Aus der Rubrik “Wissenswertes”:              

Existiert in Hamburg eine wirksame Mietpreisbegrenzungs-Verordnung?

Die Antwort des Amtsgerichts Hamburg-Altona (AG Hamburg-Altona – 316 C 380/16, Urteil vom 23.05.2017) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Hamburg-Altona in seiner vorgenannten Entscheidung unter I.bis IV. wie folgt aus: “I. Als einzig denkbare Anspruchsgrundlagen für den Anspruch auf Rückzahlung von Miete, die aufgrund eines Mietvertrages in vereinbarter Höhe geleistet worden ist, kommen im vorliegenden Falle §§ 556g Abs. 2 Satz 3, 512ff BGB in Betracht.

Ein Anspruch daraus scheitert jedoch daran, dass in Hamburg keine nach § 556d Abs. 2. BGB erlassene wirksame Rechtsverordnung existiert. Die Verordnung über diese Einführung einer Mietpreisbegrenzung nach § 556d des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 23.06.2015 ist nichtig.

II. § 556d Abs. 2 Satz 5 BGB Schreibt ausdrücklich vor, dass die Verordnung begründet werden muss. Nach § 555d Abs. 2 Sätze 6 und 7 BGB muss sich aus der Begründung ergeben, auf Grund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt und welche Maßnahmen die Landesregierung in dem nach Satz 1 durch die Rechtsverordnung jeweils bestimmten Gebiet und Zeitraum ergreifen wird, um Abhilfe zu schaffen. Eine derartige Begründung enthält die Verordnung nicht. Auch im Zusammenhang mit dem Erlass der Verordnung ist vom Senat keine Begründung in diesem Sinne gegeben worden.

Die Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 23.6.2015 (Bürgerschaft-Drs. 21/860) ### enthält keine Begründung für den Erlass der Senatsverordnung. Dort heißt es unter II. in den Absätzen 3 und 4:

Dia ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen ist in Hamburg nach den Feststellungen des Senats besonders gefährdet. Dies gilt für den gesamten Zeitraum der Geltungsdauer der Verordnung. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Verordnung sind für das gesamte Stadtgebiet von Hamburg erfüllt.

Im Interesse eines umfassenden Schutzes der Mieterinnen und Mieter bei der Neuanmietung einer Wohnung und zur besseren Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum hat der Senat die anliegende Verordnung ohne sachliche Einschränkungen für das gesamte Gebiet Hamburgs und für die höchstens zulässige Geltungsdauer von fünf Jahren beschlossen.

Im restlichen Teil der Drucksache findet sich nichts, was auch nur ansatzweise einer Begründung entspricht. Die beiden vorgenannten Absätze steilen jedoch ebenfalls keine Begründung im Rechtssinne dar.

Unter Begründung versteht man im Verwaltungsrecht die Mitteilung der wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). § 556d Abs. 4 Satz 6 BGB verlangt vom Verordnungsgeber dementsprechend ausdrücklich, anzugeben, auf Grund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt vorliegt.

Derartige Tatsachen enthält die Bürgerschaft-Drucksache 21/860 nicht. Sie nimmt lediglich Bezug auf nicht näher bezeichnete “Feststellungen des Senats”. Da es erklärtermaßen Zweck der Begründungspflicht ist, die Entscheidungen der Landesregierungen nachvollziehbar zu machen, insbesondere im Hinblick darauf, aufgrund welcher Tatsachen die Gebiete bestimmt wurden und welche Begleitmaßnahmen geplant sind, um die Anspannung der Wohnungsmärkte zu beseitigen (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drs. 18/3121, reicht die Bezugnahme hierauf, nämlich auf Feststellungen, die sich mangels Offenlegung jeglicher demokratischer Debatte entziehen, nicht aus.

Öffentliches Verhandeln von Argument und Gegenargument, öffentliche Debatte und öffentliche Diskussion sind wesentliche Elemente des demokratischen Parlamentarismus (BVerfG, Urteil vom 21.06.2016 – 2 BvE 13/13 -, ### Rn 173).

Eine Begründung muss die Überlegungen des Urhebers eines Rechtsakts so klar und eindeutig zum) Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die getroffene Maßnahme entnehmen können (EuGH, Urteil vom 16.09.2015, Gauweiler, C-62/14EU:C:2015:400, zit. nach BVerfG, Urteil vom 21.06.2016 – 2 BvE 13/13 -. ### Rn 69). Das gilt nicht nur für europäische Rechtsakte, sondern spricht eine Selbstverständlichkeit für jede Begründung in einem Rechtsstaat aus.

