Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Sind die Vorschriften über die Mietpreisbremse analog anwendbar, wenn kein neuer Mietvertrag abgeschlossen wird, sondern ein dreiseitiger Vertrag zwischen Vermieter, Vormieter und neuem Mieter dahingehend, dass der Vormieter aus dem Mietverhältnis ausscheidet und der neue Mieter in dieses eintritt?

Die Antwort des Amtsgerichts Neukölln (AG Neukölln – 20 C 19/17, Urteil vom 11.10.2017) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Neukölln in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. 1. wie folgt aus: “Die Feststellungsklage ist begründet. Die zulässige Miethöhe für die streitbefangene Wohnung beträgt lediglich 508,00 Euro nettokalt und ist damit uni 305,12 Euro überhöht, Dies ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 556dAbs.1 BGB i.V.m. der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung und dem Berliner Nietspiegel 2017 sowie aus § 556e Abs. 1 BGB.

Nach Ansicht des Gerichts sind die Regelungen der §§ 556d ff. BGB verfassungsgemäß; die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung ist ebenfalls verfassungskonform und rechtswirksam. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Hinweisbeschlusses der 67. Kammer des Landgerichts Berlin vom 14. September 2017 (Geschäftszeichen 67 S 149/17). Die 65. Kammer des Landgerichts Berlin (Urteil vom 29. März 2017 – 65 S 424/16) und die 11. Abteilung des Amtsgerichts Neukölln (Urteil vom 08. September 2016 –11 C 414/15) haben bereits mit umfassender Begründung, der sich das Gericht anschließt, dargelegt, dass die Regelungen zur sogenannten Metpreisbremse verfassungsgemäß und rechtswirksam sind. Nach Ansicht des Gerichts liegt insbesondere auch kein Verstoß gegen M. 3 Abs. 1 GG vor. Die in § 556e Abs. 1 BGB vorgenommene Differenzierung ist aus Gründen des Bestandsschutzes gerechtfertigt und stellt sich nicht als sachwidrig dar (LG Berlin, Urteil vom 29. März 2017 – 65 S 424/16; Schuldt, “Mietpreisbremse – Eine juristische und ökonomische Untersuchung der Preisregulierung für preisfreien Wohnraum”, 2017, Seite 230 f.). Auch die Begrenzung der zulässigen Neuvermietungsmiete durch § 556d Abs. 1 BGB in den von § 556d Abs. 2 BGB erfassten Gebieten führt zu keinem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn § 556d, Abs. 1 BGB stellt in den von § 556d Abs. 2 BGB erfassten Gebieten einheitlich auf die ortsübliche Vergleichsmiete ab. Die unterschiedlichen Grenzen für die zulässige Höhe der Neuvertragsmiete ergeben sich erst aus der Uneinheitlichkeit der lokalen Wohnungsmärkte (Schuldt, “Metpreisbremse – Eine juristische und ökonomische Untersuchung der Preisregulierung für preisfreie Wohnraum«, 2017, Seite 235).

Zwar scheidet eine unmittelbare Anwendung des § 556d BGB vorliegend aus. Denn die Vereinbarung vom 30.11.2016 stellt sich aufgrund ihrer rechtlichen Ausgestaltung nicht als Neuabschluss eines Mietvertrages dar. Es handelt sich vielmehr um einen dr6iseitigen Vertrag zwischen den Klägern, der Beklagten und den Vormietern, in dem ausdrücklich festgehalten ist, dass die Vermieter aus dem bestehenden Metverhältnis austreten und die Kläger mit allen Rechten und Pflichten in das bestehende Metverhältnis unter gleichzeitiger Erhöhung der Nettokaltmiete eintreten.

§ 556d BGB findet jedoch analoge Anwendung. Analogie ist die Übertragung eines gesetzlich geregelten Tatbestands auf einen vom Gesetz nicht geregelten, aber im Wesentlichen ähnlichen Tatbestand. Weiter setzt eine Analogie voraus, dass ein Gesetz nach der gesetzgeberischen Regelungsabsicht eine planwidrige Unvollständigkeit enthält. Bei Gleichheit von Interessenlage und Normzweck werden solche Lücken durch Analogie geschlossen (Staudinger Eint. zum BGB Rn. 156).

Aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls ist die streitgegenständliche Fallkonstellation mit der Konstellation der Neuvermietung einer Wohnung im Wesentlichen vergleichbar. Für die von der Beklagten gewählte Vertragskonstruktion bestand kein sachlicher Grund. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung am 30.11.2016 hatten die Vormieter das Metverhältnis bereits gekündigt Die Beklagte hätte also ohne weiteres mit den Klägern einen neuen Metvertrag abschließen-können. Es macht vorliegend im Ergebnis keinen Unterschied, ob eine: Neuvermietung durch Beendigung des alten Metvertrages und Abschluss eines neuen Mietvertrages mit einer höheren Niete erfolgt oder ob ein vollständiger Mieterwechsel in einem bestehenden Mietverhältnis unter Ausscheiden der alten Meter und Eintritt der neuen Meter bei gleichzeitiger Erhöhung der Mete stattfindet. Es ist offensichtlich, dass die Beklagten die vorliegende Vertragskonstruktion nur gewählt haben, um die Regelungen-der §§ 556d ff. BGB zu umgehen.

