Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Kommt es für die Anwendbarkeit der KündigungsschutzklauselVO des Senats von Berlin vom 13.08.2013 auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Eigentumswohnung an?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 63 S 71/16, Urteil vom 10.02.2017) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: “Jedenfalls ist die Kündigung gemäß § 577 a Abs. 2 BGB in Verbindung mit der KündigungsschutzklauselVO des Senats von Berlin vom 13.08.2013 (GVBl. 2013, 488) ausgeschlossen.

Die Kläger können sich nicht auf ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 577 Abs. 2 Nr. 2 BGB berufen, da an der streitgegenständlichen Wohnung nach ihrer Überlassung an den Beklagten Wohnungseigentum begründet wurde und dieses unstreitig erstmals im Jahr 2011 an die Kläger veräußert wurde.

Das Land Berlin hat durch Verordnung vom 13.08.2013 von seinem Recht aus § 577 a Abs. 2 BGB Gebrauch gemacht und die Kündigungssperrfrist für das gesamte Stadtgebiet auf 10 Jahre verlängert (GVBl. 2013, 488).

Sofern die Kläger der Auffassung sind, es komme für die Anwendbarkeit der KündigungsschutzklauselVO auf den Zeitpunkt des Erwerbs, nicht auf den der Kündigung an, widerspricht dies der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Verordnung erfasst ausweislich ihres Wortlauts und nach ihrem Sinn und Zweck jeweils nach Inkrafttreten auch alle bereits bestehenden Mietverhältnisse (vgl. BGH, 15.11.2000 – VIII ZR 2/00).

Sofern sich die Kläger auf einen Vertrauensschutz dahingehend berufen, dass der Bezirk Steglitz-Zehlendorf in der hier maßgeblichen KündigungsschutzklauselVO vom 13.08.2013 erstmals erfasst ist und unter Berufung auf einen einer Entscheidung des LG Berlin, 17.03.2016 – 67 S 30/16 (dazu IMR 2016, 237) zugrundeliegenden Sachverhalt anführen, ein etwaiger Vertrauensschutz würde unterlaufen, da dann jedem Vermieter auch in ländlichen Gegenden bei erstmaliger Einführung einer KündigungsschutzklauselVO nach § 577a Abs. 2 BGB entgegengehalten werden könnte, dass der Mieterschutz überwiege, greift diese Argumentation nach Auffassung der Kammer zu kurz.

Zwar ist den Klägern zuzugeben, dass, wie auch in der genannten Entscheidung ausführt wird, eine Erstreckung auf Sachverhalte, bei denen der Erwerb vor der Erfassung der streitgegenständlichen Wohnung durch die KündigungsschutzklauselVO, einer unzulässigen Rückwirkung gleichkäme, jedoch liegt auch hier der Fall hier anders.

Auch für Gesetze, die auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirken, können sich zwar, obgleich sie grundsätzlich zulässig sind, aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes je nach Lage der Verhältnisse verfassungsrechtliche Grenzen ergeben. Hierbei ist zwischen dem Vertrauen auf den Fortbestand des Rechtszustands nach der bisherigen gesetzlichen Regelung und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit abzuwägen. Der Vertrauensschutz geht allerdings nicht so weit, den Betroffenen vor jeder Enttäuschung zu bewahren (vgl. BGH, 24.07.2013 – XII ZB 340/11).

Die Erwartung des Erwerbers, die zum Zeitpunkt des Erwerbs bestehenden Einschränkungen der Verfügungsbefugnis über Wohneigentum an vermieteten Wohnräumen würden jedenfalls im Großen und Ganzen unverändert bleiben, ist abzuwägen gegen das durch die Beschränkung seiner Kündigungsmöglichkeiten verfolgte sozialpolitische Ziel, die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen zu gewährleisten. Bei dieser Güterabwägung ist dem Anliegen des Mieterschutzes wegen seiner überragenden Bedeutung für das allgemeine Wohl grundsätzlich der Vorzug zu geben (vgl. BGH, 15.11.2000 – VIII ARZ 2/00)

Zum Zeitpunkt des Erwerbs war durch § 577a BGB bereits die Ermächtigungsgrundlage für den Verordnungsgeber geschaffen worden. Gerade in städtischen Ballungsgebieten wie in Berlin war auch mit dem Gebrauch von der Ermächtigungsgrundlage durch den Verordnungsgeber zu rechnen. Dass die Kündigungsschutzfrist dann durch den Gebrauch sowohl zeitlichen als auch örtlichen Schwankungen unterworfen ist, liegt gerade in städtischen Ballungsräumen auf der Hand und ist nicht vergleichbar mit dem Vertrauen eines Erwerbers in ländlichen Gebieten. Insofern können die Kläger den durch sie angeführten Vertrauensschutz nicht isoliert auf den Bezirk Steglitz-Zehlendorf stützen, sondern es ist vielmehr das gesamte Stadtgebiet nach Sinn und Zweck der Ermächtigungsgrundlage des § 577 a BGB zu betrachten. Dass der Wohnungsmarkt in den verschiedenen Bezirken Berlins immer wieder Schwankungen unterworfen ist und durch eine ständige Fluktuation geprägt ist, ist einer Großstadt immanent und gerade der Grund für den Verordnungsgeber auf derartige Veränderungen durch Erlass einer neuen Rechtsverordnung zu reagieren.”