III. Die fehlende Begründung hat die Nichtigkeit der Verordnung über die Einführung einer Mietpreisbegrenzung nach § 556d des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Mietpreisbegrenzungsverordnung) vom 23.06.2015 (HmbGVBl. 2015, S. 122) zur Folge.

In der Literstur wird vertreten, eine Nichtigkeit der Verordnung dürfe jedenfalls anzunehmen sein, wenn die Landesregierung (fast) ganz auf eine Begründung verzichtet oder wenn sie sich als Begründüng auf bloße formelhafte Aussagen beschränkt, ohne überhaupt “im Einzelfall” auf das betroffene Gebiet und seine Besonderheiten anhand konkreter Daten einzugehen (so Emmerich, in: Staudinger, Neubearb. 2010, Rn 44 zu § 555d BGB): die Begründungspflicht sei zwingender Teil, der Ermächtigungsgrundlage und somit Wirksamkeitsvoraussetzung (so Schüller, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, 42. Edition, Rn 32 zu § 558d).

Da fehlerhafte Rechtsverordnungen grundsätzlich für nichtig gehalten werden (vgl. die Nachweise bei BayVerfGH, vom 04.04.2017 – VI 3-II-16 -, Rn 30), ist dies die angemessene Rechtsfolge. Leidet ein Normsetzungsverfahren an einem wesentlichen Mangel, so hat dieser Mangel Folgen für die Rechtsgültigkeit der Norm (BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010 – 2 BvF 1/07 -, BVerfGE 127, 293-335, Rn 127 m. w. Nachw.).

Dabei ist im konkreten Fall zu berücksichtigen, dass die Begründungspflicht des § 556d Abs. 2 Sätze 5 und 6 BGB ohne Zweifel dein Grundrechtsschutz dient, weil diese Pflicht, die die Entscheidungen der Landesregierungen insbesondere im Hinblick darauf, aufgrund welcher Tatsachen die Gebiete bestimmt wurden, nachvollziehbar machen soll, in funktionalem Zusammenhang mit der den Inhalt des Eigentums der Vermieter ausgestaltenden Regelung des § 556d Abs. 1 BGB steht (BayVerfGH, vom 04.04.2017 – Vf. 3-VII-16 -, Rn 32).

Bei Erlass einer Rechtsverordnung sind die .ermächtigten Organe an den Rahmen gebunden, den das Grundgesetz (und damit – Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG – der ermächtigende Gesetzgeher) ihnen zieht. Ein Tätigwerden in einer Weise, die dem nicht entspricht, verstößt gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 11.10.1994 -1 BvR 594 – 337/92 -, BVerfGE 91, 148-176, Rn. 101).

Der aus der Rechtssicherheit abgeleitete Umstand, dass bei inhaltlichen Fehlern die Nichtigkeit die regelmäßige Folge des Verfassungsverstoßes bildet, während ein Verfahrensfehler nur dann zur Nichtigkeit der Norm führt, wenn er evident ist (BVerfG, Beschluss vom 11.10.1994, a.a.O., Rn. 132) führt im Streitfall nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn das vollständige Fehlen jeglicher Begründung für den Erlass der Verordnung über die Einführung einer Mietpreisbegrenzung stellt einen derart evidenten Verfahrensfehler dar.

IV. Die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen die bundesrechtliche Begründungsplicht zur Unwirksamkeit der Verordnung führt, ist in erster Linie Aufgabe der hierfür zuständigen Fachgerichte (BayVerfGH vom 04. April 2017 – Vf. 3-VII-16 -, Rn 30; vgl. auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. Juni 2015 – 1 BvR 1360/15 -, Rn 11). Gerichte können und müssen die für ihre Entscheidung in Betracht kommenden Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und landesrechtliche Vorschriften auch auf ihre Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht hin prüfen (BGH, Urteil vom 04.11.2015 – VIII ZR 217/14 -, BGHZ 207, 246-296, Rn 21).

Die Notwendigkeit der Anerkennung einer solchen fachgerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit gegen untergesetzliche Rechtesätze folgt aus Art. 19 Abs. 4 GG (BVerfG, Beschluss vom 17.01.2006 – 1 BvR 541/02 -, BVerfGE 115, 81-97, Rn 41).”