von Vermietern von größeren Wohnungsbeständen eingeflossen sind, folgt daraus noch nicht, dass die Werte nicht repräsentativ sind. Es ist insofern nicht hinreichend dargelegt, dass grundsätzliche Unterschiede bei den Mietpreisen zwischen den Vermietern von größeren sowie kleineren Wohnungsbeständen und von städtischen Wohnungsgesellschaften, Wohnungsbaugenossenschaften und privaten Vermietern bestehen (vgl. AG Charlottenburg, Urteil vom 05.02.2016, 233 C 467/15). Gleiches gilt auch in Bezug auf die Frage, dass nicht im Einzelnen untersucht wurde, welche Mietergruppen sich an der Datenerhebung beteiligt haben. Dies lässt allein noch nicht den Schluss zu, dass die erhobenen Daten nicht repräsentativ sind. Mangels Auskunftspflicht muss eine daraus gegebenenfalls resultierende Ungenauigkeit des Ergebnisses hingenommen werden (vgl. AG Charlottenburg, Urteil vom 05.02.2016, 233 C 467/15).

Soweit die Klägerin darlegt, sie könne 2200 vergleichbare Wohnungen benennen (die offenbar aus dem eigenen Bestand der Klägerin stammen), für die innerhalb der letzten 4 Jahre vor dem Erhebungsstichtag vereinbart worden seien, die noch oberhalb des Spannenoberwertes des Mietspiegels E2 lägen, folgt allein daraus nicht, dass das der Erstellung des Mietspiegels 2015 zugrunde liegende Datenmaterial nicht das Ergebnis einer Zufallsstichprobe ist und die Marktverhältnisse insgesamt nicht widerspiegelt. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Einzelnen nicht vorgetragen wurde, wie die Wohnungen im Einzelnen ausgestattet sind, welche Merkmale sie aufweisen und wie sie sich im Verhältnis zu der Gesamtzahl der Wohnungen verhalten. Zudem wurden einzelne Wohnungen offensichtlich mehrfach – da wohl mehrfach vermietet – genannt (vgl. z. B. … straße 41, Bl. 56 ff. d. A.).

Mit Blick auf die Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung gilt, dass selbst wenn nur ein Teil der Merkmale bei Vermietern oder Mietern abgefragt worden sind, handelt es sich jedenfalls um Aussagen, die vom umfassenden Sachverstand der an der Mietspiegelerstellung beteiligten Experten getragen werden. Sie berücksichtigen die bisherigen Erkenntnisse sowohl der Praxis als auch der Rechtsprechung (AG Charlottenburg, a. a. O., m. w. N.).”