Es liegt eine planwidrige Regelungslücke vor. Der Gesetzgeber wollte mit den §§ 556d ff. BGB auf Mietsteigerungen bei Neuvermietung in bestimmten Regionen reagieren. Die Regelung soll dazu beitragen, der direkten oder indirekten Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Wohnquartieren entgegenzuwirken (BeckOK BGB/Schüller BGB § 556d Rn. 1-3). Es ist davon auszugehen, dass der Kläger auch den vollständigen Meteraustausch in einem bestehenden Metverhältnis unter gleichzeitiger Erhöhung der Mete von den §§ 556d ff. BGB erfassen wollte, wenn für eine solche Vertragskonstruktion gegenüber-einem ebenfalls möglichen Neuabschluss eines Metvertrages kein sächlicher Grund besteht und sich die gewählte Vertragskonstruktion im Ergebnis wie eine Neuvermietung darstellt.

Aufgrund der Umstände des konkreten Einzelfalls liegt auch eine Gleichheit der Interessenlage vor. .Die Kläger befanden sich gegenüber der Beklagten in einer unterlegenen Position. Die Vormieter hatten die Wohnung bereits gekündigt. Die Beklagten weigerten sich, mit den Klägern einen neuen Mietvertrag abzuschließen, sondern bestand auf den Abschluss der streitgegenständlichen Vereinbarung. Die Kläger waren gezwungen, der Vereinbarung zuzustimmen, weil sie ansonsten aller Voraussicht nach, die Wohnung nicht hätten mieten können. Die Situation der Kläger vor dem Abschluss der Vereinbarung entsprach damit der Situation, wie sie bei Nietinteressenten üblich-ist, die sich auf eine Wohnung zur Neuanmietung bewerben.

Die zwischen den Parteien vereinbarten Nettokefirniete in Höhe von 813,12 Euro überschreitet die nach § 556d Abs. 1 BGB zulässige Miethöhe. Danach darf die Niete zu Beginn des Nietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 Abs. 2 BGB) höchstens um 10 % übersteigen. Die ortsübliche Vergleichsmiete, an der sich gemäß § 556d Abs. 1 BGB die zulässige Höchstmiete orientiert, kann anhand des Berliner Mietspiegels 2017 bestimmt werden. Dabei kann dahinstehen, ob der Berliner Metspiegel 2017 qualifiziert im Sinne des § 558d BGB ist. Er kann zumindest als einfacher Metspiegel gemäß § 287 ZPO herangezogen werden (LG Berlin, Urteil vom 29. März 2017 – 65 S 424/16 – AG Neukölln, Urteil vom O8. September 2016 11 C 414/15). Der Berliner Metspiegel 2017 ist anstatt des Berliner Nietspiegels 2015 heranzuziehen. Der Abschluss der Vereinbarung erfolgte am 30.11.2016. Stichtag für die Heranziehung des Berliner Metspiegels 2017 ist der 01.09.2016.

Die Parteien haben die streitbefangene Wohnung unstreitig in das Feld D2 des Berliner Mietspiegels 2017 eingeordnet. Hiervon ausgehend ergibt sich ein Mittelwert von 5,93 Euro/m². Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass die im Berliner Mietspiegel 2017 aufgeführten und zwischen den Parteien streitigen wohnwertmindernden Merkmale der Merkmalgruppe 5 (Wohnumfeld) “Lage in stark vernachlässigter Umgebung in einfacher Wohnlage” und “keine Fahrradabstellmöglichkeit auf dem Grundstück” nicht gegeben sind, ergibt sich eine ortsübliche Vergleichsmiete von nur 6,36 Euro/m².

Unter Berücksichtigung des gemäß § 556d Abs. 1 BGB zulässigen Zuschlags von 10% auf die ortsübliche Vergleichsmiete, vorliegend mithin 0,64 Euro/qm, beträgt die zulässige Niete 7,00 Euro/qm. Auf Grundlage der Wohnungsgröße von 58,08 qm ergibt sich hieraus eine zulässige Nettokaltmiete in Höhe von 406,56 Euro.

Bereits die Nettokaltmiete der Vormieter in Höhe von 508,00 Euro überstieg damit schon ortsübliche Vergleichsmiete samt Zuschlag von 10 %, so dass zu Gunsten der Beklagten die Bestandsschutzregelung des § 556e Abs. 1 BGB eingreift. Die zulässige Nettokaltmiete beträgt damit 508,00 Euro. Die mit den Klägern in der Vereinbarung vom 30.11.2016 vereinbarte Nettokaltmiete ist monatlich um 305,12 Euro überhöht.

Selbst wenn man eine analoge Anwendung der § 556d ff. BGB ablehnte, läge dann jedenfalls ein unzulässiges Umgehungsgeschäft vor mit der Folge, dass die Regelung in Ziffer 3 der Vereinbarung vom 30.11.2016, mit der die Nettokaltmiete von ursprünglich 508,00 Euro auf 813,12 Euro erhöht wird, gemäß §§ 134139 BGB nichtig wäre. Unter Berücksichtigung der salvatorischen Klausel in Ziffer 9 der Vereinbarung vom 30.11.2016 läge keine Gesamtunwirksamkeit vor, sondern die Unwirksamkeit wäre auf die Regelung in Ziffer 3 der Vereinbarung vom 30.11.2017 beschränkt. Ein Umgehungsgeschäft liegt vor, wenn durch Umgehung verbotener rechtlicher Gestaltungen ein vom Gesetz verbotener Erfolg herbeigeführt werden soll (BGH, Urteil vom 06. Dezember 1990 –IX ZR 44/90 -, Rn. 25). Die Beklagte handelte mit Umgehungsabsicht. Ein sachlicher Grund für den Abschluss der Vereinbarung vom 30.11.2016 anstatt eines Neuabschlusses eines Metvertrags bestand nicht Die Beklagte zielte offensichtlich darauf ab, die Regelungen des §§ 556d ff. BGB zu umgehen und eine Metsteigerung über die Zulässigkeitsgrenze der §§ 556d ff. BGB hinaus herbeizuführen.”